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"Tatort" aus Berlin Träumen Roboter von mordenden Keilern?

Die Kommissare Rubin (Meret Becker, l.) und Karow (Mark Waschke) sind sich alles andere als grün.

Die Kommissare Rubin (Meret Becker, l.) und Karow (Mark Waschke) sind sich alles andere als grün.

(Foto: rbb/Conny Klein)

Können Roboter töten? Und ist die Wildschweinplage in der Hauptstadt nicht nur gefährlich, sondern sogar mordsgefährlich? "Tiere der Großstadt" versucht sich mit einer Antwort. Heraus kommt dabei ein schwermütiger Berlin-Krimi.

Wäre Berlin ein Mensch, würde man der Stadt wahrscheinlich Bipolarität diagnostizieren: So schön die Metropole im Sommer sein kann, so grau und trist ist sie in der kalten Jahreszeit. Wer jetzt einwirft, das sei in anderen Städten ja wohl nicht anders, der hat noch nie in Berlin gelebt. Den Beweis liefert der neue "Tatort", der den Berliner Winter in all seiner niederschmetternden Schwermut porträtiert - und gleichzeitig zeigt, wie schön Melancholie manchmal sein kann.

Findet eine Leiche im Wald: Survival-Bloggerin Charlie (Charlie (Stefanie Stappenbeck)

Findet eine Leiche im Wald: Survival-Bloggerin Charlie (Charlie (Stefanie Stappenbeck)

(Foto: rbb/Conny Klein)

Nach dem brillanten Berlinale-Krimi "Meta" liegt die Messlatte für alle nachfolgenden Berliner "Tatorte" verständlicherweise hoch. Gut, dass "Tiere der Großstadt" gar nicht erst versucht, sie zu überspringen, sondern seinen ganz eigenen Weg geht: Die beiden Mordgeschichten, die im Film erzählt werden, sind zwar recht ausgefallen, werden aber ganz konservativ gelöst und sind in ihrer Entwicklung ziemlich vorhersehbar. Allerdings liegt der Fokus dieses "Tatorts" ohnehin nicht auf der Erzählung eines spannenden Krimis, sondern auf den Berlinern selbst - diesen seltsamen Geschöpfen, den Tieren der Hauptstadt.

Da ist zum Beispiel das kinderlose Paar, das einen Roboterkiosk auf dem Kurfürstendamm betreibt, der selbstständig Kaffee verkauft - solange man ihn alle vier Stunden mit neuen Kaffeebohnen versorgt. "Sie haben sich um den Roboter gekümmert wie Eltern um ihre Kinder", stellt Kommissar Karow (Mark Waschke) treffend fest. Ob man dann von Vatermord sprechen muss, als der Ehemann eines Morgens erstochen im Kiosk gefunden wird, erstochen von der Baristanadel des Roboters? Ab wann ein Mord ein Mord ist, beschäftigt die Berliner Kommissare auch im zweiten Fall, bei dem eine Joggerin von einem Wildschwein gerissen wird und im Grunewald langsam verblutet.

Hypnotisierende Musik von Nils Frahm

Natur und Technik sind in "Tiere der Großstadt" zwei diametral entgegengesetzte Konzepte, die aber am Ende lediglich zu den verlängerten Armen des menschlichen Willens verkümmern. Fast alle Figuren in diesem "Tatort" scheinen diese niederschmetternde Erkenntnis verinnerlicht zu haben und handeln danach - von den Kommissaren über die Verdächtigen bis hin zu dem traurigen Opa mit dem Fernglas, der von seinem Panoramafenster aus den Kurfürstendamm im Auge behält und alten Zeiten nachtrauert, die es so nie gegeben hat.

Die melancholische Grundstimmung des Streifens wird von der fantastischen Filmmusik noch um ein Vielfaches verstärkt: Nils Frahm, der schon die hypnotisierende Musik zu "Victoria" einspielte, findet auch bei "Tiere der Großstadt" genau die richtigen Töne und fängt die Stimmung der Hauptstadt perfekt ein. Wie es Frahm schafft, die Musik zum eigentlichen Hauptdarsteller zu befördern ohne sich in den Vordergrund zu drängen, bleibt dabei das Geheimnis des Komponisten.

Es gibt nicht viel zu meckern an "Tiere der Großstadt". Nur die fehlende Verschmelzung der beiden Fälle und ein kathartischer Moment fallen am Ende störend auf und lassen die Zuschauer etwas unbefriedigt zurück. Allerdings nur für einen Moment, denn wer etwas länger über diesen "Tatort" der leisen Töne nachdenkt, dem fällt auf, dass ein geschliffeneres Finale wohl viel von dem Zauber zerstört hätte, den dieser Hauptstadtkrimi 90 Minuten lang so gekonnt aufgebaut hat. "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?", fragt Philip K. Dick in seinem dystopischen Roman, der zum Vorbild für den Film "Blade Runner" wurde. Im neuen "Tatort" müsste die Frage dann wohl lauten: "Träumen Roboter von mordenden Wildschweinen?"

Quelle: ntv.de

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