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Anklage wegen versuchtem Suizid Überlebende der Hunger-Sekte verweigern Essen

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Paul Makenzie Nthenge muss sich vor Gericht wegen Terrorismus verantworten.

Paul Makenzie Nthenge muss sich vor Gericht wegen Terrorismus verantworten.

(Foto: picture alliance / AA)

Der kenianische Sektenführer Paul Nthenge Mackenzie soll seine Anhänger dazu angewiesen haben, sich zu Tode zu hungern. Während er selbst in U-Haft sitzt und Mahlzeiten zu sich nimmt, glauben Dutzende Überlebende des Hungerkults noch immer an die Worte ihres Anführers - und hungern weiter.

Vor rund zwei Monaten brach das Imperium des kenianischen Sektenführers Paul Nthenge Mackenzie zusammen. Die Behörden des Landes stießen Mitte April auf ein Massengrab im Shakahola-Wald im Osten von Kenia. Über 300 Leichen sind darin bereits gefunden worden - die meisten von ihnen sind verhungert. Bei den Opfern handelt es sich um Anhänger von Mackenzie. Der Sektenführer soll sie dazu aufgerufen haben, sich zu Tode zu hungern, "um Jesus zu treffen". Mackenzie selbst sitzt längst in Untersuchungshaft. Doch seine Gehirnwäsche hält offenbar an: Dutzende Überlebende der Sekte verweigern die Nahrungsaufnahme noch immer.

So wurden die noch lebenden, oft bereits abgemagerten Anhänger der Sekte in ein staatliches Rettungszentrum gebracht. Dort weigern sich 65 von ihnen, ihre Mahlzeiten einzunehmen, wie die "New York Times" berichtet. Dies veranlasste die kenianische Staatsanwaltschaft dazu, sie wegen versuchten Selbstmordes anzuklagen. Der Versuch, sich selbst umzubringen, ist in dem ostafrikanischen Land seit der Kolonialzeit strafbar. Den Angeklagten drohen bis zu zwei Jahre Gefängnis.

Als die Überlebenden der Sekte am vergangenen Donnerstag vor dem Shanzu-Gericht in der Hafenstadt Mombasa erschienen, waren sie laut der US-Zeitung sichtlich geschwächt. Demnach hielten sie sich an den Händen, stützten sich aufeinander und taumelten regelrecht in den Verhandlungssaal. Einige von ihnen schliefen sogar während der Verhandlung ein. Die meisten schafften es nur mit großer Mühe, aufzustehen - viele mussten von Polizisten gestützt werden.

Richter lässt Gnade walten

Entgegen der Anklage folgte der Richter, Joe Omido, den Empfehlungen von Kenias nationaler Menschenrechtsorganisation. Statt einer Haftstrafe ordnete er an, die Überlebenden zurück ins Rettungszentrum zu bringen. Dort sollen sie beraten und psychologisch begutachtet werden, Ende des Monats folgt dann eine weitere gerichtliche Anhörung. Einer der Angeklagten verweigerte sowohl das Gutachten als auch medizinische Hilfe. Er wurde inhaftiert.

Kenias nationale Menschenrechtskommission kritisiert die Anklage der Sektenanhänger deutlich. Sie forderte die Regierung in Nairobi auf, die strafrechtliche Verfolgung aufzugeben und auf psychische Unterstützung zu setzen. "Die Überlebenden wegen versuchten Selbstmordes anzuklagen, ist unangemessen und wird die Überlebenden zu einem Zeitpunkt retraumatisieren, an dem sie am dringendsten Empathie, intensive psychosoziale Hilfe, Rehabilitation und Unterstützung durch die Gemeinschaft benötigen", zitiert der "Telegraph" Roseline Odede, die Vorsitzende der Kommission. "Sie in unsere bereits überfüllten Gefängnisse zu schicken, wird ihre Notlage weiter verschlimmern, einschließlich der negativen Folgen für die psychische Gesundheit", fügte sie demnach hinzu.

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Während seine Anhänger weiter fasten, isst Mackenzie selbst im Gefängnis, wie die Behörden berichteten. Die Anklage wirft ihm "Terrorismus" vor. Der Sektenführer arbeitete als Taxifahrer, bevor er 2003 die Good News International Church gründete. Er bestreitet, seine Anhänger angewiesen zu haben, zu hungern.

Der Fall führt in Kenia zum einen nach der Frage, warum die Behörden die Todesfälle so lange nicht verhindern konnten, immerhin sind die Toten mindestens seit 2021 im Wald begraben worden. Zum anderen stößt er die Debatte an, ob Behörden religiöse Einrichtungen besser kontrollieren oder gar regulieren sollten.

Quelle: ntv.de, spl

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