Panorama

Aus der Schmoll-Ecke Auch die Grünen können nicht mehr sagen, was sie wollen

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Wirtschaftsminister Robert Habeck versucht es mit Reden, aber nicht jeder will ihm zuhören.

Wirtschaftsminister Robert Habeck versucht es mit Reden, aber nicht jeder will ihm zuhören.

(Foto: dpa)

Das wird man doch noch sagen dürfen! Nö. Jedenfalls nicht, wenn man Ricarda Lang und Robert Habeck ist. Da wird man unter Einsatz von Misthaufen und Traktoren vom Rednerpult ferngehalten. "Schluss mit reden", fordern irrerweise ausgerechnet jene, die sonst das Ende der Meinungsfreiheit beklagen.

Geschätztes Publikum, als Konsequenz wachsender Zweifel an der Sinnhaftigkeit meines beruflichen Schaffens frage ich mich, ob Sie es überhaupt (noch) interessiert, was ich schreibe. Wobei ich versichere: Ich gebe mir jeweils große Mühe, meine Fangemeinschaft - vor allem die jungen Damen in der ersten Reihe - zu befriedigen. Und was muss ich lesen: "Leider sind Sie nichts anderes wie ein arschkriechender Schreiberling." Oder auch: "Sie sind kein Journalist, sondern lediglich ein 'Mietmaul' der Propagandamedien."

Ich versichere Ihnen, es ist nicht leicht, in einem Land ohne Demut und Grazie alle glücklich zu machen. Obendrein bin ich leicht zu durchschauen, nicht zuletzt wegen meiner aufgesetzten Selbstironie. Setze ich sie ab, bleibt von mir nichts übrig, außer die hässliche Fratze der "Springer-Nutte", des "Schmierfinken" und ähnliche Urteile über meine Person, die mich immer wieder via Mail erreichen, nur weil ich nicht glaube, dass der Irre im Kreml seinen Scheiß-Krieg angefangen hat, weil die NATO doch ach so böse ist. Der will die Ukraine vernichten. Das ist alles.

Doch seien Sie ehrlich zu sich selbst, versuchen Sie es mit der guten alten Reflexion: Niemand hat Sie gezwungen, in dieses samstägliche Kleinod nahezu schriftstellerischer Qualität zu klicken. Sie und Sie und Sie hätten sich mit der Überschrift und dem Vorspann begnügen können. Aber irgendwie müssen Sie ja die Zeit totschlagen, bevor der große Austausch stattgefunden hat und/oder die Welt untergeht. Nun erfahren Sie Dinge, die Sie nie wissen wollten. Zum Beispiel: Nachdem die Zeitenwende ausbleibt, warte ich fieberhaft auf die Wärmewende. Wenigstens was Gutes. Der Frühling naht, Berlin, die Stadt, in der ich seit mehr als drei Jahrzehnten lebe, befreit sich langsam aus dem Schatten Mordors.

Ort des noch Böseren?

Schon Zwerge und Hobbits wussten von einer "Krankheit des Geistes" zu berichten, verbunden mit dem Wissen: "Wo Krankheit gedeiht, wird Schlimmes folgen." Oh ja, das kann ich bezeugen. Der Wahnsinn geht nicht um, er rennt. Das Heer der Durchgeknallten wächst täglich. Ein paar von ihnen regieren sogar große Staaten und machen die Welt zu einem Ort des noch Böseren, lassen mit metallenen Gegenständen aller Art auf andere schießen, obwohl seit Jesus Christus bekannt ist, dass in Körperteile getriebener Stahl schmerzt. Ein bisschen Spaß muss sein, dachten sich die Römer und nagelten den armen Kerl ans Kreuz. Cancel Culture gab es eben auch schon früher, als alles besser war, sehen wir einmal von der Praxis des Kreuzigens und dem Schwarz-Weiß-Fernseher ab.

