Aus der Zukunft in die Vergangenheit "Wir schreddern hier alles": Limp Bizkit
23.06.2011, 15:46 Uhr
Wollen es noch einmal wissen: Limp Bizkit.
(Foto: Universal Music)
Um die Jahrtausendwende gehörten sie zu den größten Rockstars auf dem Planeten. Doch dann wurde es still um Limp Bizkit. Nun meldet sich die Band mit "Gold Cobra" zurück. Ein Album, das klingt, als würde man sich nach 1999 zurückbeamen, wie Sänger Fred Durst gegenüber n-tv.de sagt.
An eine Sache erinnert sich bei Limp Bizkit fast jeder: Den Videoclip zu "Behind Blue Eyes". Nicht etwa, weil er außergewöhnlich spektakulär oder mit einem Budget à la Michael Jacksons "Thriller" gesegnet gewesen wäre. Auch nicht unbedingt, weil die Coverversion eines alten The-Who-Songs ein so unglaublicher Megakracher und unvergesslicher Evergreen gewesen wäre. Nein, sondern weil Sänger Fred Durst in diesem Video etwas tut, um das ihn zu dieser Zeit ungefähr 99,99 Prozent der (heterosexuellen) Männer beneidet haben (was mit den übrigen 0,01 Prozent los ist, weiß auch keiner so recht): Er schlabbert Halle Berry ab. Er, der volltätowierte, kurzgeschorene Südstaaten-Proll. Grr. Sie, das frisch gekürte und eben erst im orangefarbenen Bikini den Fluten entstiegene Bond-Girl. Rrr.
Das war 2003. Und dass sich wohl die meisten bei Limp Bizkit ausgerechnet daran erinnern, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Zum einen, weil das sanfte "Behind Blue Eyes" natürlich alles andere als typisch für den Nu-Metal-Sound der Band war. Zum anderen, weil die Hochzeit von Fred Durst und seinen Mannen da eigentlich bereits vorbei war. Richtig durchgeblasen hatten sie die Crossover-Szene in den Jahren zuvor, vor allem mit ihrem zweiten Album "Significant Other" (1999) und dem auf den Bandwurm-Namen "Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavored Water" (2000) hörenden Nachfolger. In dieser Zeit waren sie Megastars. Und so dürfte, wer damals nicht nur Blümchen und die Backstreet Boys gehört hat, bei Songs wie "My Generation" (in diesem Fall nicht von The Who) und "My Way" (nicht von Frank Sinatra) oder Textzeilen wie "Rollin', Rollin', Rollin'" (nicht aus dem Western-Song "Rawhide") am liebsten auf der Stelle sein Skateboard wieder aus dem Keller holen.
Der Sturz vom Rock-Olymp
"Behind Blue Eyes" und das zugehörige Album "Results May Vary" indes markierten den Anfang des Niedergangs von Limp Bizkit. 2005 folgten noch eine EP und ein Greatest-Hits-Album. Dann war Funkstille. Die Erklärung für den abrupten Karriereknick war so einfach wie menschlich: Die Band hatte sich verkracht. Als Gitarrist und Songschreiber Wes Borland, der sich schon zuvor mehr als nur einmal mit Frontmann Fred Durst gefetzt hatte, 2005 die Band scheinbar endgültig verließ, war das der redensartliche Genickschuss für die Gruppe. Von da an ging jeder seinen eigenen Weg - Borland etwa mit seinem musikalischen Projekt "Black Light Burns" sowie kurzzeitig als Live-Gitarrist von Marilyn Manson, Fred Durst unter anderem als Schauspieler und Filmregisseur.
Auch wenn Durst die Band nicht für aufgelöst erklären wollte - es hätte wohl das Ende von Limp Bizkit sein können. Hätte. Denn am 11. Februar 2009 überraschte der Sänger die Fans zunächst mit der Twitter-Nachricht "1am pacific time- limpbizkit.com tonight", um dann just zu der angekündigten Zeit auf der Webseite gemeinsam mit Borland die Wiedervereinigung der Gruppe zu verkünden. Was folgte, ist mittlerweile abermals schon beinahe wieder Geschichte: Von Mai 2009 an ging die Gruppe auf Tour und begann wenig später mit der Arbeit an einem neuen Album. Das erscheint nun unter dem Namen "Gold Cobra". Und nicht nur die Plattenfirma jubelt: Es meldet sich "eine der größten Rockbands in Originalbesetzung" zurück!
