Unterlassung gefordert Drosten geht juristisch gegen Wiesendanger-Kritik vor
04.03.2022, 12:30 Uhr
Drosten ist Experte für neu auftretende Viren. Das Wissenschaftsmagazin "Science" zählt ihn zu den "weltweit führenden Experten im Hinblick auf Coronaviren".
(Foto: picture alliance/dpa)
Ist Sars-CoV-2 im Labor gezüchtet oder natürlichen Ursprungs? Diese Frage ist längst mehr als eine Debatte unter Wissenschaftlern. Der Berliner Virologe Drosten fürchtet nach dem Interview des Physikers Wiesendanger um seinen wissenschaftlichen Ruf und klagt deshalb auf Unterlassung.
Der Berliner Virologe Christian Drosten geht juristisch gegen Behauptungen vor, er habe die Öffentlichkeit bei der Frage nach dem Ursprung des Coronavirus "gezielt getäuscht". Laut Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" will Drosten eine Unterlassung gegen Äußerungen des Hamburger Physik-Professors Roland Wiesendanger im "Cicero" erreichen.
Anfang Februar war bei "Cicero" ein Interview erschienen, in dem Wiesendanger behauptete, Drosten betreibe eine "Verschwörung" und führe "die ganze Medienwelt, die ganze Politik in die Irre". Bei dem Streit geht es um die Frage, ob das Coronavirus in einem natürlichen Wirt entstanden und dann auf den Menschen übergesprungen ist oder ob es in einem Labor gezüchtet wurde. Diese beiden Möglichkeiten werden seit dem Auftreten des Coronavirus diskutiert.
Wiesendanger ist ein Vertreter der Laborthese und beruft sich bei seiner Argumentation auf eine Telefonkonferenz zu Beginn der Pandemie. Dabei hätten sich mehrere Virologen - unter ihnen auch Drosten - Anfang Februar 2020 angeblich auf einen natürlichen Ursprung des Virus verständigt, so Wiesendanger. Drosten unterzeichnete dazu am Mittwoch eine eidesstattliche Versicherung, in der es auch um diese Telefonkonferenz geht. "Die Diskussion führte zu dem Ergebnis, dass die These in jedem Fall nicht belegbar sei", erklärt Drosten in dem Schriftsatz, die möglichen Begründungen für eine solche Laborherkunft wurde "in einem kollegialen Gespräch wissenschaftlich zerpflückt".
Angriff auf wissenschaftliche Reputation
Kritik sei er gewohnt, sagte Drosten gegenüber NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Doch wie Wiesendanger über ihn rede, sei "ehrabschneidend". Drosten verlangt deshalb über seine Anwälte eine Unterlassung in sieben Punkten von Wiesendanger und "Cicero". Seine Anwälte argumentieren, dass durch Wiesendangers Äußerungen Drostens "wissenschaftliche Seriosität und Aufrichtigkeit in schwerwiegender Weise infrage gestellt" werde.
"Cicero"-Verleger Alexander Marguier habe den Eingang des Schreibens von Drostens Anwalt bestätigt, sich aber inhaltlich nicht geäußert. Auch Wiesendanger wollte den Vorgang nicht kommentieren.
"Ich habe kein Interesse, den Verdacht über den Ursprung des SARS-CoV-2-Virus in eine bestimmte Richtung zu lenken", schreibt Drosten demnach in seiner eidesstattlichen Versicherung. Sie schließt mit dem Satz: "Gäbe es Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Laborthese, würde ich dies mit Nachdruck in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion vertreten." Im Januar hatte Drosten vor dem Landgericht Hamburg bereits eine Unterlassungsverfügung gegen die Zeitung "Welt" erwirkt. Für ihn sei es auch nicht nur eine persönliche Frage, sich gegen offenkundige Verleumdungen zu wehren. Vor allem ständige Attacken auf Wissenschaftler würden inzwischen dazu beitragen, das Vertrauen in die Pandemie-Politik ebenso wie in die Impfungen zu untergraben, argumentierte er dabei.
Laborthese immer unwahrscheinlicher
Erst kürzlich hatten ein Forscherteam in Laos in Fledermäusen Coronaviren gefunden, die dem Pandemievirus Sars-CoV-2 sehr ähneln - stärker als alle bisher in Tieren identifizierten Coronaviren. Besonders bemerkenswert sei, dass die Erreger menschliche Zellen infizieren und sich darin vermehren können, berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachmagazin "Nature".
In einer weiteren aktuellen Studie übertrugen US-Forschende jeden verfügbaren frühen Corona-Fall im chinesischen Wuhan in eine Stadtkarte. Das Team um den Evolutionsbiologen Michael Worobey von der University of Arizona kommt zu dem Schluss, dass das Coronavirus sehr wahrscheinlich Ende 2019 in lebenden Säugetieren vorhanden war, die auf dem Huanan Meeresfrüchte-Großmarkt in Wuhan verkauft wurden.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass das Virus bei zwei verschiedenen Gelegenheiten auf Menschen übergegriffen habe, die dort arbeiteten oder einkauften. Auch eine Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte in einem Bericht zur Herkunft des Coronavirus die Theorie, das Virus könne mit einem Labor-Vorfall zu tun haben und sei somit künstlichen Ursprungs, als "extrem unwahrscheinlich" eingestuft.
Quelle: ntv.de, sba