Me and Mr. Jones Dreier mit der Nachbarin
27.09.2012, 15:04 Uhr
Helfen die "Sextipps von einem schwulen Mann für Ehepaare" denn?
Sie stellen sich an "Wie beim ersten Mal". Es ist aber nicht angenehm, dabei zuzugucken, so fremd sind sich Kay und Arnold nach 30 Jahren Ehe. Deswegen suchen sie Hilfe bei einem Sexualtherapeuten, denn er will einfach nur einen gebl**en bekommen, und sie will mal wieder angefasst werden.
Knautschgesicht und Spießer-Mutti haben keinen Sex mehr - ja und? Es gibt wirklich schlimmere Probleme auf der Welt. Aber wir alle neigen ja dazu, unsere eigenen besonders ernst zu nehmen. Man könnte nun damit anfangen, anstelle von Kay (Meryl Streep) als erstes zum Friseur zu gehen, um sich dieser ungeheuerlichen Frisur, mit der die wunderbare Meryl Streep da 100 Minuten lang herumrennen muss, zu entledigen. Und Arnold (Tommy Lee Jones) müsste nur einmal nicht ganz so bärbeißig sein, alles wäre schon viel erträglicher. Aber, und da gehen wir jetzt mal ans Eingemachte - vielleicht muss Mister Jones sich bei diesen Dreharbeiten ja gar nicht so sehr verstellen, denn beim Interview in Berlin ist er ähnlich finster gelaunt wie im Film.
Alles könnte so einfach sein: Wir sind in einem wunderschönen Hotel, Mr. Jones wohnt da auch, das heißt, er hat den besten Service, das Bett wird abends für ihn aufgeschüttelt, die Sonne strahlt, die Menschen sind ihm wohlgesonnen, und wenn auch die Rolle in seinem neuesten Film vielleicht nicht die sein wird, die am längsten im Gedächtnis der Fans haften bleibt, so ist sie doch recht ungewöhnlich. Sonst eher mit Aliens abknallen beschäftigt, grantelt er sich in David Frankels ("Der Teufel trägt Prada") neuestem Film "Hope Springs" (Wie beim ersten Mal) durch Couch und Bett – und das ist sogar sehr amüsant. Peinlich auch manchmal? "Glauben Sie vielleicht, dass mir etwas peinlich ist?" frotzelt Jones. Naja, warum nicht, es ist vielleicht gar nicht so einfach als 66-Jähriger, darüber zu reden, dass man sexuelle Fantasien über einen Dreier mit der Nachbarin hat, dass alles noch ganz super funktioniert, wenn man nur mal rangelassen werden würde, ja, auch dass man gerne einen geblasen bekommen würde - von der eigenen Frau. "Ich bin Schauspieler, ich versetze mich in eine Rolle hinein", so die kurze, dennoch informative Antwort.

"Sagen Sie doch mal frei heraus, was Sie im Bett so für Fantasien haben ... Was? Gar keine?" Steve Carell gibt sich echt Mühe ...
Oha, dann kommt die Frage danach, wie seine Frau den Film fand und die die Kollegin neben mir auf äußerst charmante Art stellt, sicher gar nicht gut an. Uups, nee: "Das, Verehrteste, geht Sie nun wirklich gar nichts an." Stimmt, ganz genau betrachtet, aber er hätte sagen können, dass seine Frau (immerhin seine dritte und 18 Jahre jünger als er und die beste Polospielerin der Welt in seinen Augen und - schlagartig wird einem klar, dass die Frage: "Glauben Sie, dass Leidenschaft nach 31 Jahren Ehe zurückkommen kann?" - total lächerlich wäre, denn so lange hat er es ja mit keiner Frau ausgehalten), also dass sie und er so happy sind, dass sie Ehetipps sowieso nicht brauchen und sie den Film beispielsweise "funny", "great" oder "fantastic" fand. Nichts von dem, Mr. Jones starrt ins Leere und wartet auf die nächste Frage.
"Read my Bio!"
Versuchen wir es mal mit Meryl Streep, die leider nicht auf Promotion-Tour ist: "Warum wollten Sie unbedingt mit ihr zusammenarbeiten", trauen wir uns zu fragen und beantworten uns selbige, während uns die Worte über die Lippen huschen: "Weil sie die tollste Schauspielerin der jetzigen Zeit ist, jeder will mit ihr zusammenarbeiten, das war ein langgehegter Wunsch." Klar, und jeder andere hätte jetzt noch eine lustige Anekdote von den Dreharbeiten zum Besten gegeben, aber bei Mr. Jones ist es schon fast too much information, dass wir erfahren dürfen, dass er und Meryl noch nie zuvor zusammen gedreht haben und nun trotzdem Freunde sind. Wir müssen Mrs. Streep nächstes Mal unbedingt fragen, wie sie das hingekriegt hat. Zur Auflockerung fragt eine andere Kollegin aus der Runde (wir befinden uns zum Glück in einem Gruppeninterview) nach etwas aus der Vergangenheit, die Antwort, die zurückkommt, lautet knapp: "Read my Bio!" Auf eine andere Frage kontert er: "Do you think I’m a normal person?" Was soll man da sagen, ohne ihm auf den Schlips zu treten? Hoffentlich nicht! Die Kollegin versucht, es zu umschreiben: "Glauben Sie, dass Sie als Hollywoodstar sich vom Menschen auf der Straße unterscheiden?" "Ich bin kein Hollywood-Star". Ach so, und warum nicht? "Read my Bio!" Ja, dann hätten wir uns den ganzen Aufriss hier ja sparen können, aber er sagt dann noch: "Ich bin kein Hollywoodstar, ich bin ein hart arbeitender, amerikanischer Schauspieler." Gerade nochmal die Kurve gekriegt, Mr. Jones, sonst hätte es doch vielleicht ein bisschen arrogant geklungen.