Rap-Rock-Champions
Keine Frage: Die Veröffentlichung von "Gold Cobra" ist ein rockmusikalisches Ereignis. Nicht nur, weil sie die Rückkehr von Limp Bizkit in die CD-Schächte und MP3-Player bedeutet, sondern auch, weil das Album den hohen Erwartungen durchaus gerecht werden kann (Hören Sie HIER in das komplette Album rein. Anspieltipps: "Douche Bag", "Shotgun", "Shark Attack"). Jedenfalls, wenn man ein Fan der Gruppe ist. "Gold Cobra" knüpft beinahe nahtlos an die beiden großen Erfolgsalben aus der Zeit der Jahrtausendwende an. Das Album rumst in der wirklich besten und schon verloren geglaubten Limp-Bizkit-Manier. Nur wer größere musikalische Veränderungen und Weiterentwicklungen erwartet hätte, wird enttäuscht. Oder, um es mit Wes Borland zu sagen: "Wer Limp Bizkit früher gehasst hat, wird sie auch weiterhin hassen."
"Was Wes wohl gemeint hat: Wir sind nicht losgegangen und haben unseren Stil komplett geändert", erklärt Fred Durst im n-tv.de Interview die Aussage seines alten und neuen Bandkollegen. "Wir haben uns dafür entschieden, uns auf uns selbst zu besinnen und zu uns selbst zu stehen. Wir sind eine Rap-Rock-Band und fühlen uns wie die unangefochtenen Rap-Rock-Champions. Wir sind stolz darauf und wollen uns das nicht nehmen lassen." Zugleich ist er sich jedoch genauso sicher, dass alle früheren Limp-Bizkit-Fans mit "Gold Cobra" voll auf ihre Kosten kommen werden. "Wer den Spirit von Limp Bizkit und das Gefühl unserer Musik mag, wird die neue Platte auf jeden Fall lieben", sagt er und fügt stolz an: "Die Platte klingt, als würde man im Jahr 2012 zurück in die Zeit von 1999 gehen."
Von wegen Rüpel-Rocker
Ich spreche mit Fred Durst am Telefon. Ich sitze in Berlin, er in Los Angeles. Hier ist es 19.30 Uhr am Abend, dort 10.30 Uhr am Morgen. Dass ich es nicht mit dem Sänger irgendeiner Hinterhof-Kapelle zu tun habe, sondern mit einem richtigen "Star", lässt mich vor allem das Management spüren. 10 Minuten und keine Minute länger, schärft mir ein freundlicher Herr vor Beginn des Gesprächs mit dem Sänger ein, um sich während des Telefonats nach rund neun Minuten mit der Aufforderung "Last Question!" ein weiteres Mal einzuschalten. Nur Durst bleibt völlig gelassen und erklärt mir, einfach nicht auf den Herrn zu hören, sondern munter weiter zu fragen.
Tatsächlich hinterlässt der Limp-Bizkit-Frontmann - sofern man das über rund 9.000 Kilometer Entfernung beurteilen kann - nicht nur einen äußerst entspannten, sondern auch einen wirklich freundlichen und sympathischen Eindruck. Allen Unkenrufen zum Trotz. Vom "Rüpel-Rocker"-Image, das Durst früher oft anlastete, ist rein gar nichts zu merken. In unserem am Ende knapp 16 Minuten langen Gespräch benutzt er so oft und mit einer Verve das Wort "Leidenschaft", dass man am Ende an seiner Aufrichtigkeit eigentlich kaum noch zweifeln kann - auch wenn man den bei Amerikanern oft zum Umgangston gehörenden Hang zur Übertreibung in Rechnung stellt.
