Viele Spekulationen vorab Was steht in den Epstein-Dokumenten?


Nicht lange nach der Festnahme wurde Jeffrey Epstein (M) im August 2019 tot in seiner Zelle gefunden.
(Foto: Uma Sanghvi/The Palm Beach Post/)
Um die Verbrechen des US-Multimillionärs Jeffrey Epstein ranken sich auch fast fünf Jahre nach seinem Tod etliche Mythen und Theorien. Nun veröffentlicht ein US-Gericht bisher vertrauliche Gerichtspapiere. Enthalten sie wirklich die erwarteten Sensationen? Was bisher bekannt ist.
Warum sind diese Dokumente jetzt zugänglich?
Die Freigabe der Dokumente erfolgte, nachdem US-Bezirksrichterin Loretta A. Preska vor zwei Wochen angeordnet hatte, die Identitäten von etwa 170 Personen offenzulegen, die mit US-Multimillionär Jeffrey Epstein in Verbindung stehen. Bisher waren diese Namen geschwärzt. Viele der Epstein-Mitarbeiter seien bereits in den Medien oder vor Gericht identifiziert worden, sagte die Richterin zu der Anordnung, die als Reaktion auf eine Klage des "Miami Herald" erging. Die Identität mehrerer Minderjähriger, die angeblich Opfer sexuellen Missbrauchs sind, werden weiterhin geheim bleiben.
Um welche Papiere handelt es sich?
Es geht um Aussagen und Gerichtsunterlagen aus einer Verleumdungsklage gegen Epsteins ehemalige Partnerin Ghislaine Maxwell. In einem Zivilprozess hatte die US-Amerikanerin Virginia Giuffre Maxwell 2015 beschuldigt, sie im Alter von 17 Jahren zum Sex mit dem britischen Prinzen Andrew und anderen prominenten Männern gezwungen zu haben. Prinz Andrew hat die Vorwürfe zurückgewiesen und behauptet, er könne sich nicht daran erinnern, Giuffre jemals getroffen zu haben. Giuffre und Maxwell legten den Rechtsstreit außergerichtlich bei, der "Miami Herald" und andere Medienunternehmen beantragten trotzdem, die entsprechenden Unterlagen zu veröffentlichen. Bei den meisten der Dokumente handelt es sich um Aussagen von Frauen, die in den 1990er Jahren bis zu seiner Verurteilung in Florida im Jahr 2008 Opfer von Epstein wurden. Damals wurde Epstein wegen der Anstiftung zur Prostitution eines Teenager-Mädchens verurteilt. Nachdem er seine Strafe verbüßt hatte und sich als Sexualstraftäter registrieren lassen musste, soll er jedoch weiterhin Missbrauchstaten begangen haben.
Was lässt sich über den Inhalt bisher sagen?
In den letzten Wochen wurde in den sozialen Medien viel darüber spekuliert, dass die Dokumente eine Liste von reichen und mächtigen Männern enthalten würden, die Epsteins "Kunden" oder "Mitverschwörer" waren. Eine solche Liste gibt es jedoch nicht. Die ersten, etwa 40 Dokumente, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, enthalten größtenteils Material, das bereits zuvor veröffentlicht oder in Zeitungsberichten, Fernsehdokumentationen, Interviews und Büchern über den Epstein-Skandal ausführlich behandelt wurde.
Welche Namen werden jetzt genannt?
In Giuffres Aussage werden mehrere prominente Persönlichkeiten genannt, die Anschuldigungen in früheren Stellungnahmen bereits zurückgewiesen haben. Darunter ist der Hedgefonds-Inhaber Glenn Dubin, der milliardenschwere US-Geschäftsmann Tom Pritzker und der verstorbene Gouverneur von New Mexico, Bill Richardson. Außerdem werden die früheren US-Präsidenten Bill Clinton und Donald Trump erwähnt sowie der britische Prinz Andrew, Popstar Michael Jackson, der Astrophysiker Stephen Hawking und der Zauberer David Copperfield.
Was sagen diese Nennungen über eine mögliche Verwicklung der Personen in Epsteins Taten?
