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Demografische Trennlinie Immer weniger Einwohner in Ost-Ländern

Vier von zehn Ostdeutschen haben das Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein.

Vier von zehn Ostdeutschen haben das Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wie stehen die Deutschen heute zueinander, wie unterschiedlich ist das Leben in den Regionen, wo gibt es Trennendes? Wenige Wochen vor dem 30. Jahrestag der Deutschen Einheit gibt eine neue Studie Einblicke und zeigt: Immer weniger Menschen wollen in den ostdeutschen Flächenländern wohnen.

Die Zahl der Einwohner in den ostdeutschen Ländern sinkt nach einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung weiter. Die Hoffnungen schwinden, dass die demografische Trennlinie zwischen Ost und West künftig verblasst, wie es in einer in Berlin veröffentlichten Bilanz wenige Wochen vor dem 30. Jahrestag der Wiedervereinigung heißt.

Seit der Einheit sei die Bevölkerung um rund 3,4 Millionen Menschen gewachsen (Ende 2019 rund 83,2 Millionen Menschen), doch Ost und West seien auf gegensätzlichen demografischen Pfaden unterwegs, schreiben die Autoren. Während die alten Länder zwischen 1990 und 2019 einen Zuwachs von mehr als 5,4 Millionen Menschen verzeichneten, verloren die fünf ostdeutschen Flächenländer im gleichen Zeitraum rund 2,2 Millionen Menschen (Ende 2019 rund 12,6 Millionen Menschen).

Sachsen-Anhalt verliert jeden vierten Einwohner

In den ostdeutschen Ländern sowie im Saarland lebten 2019 laut Studie weniger Menschen als 1991. Vom Rückgang am stärksten betroffen sei Sachsen-Anhalt, das fast jeden vierten Einwohner eingebüßt habe. Zwar sei die Abwanderung von Ost nach West seit 2015 gestoppt und auch die Kinderzahlen stiegen. Doch die schwach besetzten Jahrgänge der 1990er Jahre führten dazu, dass es weniger potenzielle Eltern gebe. Ostdeutschland habe auch kaum von der Zuwanderung aus dem Ausland profitiert, um diese Jahrgänge "aufzufüllen".

Auch in den westlichen Bundesländern kämpften ländliche Regionen etwa in Nordhessen, der Südwestpfalz oder Oberfranken mit sinkenden Einwohnerzahlen, während attraktive Großstädte samt Umland unter einem starken Wachstumsdruck ächzten, heißt es in dem Bericht.

Ungleichgewicht beim Einkommen

Der Studie zufolge haben die Ostdeutschen im Schnitt noch 14 Prozent weniger Einkommen als Westdeutsche. Haushalte zwischen Rügen und Erzgebirge hätten zudem bis heute gerade die Hälfte dessen angespart, was ein Haushalt zwischen Sylt und Alpenrand zurücklegen konnte. Das eigentliche Gefälle beim Einkommen gebe es aber zwischen wirtschaftlich starken Regionen und solchen, die im harten Strukturwandel stecken. Noch zur Jahrtausendwende lagen die einkommensschwächsten Kreise ausschließlich im Osten, inzwischen haben die Bewohner in den Ruhrgebietsstädten Gelsenkirchen und Duisburg das niedrigste Jahreseinkommen.

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In der Studie wurden auch andere Lebensbereiche abgefragt, wie Zufriedenheit oder Glaube. Demnach waren die Menschen in Ost und West in den vergangenen 30 Jahren zufriedener als 2019. Dennoch haben im Schnitt vier von zehn Ostdeutschen das Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz von der CDU, sprach von einer überwiegend positiven Bilanz. Es gebe ein starkes Fundament der Einheit, auf dem weiter aufgebaut werden könne. Der Zustand der Demokratie im Osten mache aber Sorge, "Hass und Extremismus treten schneller zutage". Politische Bildung und Bürger-Dialoge müssten verstärkt werden. Die Studie wurde mit 90.000 Euro vom Bund gefördert.

Quelle: ntv.de, hek/dpa

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