Musik

Was vom August übrig blieb Yin und Yang für Feinschmecker

Herren in Bade-Einteilern, immer ein Augenschmaus.

Herren in Bade-Einteilern, immer ein Augenschmaus.

Sättigende Alternative-Rock-Beilagen, melancholische Lyrik-Feinkost und sphärische Atmo-Desserts bewerben sich im August für einen Platz auf der musikalischen Menükarte des Monats. Wir wünschen Guten Appetit!

Beatsteaks - Beatsteaks

Nummer-eins-Alben hin, ausverkaufte Endlostourneen her: Die Beatsteaks sind und bleiben die wohl geerdetsten und sympathischsten Vertreter der hiesigen Alternativ-Branche.

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Auch auf ihrem neuen Album versprühen die fünf Berliner um Bühnenderwisch Arnim Teutoburg-Weiß wieder dermaßen viel Gute-Laune-Rock- Charme, dass es kein Wunder ist, dass sich in den vergangenen knapp zwanzig Jahren zwischen Flensburg und München nicht einmal eine zehnköpfige Anti-Beatsteaks-Fraktion gebildet hat.

Keine Allüren, keine Skandale: Nur Friede, Freude, Rock’n’Roll. Die Hauptstädter spielen auch nach zwei Dekaden immer noch die erste Geige, wenn es um druckvolle Kreuzüber-Rock-Klänge geht. Wer will sich da schon als Spaßbremse outen?

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Ben Miller Band – Any Way, Shape Or Form

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Do It Yourself heißt die Kollektiv-Maxime der Herren Miller, Dicharry und Leeper. Statt sich nämlich mit gängigen Instrumenten aus dem Katalog zu versorgen, fertigen die drei Bluegrass-Fetischisten aus Missouri ihre Klangwerkzeuge lieber selbst an.

Auch musikalisch wandelt das Trio ganz gerne auf unorthodoxen Pfaden. So hüpfen auf ihrem mittlerweile vierten Studioalbum nicht nur gängige Prärie-Sounds, sondern auch kantige Delta-Blues-Anleihen und schroffe Rock’n’Roll-Einwürfe um die Wette.

Ein frischer Wind fegt durch die mittlerweile etwas monoton vor sich hin dümpelnde Bluegrass-Branche. In diesem Sinne: Gäule satteln, und raus an die frische Luft.

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Tiemo Hauer – Camille

Blonde Locken und deutsche Texte können einem Sänger hierzulande ganz schön im Wege stehen. Vor allem dann, wenn man sich, wie Tiemo Hauer, lieber in versifften Clubs als im Friede-Freude-Fernsehgarten die Zeit vertreibt.

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Auch heute noch wird dem Stuttgarter Sänger in unwissenden Pressekreisen nur allzu gerne der  Tim-Bendzko-Zwilling-Button auf die Stirn geklebt. Dabei hat Tiemo Hauer bereits auf seinem letzten Album bewiesen, dass er mit glattpoliertem Einheitspop in etwa noch genauso viel zu tun hat, wie RTL 2 mit gehobener Fernsehunterhaltung.

Auf seinem neuen Album geht der Schwabe sogar noch einen Schritt weiter, indem er melancholische Feinmotoriker-Lyrik mit Indie-lastigen Kammerpop-Strukturen vermengt, die hier und da sogar noisige Abzweigungen nehmen. Wen interessieren da noch blonde Locken?

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Royal Blood – Royal Blood

The White Stripes, The Kills, The Black Keys: Rockende Duos gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Royal Blood setzen der nicht enden wollenden Minimalisten-Hype nun aber die Krone auf.

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Mit einem Schlagzeugsound, der Erinnerungen an die Großtaten eines John Bonham weckt, und verzerrten Bassklängen, die selbst eingespielteste Gitarren-Teams vor Neid erblassen lassen, setzen die beiden britischen Königsblut-Verantwortlichen  Mike Kerr und Ben Thatcher eine Led-Zeppelin-meets-Nirvana-meets-Qotsa-meets-The-Black-Keys-Lawine in Gang, die innerhalb von dreißig Minuten so ziemlich alles mit sich reißt, was in den vergangenen 45 Jahren in punkto Rock gepflanzt wurde.