Die Magie der DNA
"Wir haben definitiv ein 'Alltime High'", erklärt Durst, auf die einstmals an der Tagesordnung liegenden Querelen innerhalb der Band angesprochen. "Wir kommen heute auf eine Art und Weise miteinander aus, wie wir es nie zuvor gekannt haben. Wir sind zu Erwachsenen geworden, die miteinander richtig befreundet sind, selbstlos und aneinander interessiert, am Wohlergehen, an den Gefühlen und Meinungen der anderen", beschreibt er den "Spirit" innerhalb von Limp Bizkit im Jahr 2011. Und beschwört die Einheit der Band: "Die Magie liegt in der DNA. Wenn man sie zerstört, mutiert alles zu etwas ganz anderem - einem Wissenschaftsprojekt oder so", zeichnet Durst ein Sinnbild über den Zustand der Gruppe nach dem Weggang von Borland seinerzeit. "Nichts könnte besser sein, als die DNA wieder in ihrer ursprünglichen Form zusammenzusetzen."
Doch das war ein schwieriger Prozess. Die menschliche Wiederannäherung vollzogen die Mitglieder der Gruppe auf Tour - volle zwei Jahre lang. "Manche Bands wären bei der Gelegenheit wahrscheinlich sofort ins Studio gegangen und hätten ein Album aufgenommen. Aber für uns war klar: Wir begehen keine feierliche Wiedervereinigung, um nochmal abzusahnen, sondern gehen ernsthaft wieder aufeinander zu. Wir haben wirklich Leidenschaft für das, was wir tun", sagt Durst. Da war sie wieder, die Leidenschaft.
In Würde schreddern
Dabei könnte man doch meinen, dass einem gerade die in einem gewissen Alter abhanden kommen könnte. Vergangenes Jahr ist Durst 40 geworden. Hat sich bei ihm nichts verändert im Vergleich zu der Zeit von "Significant Other" und Co? "Doch, ich fühle, dass ich mich weiter entwickle - jeden Tag, an dem ich aufwache. Meine Sicht auf viele Dinge wird klarer", erklärt der Sänger. Im Kern jedoch habe er sich ebenso wenig verändert wie die anderen Mitglieder der Band: "Keiner von uns faked etwas." Wenn sie auf die Bühne gingen, schieße es ihm stattdessen manchmal durch den Kopf: "Scheiße, ich bin 40 Jahre alt, aber wir schreddern hier gerade alles."
Und offensichtlich hilft es ihm, dass er im Club der gealterten (Rock-)Stars nicht ganz alleine ist. "Jetzt sind wir in der Ära der Großvater-Skateboarder. Nimm Tony Hawk. Er ist im selben Alter, sogar ein bisschen älter als ich. Aber weißt Du was: Er macht das immer noch. Einfach, weil er es liebt. Wer hätte vor 30 Jahren schon gesagt: Ja, klar, diese Typen werden bis in ihre Fünfziger skateboarden - auf der Halfpipe mit 540-Flips. Mein Großvater hätte das nie gemacht", sagt Durst und legt, während ich noch versuche, mir meinen Großvater auf einem Skateboard vorzustellen, nach: "Oder die Beastie Boys - ein großartiges Beispiel. Die faken nichts. Bei ihnen ist B-Boy eine Blutgruppe, in jeder Hinsicht. Sie altern würdevoll, so, wie sie einfach sind."
Bis dato einigermaßen würdevoll gealtert ist zweifellos auch Halle Berry, die mittlerweile tatsächlich auch schon 44 ist. Auf das Video wurde Fred Durst in seinem Leben bestimmt bereits drei Millionen Mal angesprochen. Das will ich daher selbstredend nicht wiederholen. Jedenfalls nicht direkt. Stattdessen frage ich ihn abschließend: Wenn er bei einem Video zu einem Song aus dem neuen Album die freie Wahl hätte - welche Frau hätte er heute gerne in dem Clip? "Oh Man", entfährt es Durst. "Ich will das nicht wählen, aber wenn ich müsste …" Das Überlegen dauert eine gefühlte Ewigkeit. Doch 90 Sekunden und einige "let me see", "hold on" und "let me think" später legt sich der Limp-Bizkit-Frontmann mit immer noch zögerlicher Stimme fest: "Natalie Portman und Scarlett Johansson." Gute Wahl, bescheinige ich ihm.
Hören Sie HIER in das komplette Album rein. Anspieltipps: "Douche Bag", "Shotgun", "Shark Attack".
Quelle: ntv.de