Prügel, Demütigungen und Terror Schleuser misshandelten Flüchtlinge
23.04.2015, 20:36 Uhr
Nur 26 Flüchtlinge überlebten das Schiffsunglück vor der libyschen Küste.
(Foto: AP)
Rund 750 Menschen starben beim wohl schwersten Schiffsunglück im Mittelmeer seit Jahrzehnten. Schon vor der Abfahrt in ihr Verderben wurden die Flüchtlinge in ein Gebäude eingesperrt und gefoltert. Das berichten die wenigen Überlebenden.
Überlebende des Flüchtlingsunglücks vom vergangenen Wochenende vor der libyschen Küste haben von Misshandlungen durch die Schleuser noch vor Abfahrt des völlig überladenen Schiffs berichtet. Laut der Staatsanwaltschaft im italienischen Catania erzählten einige der 26 überlebenden Migranten, die Schlepper hätten noch auf dem libyschen Festland mehrere Menschen zu Tode geprügelt und mindestens einen Minderjährigen exekutiert.
Beim womöglich schwersten Unglück im Mittelmeer seit Jahrzehnten waren rund 750 Menschen ums Leben gekommen. Laut den Ermittlern sagten die Überlebenden aus, 1000 bis 1200 Menschen seien vor der Abfahrt des Schiffes in einem leerstehenden Gebäude nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis festgehalten worden. Dort hätten mehrere uniformierte und bewaffnete Männer ein regelrechtes Terrorregime über sie ausgeübt.
Jeder, der sich nicht an die Anweisungen der möglicherweise der libyschen Polizei angehörenden Männer gehalten habe, sei mit Knüppeln verprügelt worden, mehrfach mit tödlichem Ausgang, erzählten die Flüchtlinge den Ermittlern. Andere seien an Krankheit oder Erschöpfung gestorben.
6500 Euro für die Überfahrt
Vor der Abfahrt wurden die Flüchtlinge mit einem Lastwagen zur Küste gebracht, wo die Uniformierten offenbar von der Schiffsbesatzung bei der Übergabe Geld ausgezahlt bekamen. Mit Schlauchbooten wurden die Migranten anschließend zu dem wartenden Fischtrawler gebracht. Ein Junge, der unaufgefordert in eines der Schlauchboote geklettert war, sei von den Schleusern getötet und seine Leiche über Bord geworfen worden, berichtete einer der Überlebenden.
Laut den Ermittlern zahlten die Flüchtlinge umgerechnet zwischen 630 und 6500 Euro für die Überfahrt. Am Schiff angekommen wurden diejenigen, die weniger gezahlt hatten, in den Laderaum oder die Unterdecks geschickt, die anderen durften weiter oben Platz nehmen. Die Staatsanwaltschaft gab die Zahl der Menschen an Bord nach Auswertung der Aussagen mit mindestens 750 an. Die meisten von ihnen hatten keine Chance zu entkommen, als das Schiff später umkippte und sank.
Ermittlungen zur Unglücksursache dauern an
Außer den Flüchtlingen überlebten noch zwei Besatzungsmitglieder das Unglück. Der tunesische Kapitän sowie sein syrischer Steuermann wurden bei ihrer Ankunft auf Sizilien festgenommen. Die überlebenden Flüchtlinge stammten unter anderem aus Mali, Eritrea, Bangladesch, Somalia und dem Senegal.
Laut Staatsanwaltschaft will die Marine per U-Boot "schnellstmöglich" Fotos und Filmaufnahmen des Schiffswracks machen. So könne festgestellt werden, ob eine Bergung zu Ermittlungszwecken möglich und sinnvoll sei. Ob dabei nur die Leichen geborgen oder das ganze Schiff an die Oberfläche gebracht werden soll, ließ die Ermittlungsbehörde offen.
Quelle: ntv.de, jja/AFP