Ein Klassiker im neuen Gewand Wozu braucht es 3D?
09.11.2011, 14:41 Uhr
Ein Herrscher - fast - zum Anfassen: "Der König der Löwen".
(Foto: Disney Enterprises)
Mit "Der König der Löwen" kommt ein Disney-Klassiker als aufgemotzte 3D-Version erneut ins Kino. Für die Umwandlung war der Stereograph Robert Neuman verantwortlich. Im n-tv.de Interview spricht er über seine Arbeit, den Reiz der Tiefe und die Zukunft des Kinos.
n-tv.de: Als Stereograph waren Sie für die stereoskopische Umsetzung der neuen 3D-Version von Disneys "Der König der Löwen" verantwortlich. Können Sie mir ohne Fachbegriffe erklären, was das heißt?
Robert Neuman: Ja, das bedeutet ganz einfach, dass ich für die 3D-Ansichten in Filmen verantwortlich bin. Für mich ist 3D ein Werkzeug im Dienste der Geschichte. Ich benutze also Tiefe, um die Erzählung einer Geschichte zu unterstützen und aufzuwerten. Zugleich muss ich dabei sicherstellen, dass es für den Zuschauer ein angenehmes Erlebnis wird. In einem Fall wie "Der König der Löwen", bei dem es darum geht, einen traditionell animierten, von Hand gezeichneten Film umzuwandeln, kommt noch etwas hinzu: Hier muss ich versuchen, mich in die Original-Künstler hinein zu versetzen: Welche Vorstellung von Tiefe hatten sie im Kopf, als sie den Frame gezeichnet haben?
Ist das eher eine technische oder eine künstlerische Arbeit, die Sie da leisten müssen?
Es ist eine künstlerische Arbeit. Die technischen Voraussetzungen werden schon im Vorfeld der eigentlichen Produktion geschaffen. Da werden die Prozesse und die Software implementiert, die es uns dann erlauben, die Tiefe des Films zu formen. Aber von da an ist es eine rein künstlerische Arbeit, bei der es darum geht, wie man Tiefe kreativ für die Geschichte des Films einsetzen kann.
Wie bereits erwähnt, ging es bei "Der König der Löwen" darum, einen existierenden Film in 3D zu konvertieren. Ist das von der Arbeit her etwas anderes als bei einem Film, der bereits so gedreht wird?
Oh ja, absolut. Außer in der Planungsphase. Die Frage, wie man mit Tiefe die Geschichte unterstützen kann, stellt sich am Anfang in beiden Fällen gleich. Als erstes erstellt man dafür eine Art Partitur für die Verwendung von Tiefe - ähnlich wie bei der Filmmusik. Man schaut sich zum Beispiel an, wo die besonders gefühlsbetonten Szenen in einem Film sind - bei ihnen arbeitet man mit viel Tiefe. Die eher ruhigen, erzählerischen Momente brauchen dagegen vielleicht nicht so viel Tiefe. Auf der Basis dieser Tiefen-Karten geht man nacheinander Einstellung für Einstellung durch und legt fest, an welchen Punkten genau die Umwandlungen stattfinden sollen. Aber abgesehen von dieser Planungsphase unterscheidet sich die Arbeit schon sehr von einem computergenerierten Film, in dem man durch die Verwendung von Kameras zu einem Ergebnis kommen muss.
Basiert bei der Umwandlung eines Films wie "Der König der Löwen" alles auf dem Originalmaterial? Oder muss man bestimmte Teile des Films neu zeichnen oder animieren, um sie umwandeln zu können?
Nein, nein, das ist alles das Originalmaterial. Man muss nur ein Auge schließen - dann sieht man den Originalfilm. Was wir machen, ist, dass wir das Originalbild mit unseren Tiefen-Karten kombinieren. Dadurch wird das Bild versetzt und durch den Wechsel der Augen entsteht der Eindruck der Tiefe. Das ist der Trick, aber das Originalmaterial bleibt davon unberührt.
Warum hat sich Disney entschieden, einen Klassiker wie "Der König der Löwen" in 3D aufzupolieren?

Wir können ihnen 3D hier leider nicht zeigen, aber vielleicht können Sie es sich bei diesem Bild vorstellen.
(Foto: Disney Enterprises)
Nun, ich glaube, der Film hat eine universelle Geschichte, die heute noch genauso gut funktioniert wie damals 1994. Es geht um das Leben, den Tod und die Beziehung zwischen Vater und Sohn. Richtig, weil die Geschichte so toll erzählt wird, ist der Film heute ein wahrer Klassiker. Trotzdem glaubten wir, sie durch die Umwandlung in 3D noch einmal aufwerten zu können - sonst hätten wir es nicht gemacht. Zudem strahlen handgemalte Animationsfilme eine ganz eigene Energie und einen besonderen Charme aus. Durch den dreidimensionalen Rahmen bekommt das eine neue Qualität, die man normalerweise eben bei den computergenerierten Filmen hat. Das ist dieses Gefühl, als ob man in die Leinwand greifen könnte. Dadurch entsteht der Eindruck, dass man es auf einmal mit einem ganz anderen Medium zu tun hat. Und ich glaube, dadurch kann man den Film noch einmal mit ganz anderen Augen sehen, selbst wenn man ihn sich schon x-mal angeschaut hat.
