Morde an Elias und Mohamed Verschweigt Silvio S. weitere Taten?
02.11.2015, 14:06 Uhr
Inmitten von Kerzen am Berliner Lageso, Bilder von Elias und Mohamed.
(Foto: dpa)
Zwei Morde hat Silvio S. gestanden. Nun müssen die Beamten der Mordkommission klären, ob der Mann, der Elias und Mohamed umbrachte, möglicherweise weitere Opfer auf dem Gewissen hat.
Seit Silvio S. zugegeben hat, Mohamed und Elias getötet zu haben, schweigt er. Auch auf die Frage, die ihm die Beamten sicher gestellt haben: Gibt es noch mehr Taten? Natürlich habe man "immer die Frage im Hinterkopf, ob es noch weitere Opfer gibt", zitierte der "Tagesspiegel" einen namentlich nicht genannten Ermittler. Bislang gebe es dafür aber keine Hinweise.
Lediglich bei dem vierjährigen Mohamed hat er auch sexuelle Handlungen eingeräumt. Den Jungen habe er mit einem Gürtel erwürgt, weil er "gequengelt" habe. Wie Elias zu Tode kam und ob auch der Sechsjährige aus Potsdam zuvor missbraucht wurde, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Der Potsdamer Oberstaatsanwalt Heinrich Junker geht davon aus, dass Elias "zeitnah nach der Entführung" starb. Auch bei dieser Tat haben sexuelle Motive eine Rolle gespielt, sind sich die Ermittler sicher.
Bis zur Ergreifung des 32-jährigen Mannes aus Brandenburg hätte ihm niemand solche Taten zugetraut. Er war bisher in keiner Straftäterkartei erfasst. Doch nun ist die Frage: War Elias wirklich sein erstes Opfer? Den Kleingarten von Silvio S., wo Elias begraben war, hat die Polizei mit einem Bagger komplett umgegraben und danach ausgeschlossen, dass dort "noch etwas zu finden ist". Doch die Parzelle in Luckenwalde hatte der mutmaßliche Mörder erst seit einem Jahr.
Nur Jungen oder auch Mädchen?
Und obwohl der Schluss nahe zu liegen scheint, dass er den Garten anmietete, um seine Taten ungestört begehen zu können, tötete S. Mohamed in seinem Elternhaus im brandenburgischen Kaltenborn und nicht in Luckenwalde. Für die analytischen Fallermittler geht es darum, bestimmte Muster zu erkennen, sich aber möglichst nicht auf falsche Annahmen festzulegen. Die beiden bekannten Opfer sind kleine Jungen, die Frage ist jedoch, könnte Silvio S. auch Mädchen angegriffen haben? Adolf Gallwitz, Polizei-Psychologe und früherer Professor der Polizeihochschule Villingen-Schwenningen, vermutet, dass für S. vor allem wichtig war, dass seine Opfer kleine Kinder sind. "Beide Jungen sind in einer Altersgruppe, bei der für Täter noch nicht so sehr die Präferenz für Mädchen oder für Jungs im Vordergrund steht", sagte Gallwitz der "Berliner Zeitung". S. sei es vielmehr darum gegangen, in jedem Fall die Kontrolle über seine Opfer behalten zu können.
Hintergrund dieser Überlegungen ist der Fall der vermissten Inga. Die Fünfjährige verschwand am 2. Mai auf einem Familienausflug bei Stendal in Sachsen-Anhalt. Seitdem fehlt jede Spur von ihr. Nun prüfen die Ermittler wie auch in weiteren Vermisstenfällen aus den vergangenen Jahren, ob es einen Zusammenhang mit Silvio S. geben könnte. Bis zum Geständnis des mutmaßlichen Täters hatte die Polizei keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Fälle Elias und Mohamed vom gleichen Täter begangen wurden.
Andere Taten?
Eine weitere Überlegung ist, ob S. schon vor der Entführung von Elias straffällig wurde. Gallwitz geht davon aus: "Es spricht alles dafür, dass er nicht mit zwei Morden angefangen hat; es muss noch andere Taten geben." Ähnlich äußerte sich auch der frühere Leiter der Kriminologischen Zentralstelle des Bundes, Rudolf Egg, in der "Berliner Morgenpost". "Wenn jemand zwei Kinder getötet hat, wäre denkbar, dass es weitere Opfer gibt", so Egg.
Diese anderen Taten müssen nicht zwangsläufig auch Morde sein. Möglich wären auch versuchte Sexualstraftaten an Kindern, bei denen sich S. der Verwirklichung seiner Phantasien annäherte. Wie die genau aussahen, das weiß bisher nur er allein. Egg meint: "Sein Wunsch war offenbar, einen kleinen Jungen zu haben, um diesen zu missbrauchen. Ich sehe ihn als Mann mit pädosexueller Veranlagung." Computertechnik des mutmaßlichen Mörders wurde sichergestellt und wird nun ausgewertet. Auch das Wohnhaus im Niedergörsdorfer Ortsteil Kaltenborn war durchsucht worden.
Ob die Tötung der Kinder Teil des Plans war, oder ob es sich dabei um Verdeckungstaten gehandelt hat, ist eine weitere Frage, auf die Ermittler nun Antworten suchen. Gallwitz hält mehrere Varianten für möglich. Der Tod der Jungen könnte ebenso eine billigend in Kauf genommene Folge des Missbrauchsgeschehens ebenso wie eine gezielte Handlung gewesen sein, damit die Sexualstraftat nicht auffliegt. Die Tötung könnte aber auch "Bestandteil der sexuellen Befriedigung" gewesen sein. Dazu müsse man aber die Ergebnisse der Gerichtsmediziner abwarten.
Lediglich in einem Punkt sind sich die Experten bereits jetzt ziemlich sicher. Silvio S. hätte wahrscheinlich weiter gemordet. "Die wenigen Monate Abstand zwischen dem Mord an Elias und dem Tag, als er Mohamed entführte, zeugen von einem enormen Druck", meint Gallwitz. "Solche Menschen kommen immer wieder und oft sehr schnell an den Punkt, wo sie Gegenstände für ihre sexuelle Befriedigung finden müssen."
Quelle: ntv.de