Die Nennungen sind keineswegs mit vermuteten Täterschaften gleichzusetzen. Im Fall von Jackson und Hawking scheint sich beispielsweise lediglich die einmalige Anwesenheit der Prominenten bei einer Veranstaltung Epsteins zu ergeben. Copperfield soll bei einem Abendessen, an dem auch die Zeugin Johanna Sjoberg teilnahm, einige Zaubertricks vorgeführt haben. Sie bezeichnet ihn als Freund Epsteins. Den Dokumenten zufolge fragt Copperfield Sjoberg, ob ihr bewusst sei, dass "Mädchen dafür bezahlt würden, andere Mädchen zu finden". Clinton wird in der ausführlichen Aussage von Sjoberg vom Mai 2016 erwähnt, die nach eigener Aussage zwischen 2001 und 2006 mit Epstein zusammen war. Auf die Frage, ob Epstein je mit ihr über Clinton gesprochen habe, sagt Sjoberg der "Washington Post" zufolge: "Er sagte einmal, dass Clinton sie jung mag, und bezog sich dabei auf Mädchen." Clinton gab 2019 bereits eine Erklärung ab, dass er nichts über die "schrecklichen Verbrechen" Epsteins wisse. Ihm wurde in diesem Zusammenhang nie ein Fehlverhalten vorgeworfen, er hatte auch keine Einwände gegen die jetzige Veröffentlichung der Dokumente. Zu Trump ist in Sjobgergs Aussage die Schilderung eines ungeplanten Stopps in Atlantic City, im US-Bundesstaat New Jersey zu lesen. "Jeffrey (Epstein) sagte: 'Großartig, wir rufen Trump an'", sagte Sjoberg aus und fügte hinzu, dass Epstein einen Besuch im Casino von Trump vorgeschlagen habe. Die Zeugin gab aber auch an, zu Trump niemals sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Trump sagte dazu aus, er habe sich vor Jahren mit Epstein verstritten und sei "kein Fan" von ihm gewesen. Sjoberg berichtete zudem, Prinz Andrew habe seine Hand auf ihre Brust gelegt, um für ein Foto mit Epstein, Giuffre und Maxwell zu posieren.
Was ist den Papieren zu den eigentlichen Taten zu entnehmen?
In mehreren Rechtsanträgen und Auszügen aus Aussagen von Anklägern wird ausführlich beschrieben, wie Epstein seine häufig minderjährigen Opfer sexuell missbraucht hat. Unter anderem zwang er sie demnach, ihn bei Massagen sexuell zu befriedigen. Bei einigen dieser Personen bleibt der Name weiterhin vertraulich, beispielsweise bei "Doe 16". Dieses mutmaßlich minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs habe sich bisher nicht öffentlich geäußert. "Daher überwiegt das öffentliche Interesse, nicht die Interessen der Privatsphäre", so Richterin Preska.
Welche juristischen Konsequenzen hatte der Epstein-Fall bisher?
Epsteins ehemalige Freundin Maxwell wurde 2021 verurteilt, weil sie bei der Anwerbung von Epsteins Opfern geholfen hatte. Sie verbüßt eine 20-jährige Haftstrafe. Epstein nahm sich 2019 im Gefängnis das Leben, während er auf seinen Prozess wartete. In der Anklage wurde ihm vorgeworfen, einen Ring zur sexuellen Ausbeutung Minderjähriger unterhalten zu haben. Jahrzehntelang soll auf Epsteins Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und auf den Virgin Islands der Missbrauch zahlreicher Minderjähriger stattgefunden haben.
Sind weitere Enthüllungen denkbar?
Die jetzt veröffentlichten Papiere beziehen sich zumeist auf weiter zurückliegende Taten. Denkbar wäre, dass weitere US-Gerichte Dokumente freigeben, die beispielsweise Teil der Anklage gegen Epstein unmittelbar vor seinem Suizid waren. Insofern ist nicht auszuschließen, dass noch Mittäter benannt oder Taten beschrieben werden, die bisher nicht öffentlich bekannt waren.
Quelle: ntv.de