
International war Jack White erfolgreich wie kaum ein anderer deutscher Produzent, hier mit Paul Anka.
(Foto: imago images/teutopress)
Es wäre vermessen zu sagen, dass ich Jack White gekannt hätte. Aber wer kann das schon behaupten? Die, die jetzt alle so erstaunt sind, dass er tot ist? Eine Betrachtung auf das Leben.
Ein älterer Herr, vielleicht mit etwas zu dunklem Haar, von dem er sich bestimmt erhofft hatte, dass dieser Farbton ihm mehr Jugendlichkeit schenken würde, wird tot in seinem Haus aufgefunden, anscheinend hat er seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Und das nach den Schlagzeilen, dass seine viel jüngere Frau mit den extrem jungen Kindern sich von ihm getrennt und sein gesamtes künstlerisches Lebenswerk wohl recht lieblos aus der Charlottenburger Stadtwohnung, die ihr mittlerweile gehört, geschafft hatte. Sein Herz soll gebrochen gewesen sein.
Sagen wir mal so: Vier Ehen und sieben Kinder kosten. Und ob Kleinkinder Gucci-Schuhe tragen müssen, ob man einen Innen- und Außenpool haben muss und so weiter und so fort - müßig. Das muss jeder selbst wissen. Interessant für mich war diese Woche viel eher, wer sich alles dazu geäußert hat, dass er oder sie so gut befreundet war mit Jack White. Dass man ihm so viel zu verdanken hätte. Dass man sich "gerade noch" gesehen hätte. Kann alles sein. Aber wo waren sie jetzt, als er sich in den Schlagzeilen sah, als verlassener Ehemann, gehörnt obendrein?
Wenn ich Jack White gesehen habe, morgens beim Kaffeetrinken in einem Berliner Tennis-Club oder abends in einem schönen Charlottenburger Restaurant, war er oft allein. Das mag frei gewählt gewesen sein. Vielleicht hat er auch überall Leute getroffen, die er kannte, und musste sich nicht verabreden. Auf mich hat er jedoch einen etwas einsamen Eindruck gemacht, seine Augen wirkten traurig; gleichzeitig wach, freundlich und interessiert an seiner Umwelt.
Für immer Fußballer
Der Mann mit dem einprägsamen Künstlernamen, dessen echter Name viel schöner klang, Horst Nußbaum, er war ein Kölsche Jung, im Herzen immer ein Fußballer, sagen die, die ihn besser kannten. In seinen letzten Stunden war er jedoch höchstens umgeben von seinen Goldenen Schallplatten (400), Auszeichnungen und Preisen für geschätzt 1000 Songs. Er ließ David Hasselhoff 1989 "Looking for Freedom" singen und half somit dabei, die Berliner Mauer einzureißen (according to David Hasselhoff).
Er war der Mann hinter Laura Branigans "Gloria", er brachte Kaiser Franz 1974 zum Singen ("Fußball ist unser Leben") und er hat eine Platte gemacht, von der heute kaum jemand weiß, die aber unbedingt wiederentdeckt werden sollte: Stevie Woods "Take Me to Your Heaven". Der Sänger starb bereits vor über zehn Jahren, insofern hoffe ich, dass beide jetzt "Fly Away" im Himmel hören und sich vorwiegend über ihre Erfolge freuen.
Ehrlich, ich kann nicht sagen, was für ein Typ Jack White war. Er wurde 85 Jahre alt, so wie mein Vater. Er rührte mich irgendwie immer. White hatte, wie gesagt, sieben Kinder, vier (Ex-)Frauen und ich weiß absolut nicht, wie er als Familienmensch war. Ich glaube, gut.
Ich glaube, er war ein verkanntes Genie, und selbst wenn es Fotos von ihm gibt, auf denen er vor seinem Pool in einem riesigen Garten posiert, wirkte er bescheiden. Er war wahrscheinlich ein sehr großzügiger Mann.
Schleicht sich von hinten an: Einsamkeit
Und einsam. Und das ist etwas, was Menschen, je älter sie werden, unbedingt versuchen sollten zu vermeiden. Ich habe diese Woche viel gelernt über Alterseinsamkeit, und sie stand hauptsächlich im Zusammenhang mit Armut. Damit, dass Frauen zu wenig verdienen und dementsprechend zu wenig Rente bekommen. Dann nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, keine Zähne mehr im Mund haben, weil Ersatz zu teuer ist und sie sich schämen. Alles Dinge, die auf Jack White nicht zutreffen.
Nach dem Tod meines Vaters in diesem Frühjahr hatte ich für mich beschlossen, erstmal "keinen Bock mehr auf alte Leute zu haben", und das stimmt auch weiterhin. Bis zu einem gewissen Grad. Ich habe Jahre mit Besuchen in einer Seniorenresidenz hinter mir, in der die BewohnerInnen einer ganzen Etage ihre eigenen Namen nicht mehr wussten, ich brauchte eine Pause von "alt".
Eine Pause von alten Damen, die früher als Ärztinnen gearbeitet hatten, doch jetzt mit ihren Kuscheltieren sprachen, weil ihre Kinder sie nicht besuchten. Eine Pause von gestandenen Männern, die erzählten, sie wären gerade mal wieder Vater geworden, dabei hielten sie ihre Enkel auf dem Schoß.
Jetzt frage ich mich, ob ich zu selten dort war (nein), ob ich mehr hätte machen können (sicher, aber was? Für meinen Vater war ich eh schon in dreifacher Funktion da: seine Tochter, seine Frau - diesen Irrtum löste ich immer sehr schnell auf - und auch 'die große blonde Frau, die alles regelt' - die fand er saublöd, denn schließlich hatte er bis dahin immer alles selbst und gut geregelt). Ich weiß, dass mein Bruder und ich vieles, nicht alles, richtig gemacht haben, und dennoch zieht es mir immer wieder das Herz zusammen bei der Vorstellung, wie einsam unser Vater in manchen Momenten gewesen sein muss.
Jeder Mensch ist mal einsam, aber ich konnte immer damit umgehen. Mein Vater nicht. Nach dem Tod meiner Mutter war er einfach der einsamste Mensch, daran konnte nichts und niemand etwas ändern, keine Freunde, keine Enkel, niemand. Und niemals hätte er all sein Geld verballert und niemals wäre eine andere Frau bei ihm eingezogen, weder in seine Wohnung noch in sein Herz.
Traut euch!
Da war er halt ganz anders als Jack White. Anders, als die alten Frauen, die eine Rente bekommen, die zu wenig ist zum Leben und zu viel zum Sterben. Aber alle haben eben eines gemeinsam: Die Einsamkeit.
Ich habe weiterhin keinen Bock auf die Alten, die sich beim Einkaufen vordrängeln (keine Zeit, stimmt ja), auf die, die ihren Reichtum und ihre Gesundheit als selbstverständlich nehmen und trotzdem rumjammern, die egoistisch geworden sind und sich nicht mehr für ihre Leute interessieren. Ich habe mir aber vorgenommen, wieder mit offeneren Augen durch die Welt zu gehen.
Ich bedaure es sehr, mich nicht getraut zu haben, Horst Nußbaum einfach angesprochen und mich an seinen Tisch gesetzt zu haben, auf einen Kaffee und eine kurze Plauderei.
Thank you for the music, Jack White.
Quelle: ntv.de