Sie sehen oder besser: Sie lesen, dass ein Wochenende sehr wohl geistreich beginnen kann. Sie müssen mir dafür nicht danken. Und keine Sorge, ich quäle sie heute nicht wieder mit Franz Kafka und Franz Liszt. Einen Franzmann habe ich dennoch für Sie: "Die Tugend, derer die Gesellschaft bedarf, ist die Umgänglichkeit; zuviel Gesinnung kann durchaus tadelnswert sein; vollkommene Vernunft vermeidet alle extremen Einstellungen", wusste Molière zu einer Zeit zu berichten, als der Barock die Renaissance hinter sich ließ, die Menschen deutlich mehr Lust verspürten, vor dem Tode das Leben zu feiern. Doch bald kam das Internet und machte alles kaputt.

Extremismus ist schlecht, Vernunft und Demokratie sind schön, Frieden auch. Fragen Sie die Ukrainer und die Leute in Israel und Umgebung. Deshalb setzen sich Menschen für Frieden ein. Sahra Wagenknecht zum Beispiel, die nicht mehr will, dass Russen Ukrainerinnen vergewaltigen. Das ist sehr nett. Und Greta Thunberg, die auf neuer Mission ist, nachdem es mit dem Klimaschutz nicht so recht klappen will. Allahu Akbar, ich heiße Greta, komme aus Schweden, und frag mal in die Runde, wie könnt ihr es wagen zu tun, was mir nicht gefällt, weshalb ich euch - zusammen mit meinen queeren Kumpels - helfen möchte, Solaranlagen in eure Tunnel zu bauen, falls Israel sie nicht alle zerstört, wenn ihr möchtet, gerne from the river to the sea, denn ihr wisst: keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land.

"Allwissender regierungstreuer Schreiberling"

Ich wundere mich manchmal selbst, was ich so schreibe, in einem Land ganz kurz vor der Diktatur, in dem man nicht mehr sagen darf, was man will, die Meinungsfreiheit beschnitten wird, zur Not mittels Traktoren und Misthaufen. "Schluss mit reden", fordern jene, die das Ende der Meinungsfreiheit und die miese Debattenkultur beklagen und vertreiben Leute vom Rednerpult, noch ehe sie was zum Besten gegeben haben. Auch die Grünen dürfen nicht mehr sagen, was sie wollen, Wutbürger, die sich zu Verteidigern der Demokratie aufgeschwungen haben, hindern sie daran. Heißt es nicht immer, die Fortschrittskoalition soll kommunizieren, ihre fortschrittliche Politik erklären? Also dann lasst sie reden und widersprecht bei Bedarf, statt zu pöbeln und zu brüllen.

Das wird man doch noch sagen dürfen, oder? Ich bin für Redefreiheit, was einschließt, Zeitgenossen reden zu lassen, die man nicht gewählt hat. Das Hufeisen fass ich heute bewusst nicht an. Ich kenne die Problematik aus eigenem Erleben. Ich fände es gut, wenn in deutschen Museen Menschen die klugen Gedanken der Hannah Arendt unbehelligt von antisemitischen Greta-Jüngern vorlesen könnten. Und nun? Hauen Sie gerne in die Tasten und schicken Sie mir wieder Wut-Mails wie diese: "Sie scheinen auch so ein allwissender regierungstreuer Schreiberling zu sein, der versucht anderen Menschen eine politisch korrekte Richtung zu geben." Genau, deshalb habe ich auch den Kommentar mit der Überschrift verfasst: "Die Ampel ist dabei, Deutschland zu ruinieren."

Wie viel Wahrheit verträgt der Mensch? Das ist die Frage. Gehen Sie in Molières "Menschenfeind" und Sie werden es erfahren. "Nichts ist mir so im Innersten verhasst wie diese kunstgerechten Phrasenmacher. Die Schmeichler, stets zum Liebesgruß bereit, die uns mit leerem Redeschwall bedecken, die mit derselben süßen Höflichkeit den ernsten Mann behandeln wie den Gecken."

Quelle: ntv.de

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