Klimawandel und Verschmutzung 500 Millionen Menschen müssen um den Nil bangen
11.11.2022, 09:34 Uhr
Der Nil ist Lebensader nicht nur in Ägypten, sondern beispielsweise auch in Äthiopien, wo dieser Wasserfall ist.
(Foto: imago images/Shotshop)
Der Nil ist nicht nur einer der längsten Flüsse der Welt, sondern auch die Lebensader überhaupt im nordöstlichen Afrika. Doch der Klimawandel könnte das ändern. Das fruchtbare Delta ist durch den steigenden Meeresspiegel bedroht. Aber es gibt noch weitere Probleme.
Die Pharaonen verehrten ihn als Gott, als Lebensader Afrikas, doch nun setzen der Klimawandel, die Wasserverschmutzung und die intensive Nutzung durch den Menschen dem Nil immer stärker zu. Dabei sind auf seiner gesamten Länge von 6500 Kilometern, von seinen Quellen bis Ägypten, eine halbe Milliarde Menschen auf den zweitlängsten Fluss der Welt angewiesen.
"Der Nil ist das Wichtigste für uns", sagt der 17-jährige Mohammed Dschomaa, der mit seiner Familie am Nilufer im sudanesischen Alty Landwirtschaft betreibt. Doch in den vergangenen 50 Jahren sank seine Durchflussmenge von 3000 Kubikmetern auf 2830 Kubikmeter pro Sekunde. Laut Prognosen der Vereinten Nationen (UNO) könnte sich die Wassermenge aufgrund mehrerer Dürren in Ostafrika sogar um bis zu 70 Prozent verringern.
Auch der Viktoriasee, nach Regenfällen die größte Wasserquelle des Nils, könnte unter anderem aufgrund von Dürre und Verdunstung austrocknen. Angesichts solch düsterer Szenarien bemühen sich die Anrainer, den Wasserabfluss des Sees einzudämmen. Doch Experten zufolge beschleunigen Dämme die Katastrophe nur noch.
In den vergangenen 60 Jahren hat zudem das Mittelmeer jedes Jahr zwischen 35 und 75 Meter des Nildeltas abgetragen. Wenn der Meeresspiegel um einen Meter ansteigt, könnte laut der UNO ein Drittel dieser sehr fruchtbaren Region verschwinden. Damit könnten neun Millionen Menschen zur Flucht gezwungen sein.
An der Mündung des Nils sind die Landzungen Damietta und Rosetta verschwunden, die einst im Norden Ägyptens in das Mittelmeer ragten. Zwischen 1968 und 2009 fraß sich das Meer drei Kilometer weit in das Nildelta: Durch die schwächere Strömung konnte der Fluss das Meer nicht aufhalten, das aufgrund des Klimawandels im vergangenen Jahrhundert rund 15 Zentimeter angestiegen ist.
Assuan-Staudamm blockiert Sedimente
Denn seit dem Bau des Assuan-Staudammes in den 1960er Jahren gelangt das reichhaltige, dunkle Sediment, das über Jahrtausende eine Barriere zum Schutz des Landes bot, kaum noch über den Süden Ägyptens hinaus. Wenn die Temperaturen weiter steigen, wird das Mittelmeer laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) um weitere 100 Meter jährlich in das Delta vordringen.
Das wirkt sich auch auf die Reis- und Maisbauern am Nil aus. Das Salz aus dem Mittelmeer ist bereits in weite Teile des Landes eingedrungen und hat Pflanzen abgetötet und geschwächt. Um die Versalzung des Bodens auszugleichen, müssen die Landwirte mehr Süßwasser aus dem Nil pumpen. Zudem fehlt das Sediment als Dünger. Die Fertigstellung der Grand-Renaissance-Talsperre in Äthiopien könnte die Situation in den nächsten Jahren weiter verschärfen.
Nach UNEP-Angaben könnte das Mittelmeer irgendwann 100.000 Hektar der besten landwirtschaftlichen Flächen verschlingen. Für Ägypten wäre das eine Katastrophe, schließlich kommen zwischen 30 und 40 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion des Landes aus dem Nildelta.
Ähnlich ist die Situation im benachbarten Sudan, wo die Hälfte der 45 Millionen Einwohner an den Ufern des Nils lebt und dieser zwei Drittel des Wasserverbrauchs abdeckt. Bis 2050 wird sich die Bevölkerung beider Länder verdoppeln, gleichzeitig wird es zwei bis drei Grad heißer werden.
Auch die Funktion des Nils als Energiequelle steht auf dem Spiel: Im Sudan stammt mehr als die Hälfte des Stroms aus Wasserkraft, in Uganda 80 Prozent. Doch nun erleben die Menschen dort immer häufiger Stromausfälle: "Wenn die Niederschläge abnehmen, wird sich dies in einem geringeren Wasserkraftpotenzial auswirken", sagt Revocatus Twinomuhangi, Experte für Klimawandel im ugandischen Kampala. Bereits in den vergangenen fünf bis zehn Jahren "haben wir eine Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Dürren, starken Regenfällen und Überschwemmungen sowie Hitze gesehen".
Quelle: ntv.de, Menna Zaki, Grace Mitsiko, Bassem Aboulabbas und Sarah Benhaida, AFP