Wenn Royal Blood loslegen, bleibt kein Stein auf dem anderen. Viel Spaß beim Aufräumen.

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Niels Frevert – Paradies der Gefälschten Dinge

Niels Frevert braucht nicht viel, um seine Hörerschaft um den Finger zu wickeln. Eine Prise Singer/Songwriter-Schwermut, gepaart mit orchestral gefütterten Soundscapes aus der verrauchten Bar um die Ecke: That’s it. Musikalisch geht es auf Freverts Solo-Alben nur selten innovativ zu. Muss es aber auch nicht.

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Was bei dem Hamburger schließlich schon immer an erster Stelle stand, sind seine Texte. Und die setzen sich auch anno 2014 wieder ohne Probleme an die Spitze der nationalen Lyrik-Charts.

Wer also zwischen gängigen Over-The-Top-Phrasen und melancholischen Das-Leben-ist-eine-Baustelle-Superlativen mal wieder Lust auf intelligente Satzakrobatik verspürt, der kommt beim Hören des neuen Frevert-Schaffens voll auf seine Kosten.

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Trümmer – Trümmer

Drei junge Wahl-Hamburger rotzen sich durch disharmonische Rock- und Post-Punk-Welten. Auch inhaltlich tritt mehr Schnodder als Glamour an die Oberfläche. Obendrein nennt man sich auch noch Trümmer – wie passend.

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Schiebt man die oberflächlichen Hamburger-Schule-Tribute-Band-Vorbehalte jedoch beiseite und riskiert ein offeneres Ohr, merkt der Hörer schnell, dass es sich bei Trümmer um weit mehr handelt als nur um eine an längst verblichene Toco-und-Co-Zeiten erinnernde Gedenkband. Hier wird nicht nur plump der mahnende Zeigefinger in die Höhe gereckt, sondern intelligent hinterfragt.

Und das auch noch ummantelt von locker aus der Hüfte geschossenen Hinterhof-Sounds der kratzigeren Sorte. Die Gegenwart ist tot. Es lebe der Neuanfang!

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Maybeshewill – Fair Youth

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Sphärische von Klavier und Streichern begleite Soundlandschaften treffen auf durchschlagskräftige Gitarrenspuren und dynamische Drums: Mit Maybeshewill schickt sich eine weitere englische Post-Rock-Combo an der Masse von Gesang-trifft-auf-Musik-Bands den geschwollenen Mittelfinger zu zeigen.

Ähnlich wie ihre Kollegen von Mogwai, God Is An Astronaut und Godspeed You! The Black Emperor setzen die vier Maybeshewill-Verantwortlichen alles auf die Atmosphäre-Karte. Und siehe da: Im Reich der stimmlosen Sphären-Zauberer ist durchaus noch Platz für eine weitere hochkarätige Ansammlung von detailverliebt arrangierten und mitreißenden Vier- und Fünfminütern.

Singen ist Silber, Schweigen ist Gold.

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Engineers – Always Returning

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Mit träumerischen Shoegazing-Sounds verdient man sich schon lange keine goldene Nase mehr - erst recht nicht in Zeiten, in denen das Albumformat mehr denn je im Schatten aufgeplusteter Kurzzeit-Singles sein tristes Dasein fristet.

Das juckt eine Band wie die Engineers aber überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Mit ihrem neuen Album setzt das britisch-deutsche Trio dem bisherigen Schaffen sogar noch die Krone auf. Seufzende Gesänge und verkopfte  Harmoniebögen bilden das Fundament, auf dem sich atmosphärische Dreampop-Strukturen nach Lust und Laune austoben.

Das mag der Masse zwar auf Dauer zu seicht und kantenlos klingen; Freunde ausufernder Träumereien fernab von Blitz und Donner hingegen werden hier begeistert in die Hände klatschen.

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Quelle: ntv.de

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