Vom Umgang mit dem DDR-Erbe Ist das Denkmal oder kann das weg?
14.09.2025, 08:33 Uhr Artikel anhören
Die 450 Meter große Reliefwand in Gera steht unter Denkmalschutz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Am Tag des offenen Denkmals rücken Bauten der Ostmoderne in den Fokus. Was bleibt vom DDR-Erbe - und warum sorgt der Erhalt oft für Streit?
Überflüssige Beton-Tristesse oder bedeutsames Erbe? Der diesjährige Tag des offenen Denkmals nimmt auch Objekte der sogenannten Ostmoderne in den Blick. Deren denkmalpflegerische Bedeutsamkeit offenbart sich mitunter erst auf den zweiten Blick.

Der große Saal des Kultur- und Kongresszentrums Gera verströmt bis heute den Charme der DDR.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bestes Beispiel: der Ort der diesjährigen Eröffnungsfeier. Das Kultur- und Kongresszentrum Gera kommt von außen als nüchterner Quader im betonfarbenen Einheitsgrau daher. Innen allerdings wartet das Gebäude mit einer 450 Quadratmeter großen Reliefwand auf, die 25 Bildhauer gestaltet haben. Sie steht unter Denkmalschutz.
Hinzu kommt der Saal, der um 45 Grad gedreht in das quaderförmige Gebäude gebaut wurde. Es gebe immer weniger gut erhaltene Beispiele für die DDR- und Ostmoderne wie dieses, sagt Steffen Skudelny, Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, bei der Präsentation des diesjährigen Programms in Gera. Viel historische Substanz sei bereits verloren gegangen. Umso wichtiger sei der Erhalt.
Ein Erbe, das spaltet
Die frühere DDR - ein Freilichtmuseum für architektonisches Denkmalerbe? Das sehe längst nicht jeder so, sagt Laura Kreisel. Geras oberste Denkmalschützerin führt Journalisten durch die ehemalige SED-Bezirkszentrale der Stadt. In dem Gebäude fühlt es sich an, als sei die Zeit stehen geblieben. Die Tapete, die Lampen, der Parkettfußboden, das alte Telefon mit Wählscheibe an der Wand - ja selbst der Geruch ist noch derselbe wie damals.
Kein Wunder, dass das Haus bereits mehrfach Filmkulisse war. "Ich merke, dass es so eine Zweiteilung gibt", sagt Kreisel. Gerade politisch belastete Objekte wie dieses würden bei vielen Menschen negative Emotionen hervorrufen. Mit anderen Gebäuden wiederum identifizierten sich viele. Der Denkmaltag und Gera als diesjährige Denkmalhauptstadt könnten dies übergeordnet zum Thema machen, hofft Kreisel.
Ein Bunker als Denkmal?
Für Tino Pfaff zeigt sich der Konflikt um das DDR-Erbe am besten am Beispiel "unbequemer Denkmale". Auch sie seien "wichtige Zeugnisse vergangener Zeiten, um daraus auch für die Zukunft lernen zu können", so der Experte von Sachsen-Anhalts Landesamt für Denkmalpflege.
Im kleinen Dörfchen Lostau bei Magdeburg etwa ruft die Frage um den Abriss eines alten Bunkers den Denkmalschutz auf den Plan. "Im Falle des Bunkers kann man ganz klar argumentieren, dass es ein Zeugnis des Kalten Krieges ist", so Pfaff. Die Angst vor Raketen und Bomben hat sich hier 1960 auf einem Feld östlich der Stadt in Form einer massiven Betonfestung manifestiert. Geschützt in weiter Ferne sollte von hier aus das Kriegstreiben in Magdeburg beobachtet werden können.
Doch was Denkmalschützer ins Schwärmen bringt, bringt Ortsbürgermeister Hartmut Dehne in Rage: "Für was soll das Ding da eigentlich stehen? Das hat weder mit Nostalgie oder sonst irgendwas zu tun, sondern es ist einfach nur ein Schandfleck in der Natur, der da nicht hingehört", so der CDU-Kommunalpolitiker. Die Mehrheit der Lostauer sehe das ähnlich.
Ex-Stasi-Bezirkszentrale als Streitfall
Konfliktträchtig ist auch die jahrelange Debatte um den Abriss oder Erhalt der ehemaligen Stasi-Bezirksverwaltung in der Leipziger Innenstadt. Der in den 80ern entstandene riesige Bau, den so mancher als sehr hässlich empfindet, ist kein Kulturdenkmal, so das Ergebnis eines bauhistorischen Gutachtens. Und dennoch hat sich eine knappe Mehrheit in einer Bürgerbefragung für den Erhalt des Gebäudes ausgesprochen. Im Ergebnis eines Architekturwettbewerbs soll nun ein Teil stehenbleiben.
Die Befragung habe ein für die DDR-Moderne "typisches Bild" ergeben, so Klaus Jestaedt vom Amt für Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt. "Die Jüngeren finden das ziemlich hip und interessant und wollen es auf jeden Fall erhalten wissen. Und die Älteren sagen, das ist ein Zeichen der DDR-Diktatur, das gehört auf jeden Fall weg und hat eine Wunde in die Altstadt gerissen."
Das Thema werde künftig in der Stadt noch häufiger diskutiert, glaubt Jestaedt. Eine Liste mit weiteren 50 Bauten der Ostmoderne in Leipzig - darunter auch Schulen und Kita s - werde aktuell vom Landesamt für Denkmalpflege überprüft.
Preis für Ex-SED-Parteischule
Ein mittlerweile preisgekröntes Beispiel denkmalgeschützter DDR-Moderne findet sich in Erfurt: die frühere SED-Parteischule, die heute als Ausbildungsstandort des Zolls genutzt wird. Es sei die buchstäblich einzige in einem Neubau untergebrachte DDR-Parteischule, die noch originalgetreu erhalten geblieben ist, so Mark Escherich, Leiter der Erfurter Denkmalschutzbehörde.
Das Land nutzte das Gebäude nach der Wende weiter, investierte aber wenig. Entsprechend wenig änderte sich daran und drinnen: Vieles sei noch vorhanden gewesen, berichtet Escherich - bis hin zu den Tapeten, Stühlen, Möbeln, Tischen und Telefonanlagen. 2008 wurde das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz gestellt.
Dass sich mit dem Erfurter Andreas Müller ein Käufer fand, der an der denkmalgerechten Sanierung des Gebäudes interessiert war, und mit dem Zoll ein Nutzer für die 430 Apartments, 16 Lehrsäle sowie 13 Arbeits- und Besprechungsräume, sei ein Glücksfall gewesen, so Escherich. Das sah auch das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz so und verleiht im November die höchste denkmalpflegerische Auszeichnung, den Deutschen Preis für Denkmalschutz, an den Eigentümer.
Quelle: ntv.de, Sebastian Münster, dpa