Wow, langsam wird unser Respekt vor Will Smith noch größer, der bereits zum dritten Mal mit ihm gedreht hat und bei Presseterminen einfach für Herrn Jones mitlacht. Ist ihm denn eigentlich aufgefallen, dass es so eine Art Trend zum "Best Ager"-Film gibt? "Erstens: Ich achte nicht auf Trends, und zweitens: Was ist ein Best Ager?" Naja, Menschen über 60, die nicht zum alten Eisen gehören wollen, viel vorhaben, ordentlich Geld auf dem Konto, um den Herbst des Lebens zu genießen? Egal, wir wollen nicht drauf rumreiten, aber ist es denn sinnvoll, einen Tommy Lee Jones auf Promotion-Tour zu schicken? Vor allem, wenn es sich doch um eine Komödie handelt? Klar ist es blöd, immer wieder auf die Frage antworten zu müssen: "Glauben Sie an zweite Chancen?" Oder: "Denken Sie tatsächlich, dass eine Therapie helfen kann?" Ja, es ist nicht leicht, ein Hollywoodstar zu sein, Verzeihung, ein hart arbeitender amerikanischer Schauspieler, aber es ist ja auch nicht leicht, ein hart arbeitender Journalist zu sein, vor allem, wenn man sich denken kann, dass die anderen Kollegen garantiert so ähnliche Fragen haben und nichts ist "Wie beim ersten Mal".
Zwei Oscar-Preisträger machen Liebe
Kommen wir deshalb lieber zum Film zurück, wo der herrlich anzuschauende Tommy Lee Jones (irgendwie hat er ja trotzdem was), die wunderbare Meryl Streep und der angenehme Steve Carell sich fast ein Kammerstück liefern. "Wie beim ersten Mal" brilliert vor allem durch seine Langsamkeit und die ruhigen Kameraeinstellungen und die Tatsache, dass man es sich im wahren Leben auch so vorstellen kann. Okay, es endet hollywoodesk, der Film hat natürlich kitschige Momente, aber immerhin gucken wir hier zwei Oscar-Preisträgern zu, wie sie versuchen, im Kinosaal Liebe zu machen oder auf dem Fußboden vor dem Kamin.
Aber seit die Kinder aus dem Haus sind, ist die Luft raus bei den Soames, da führt kein Weg dran vorbei, und sie wollen etwas dagegen tun. Das heißt, Kay will etwas tun, und Arnold kommt mit zum Therapeuten nach Maine, widerwillig natürlich. Das spießige Ambiente, in dem die beiden sich bewegen, ist ganz bewusst gewählt worden vom Regisseur und Drehbuch-Autorin Vanessa Taylor.
Und es gibt auch kein schickes Hotel, sondern ein Drive-In, keine Hartschalen-Koffer, sondern Blümchen-Reisegepäck, Schlafanzug statt Nacktheit, tja, es sind ja auch nicht eine rundum bearbeitete Sharon Stone und ein ewig stahlmuskeliger Bruce Willis, die das Ehepaar verkörpern, sondern die durchaus in die Jahre gekommenen Hollywood-Urgesteine Meryl Streep und Tommy Lee Jones. Nichts ist anfänglich zu sehen von der lebensfrohen, langhaarigen "Mamma Mia"-Darstellerin, kein bisschen "Men in Black" bei Mr. Jones. Und das ist auch gut so, denn hier wird klar: Herr und Frau Durchschnittlich haben auch Träume, Wünsche, Bedürfnisse. Es geht um Sex, um den Wunsch, bis ins hohe Alter begehrenswert zu sein für den anderen und die Enttäuschung, wenn das vielleicht nicht so ist.
"Ich kann das nicht!"
Weder knallt bei Meryl Streep der BH auf unter der Anspannung von bebenden Brüsten, noch regt sich bei Tommy Lee Jones etwas in den Khakis, als seine Frau anfängt, ihn mal wieder zu berühren: "Ist das schön?" fragt sie. "Du tätschelst mich wie einen Hund", ist seine Antwort. Uups, das tut weh. Als es endlich zum "Akt" kommt, wird die Kamera auch noch gemein: Aus der Perspektive von Kay, unten ("Ich mag die Missionarsstellung, na und!") sehen wir Arnolds faltiges, hängendes Gesicht, etwas angestrengt, aber nicht unambitioniert. Aus seiner Perspektive, oben ("Ich hätte schon gerne mal was anderes ausprobiert") sehen wir dann Kay, die da liegt, voller Erwartungen, aber untätig. "Ich kann nichts, ich weiß überhaupt nicht, wie das geht", weint sie danach.
Wie konnte es denn zu den Kindern der Soames kommen? Hatten sie eigentlich je Spaß an der Sache? Doch, doch, versichern sie ihrem Therapeuten, der geschickt die richtigen Fragen stellt und den beiden damit aus der Verlegenheit hilft, dass er sie von der Vergangenheit erzählen lässt. "Ich wollte immer nur ihn", sagt sie dann, und er: "Sie war so schön, ich wollte sie einfach", gestehen er. Der Therapeut lächelt und weiß, dass hier nicht Hopfen und Malz verloren sind.
"Wie beim ersten Mal" läuft ab dem 27.9. in Deutschland im Kino.
Quelle: ntv.de