Das hätte man aber theoretisch auch mit jedem anderen Animationsfilm machen können …
Ja, aber "Der König der Löwen" war deshalb eine besonders gute Wahl dafür, weil er sich von seiner ästhetischen Machart her nicht so sehr am klassischen Zeichentrickfilm orientiert. Er ist in vieler Hinsicht eher wie ein Realfilm inszeniert. Dadurch eignete er sich für die Umwandlung in 3D ganz besonders.
Ist es dennoch denkbar, dass auch andere Disney-Filme in Zukunft so umgewandelt werden?
Oh ja. Wir sind mit den Ergebnissen bei "Der König der Löwen" wirklich sehr zufrieden. Und jetzt haben wir die ganzen Werkzeuge an der Hand, die uns die Umwandlung ermöglichen. Insofern gibt es durchaus das Bestreben, auch andere Filme anzugehen, auch wenn dafür noch keine konkreten Pläne vorliegen.
Sie betonen den Mehrwert, den Filme durch die 3D-Effekte erhalten sollen. Ein Regisseur wie Jon Favreau etwa verzichtete bei "Cowboys & Aliens" bewusst auf eine Inszenierung in 3D, weil er befürchtete, dass dadurch die Western-Atmosphäre und die Ausdruckskraft der Charaktere zerstört würden. Können Filme durch 3D nicht auch etwas verlieren?
Da stimme ich teils zu und widerspreche zugleich. Ich glaube, solange man es wie wir von dem Standpunkt aus macht, der Geschichte zu dienen, und 3D angemessen einsetzt, kann es wirklich jeden Film aufwerten. Aber wenn man es falsch einsetzt, dann kann es tatsächlich auch das Gegenteil bewirken und von dem Gefühl, das eigentlich erzeugt werden soll, ablenken. Das wäre eine interessante Herausforderung, aber ich glaube, wenn man es richtig macht, kann man auch die Atmosphäre eines alten Westerns so abbilden.
Was haben denn im Falle von "Der König der Löwen" die Macher des Originalfilms zu der Umwandlung gesagt?
Wir haben mit ihnen sehr eng zusammengearbeitet. Der allererste Schritt in dem gesamten Prozess war es, mit ihnen gemeinsam den Film anzusehen und herauszufinden, was ihnen wichtig ist und welchen Standpunkt sie bei der Umwandlung vertreten. Sie sind mit uns wirklich jede Einstellung durchgegangen. Das war uns mit Blick darauf, was für ein Klassiker "Der König der Löwen" ist, auch sehr wichtig. Natürlich hat man da eine gewisse Scheu, Hand anzulegen. Aber dadurch, dass die Macher des Originals an Bord waren, hatten wir die Sicherheit, dass wir uns im Rahmen ihrer Vision von dem Film bewegen.
Tatsächlich wird mit 3D-Effekten schon seit Jahrzehnten experimentiert. Ich erinnere mich etwa, dass ich in den 80ern den dritten Teil von "Der Weiße Hai" mit rot-grüner Brille im Kino gesehen habe. Doch erst jetzt scheint der Durchbruch bei 3D wirklich geschafft. Woran liegt das, an der digitalen Technik?
Ja, absolut. Das macht den Unterschied. Die ersten 3D-Versuche im Kino gab es schon in den 30er-Jahren. Dann gab es das so genannte "Goldene Zeitalter" in den 50ern und das kleine Revival in den 80ern. Aber all diese Versuche beruhten auf filmbasierter Technik. Mit ihr und ihren Beschränkungen ist es nahezu unmöglich, ein gutes 3D-Erlebnis für den Zuschauer zu erzeugen. Das ermöglicht uns erst jetzt die digitale Technik.
Rettet 3D das Kino?
Ich weiß nicht, ob man das 3D zuschreiben kann. Die Menschen lieben das Kino grundsätzlich - als Rückzugsort. Aber ich glaube, es ist die nächste Stufe des Kinos. Bei wirklich jeder Weiterentwicklung des Kinos bisher ging es darum, das Erlebnis eindringlicher zu gestalten. Von daher geht es meiner Ansicht nach nur noch darum, die Technik richtig einzusetzen. Aber mit dem Vorhandensein der technischen Möglichkeiten, ist 3D einfach da - und somit der unausweichliche nächste Schritt.
Mit Robert Neuman sprach Volker Probst
Quelle: ntv.de