Panorama

Aus der Schmoll-Ecke Wer das falsche Lied spielt, fliegt im Failed Bundesland

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Mit seinem Hoffest schaffte es der Berliner Regierende Bürgermeister Wegner zu überregionaler Aufmerksamkeit.

Mit seinem Hoffest schaffte es der Berliner Regierende Bürgermeister Wegner zu überregionaler Aufmerksamkeit.

(Foto: picture alliance / SULUPRESS.DE)

Ein DJ wagt es, auf dem "Hoffest" des Berliner Senats "L'amour toujours" aufzulegen. Ein Fehler mit Folgen: Kommt auch "Les Préludes" von Franz Liszt auf den Index? Der Hit ist doch ebenso kontaminiert.

Hochverehrtes Publikum, willkommen in der "Schmoll-Ecke", den geistigen Ergüssen eines Sehr-Gutmenschen! Während Sie sich dem Müßiggang hingeben und das hier lesen, ohne etwaige Folgen zu bedenken, tue ich schon wieder Gutes, hüte und füttere ich den Hund meiner Schwester, damit sie auf Reisen gehen kann und der Wauwau nicht allein ist.

Keine Sorge: Ungeachtet meines Migrationshintergrundes - mein Opa kam aus Österreich, meine Mutter aus dem deutschsprachigen Teil von Großpolen -, stehen bei mir keine Hunde auf dem Speiseplan, nicht einmal Katzen, auch wenn die mir suspekt erscheinen, so wie die gucken, als könnten sie im Blick eines Menschen erkennen, ob der darauf steht, Haustiere zu vertilgen.

Ich mache so was nicht, ehrlich. Den Verzehr von Katzen überlasse ich nach wie vor Alf. Der war bekanntlich auch eine Art Flüchtling, kam aus Melmac und blieb in den USA, nachdem sein Raumschiff bruchlanden musste. Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, dass ihm eine amerikanische Durchschnittsfamilie etwas mehr als 100 Folgen lang Asyl gewährte, obwohl er rülpste, frech war und eben Katzen jagte, um sie auf dem Grill für eine Mahlzeit zuzubereiten. So was gibt es natürlich nur in der Fantasie. Aber das Irreale vermengt sich ja gerade zusehends mit dem Realen; es existiert kaum noch ein Unterschied, wie man jeden Tag feststellen muss. Alles ist möglich. Jedenfalls ist nichts unmöglich.

Weg mit der Sozialromantik

Nur zu genau erinnere ich mich an die Aufregung, als osteuropäische Obdachlose im Berliner Tiergarten Kaninchen und Schwäne gejagt, gegrillt und verputzt haben sollen. "Wir haben zwar selbst niemanden beim Wildern erwischt, aber wir haben Zeugen - und die Hinterlassenschaften in den Camps lassen diesen Schluss ebenfalls zu", ließ der Bezirk Mitte die Öffentlichkeit wissen. Das war 2016. Damals war noch Stephan von Dassel, ein Realpolitiker der Grünen, Bürgermeister des Viertels. Er ließ die Zeltlager der Obdachlosen räumen. Sozialromantik, eigentlich ein Markenzeichen seiner Partei, kannte er nicht: "Mit der bisherigen Politik kommen wir nicht weiter."

Von Dassel forderte Abschiebungen besonders aggressiver Typen, wobei es "mir relativ wurscht ist, was meine Partei sagt. Ich bin zuallererst meinen Mitarbeitern verpflichtet." Und die wurden damals bepöbelt und bedroht. Der Mann von den Grünen wandte sich gegen "Denkverbote", hielt es für Unsinn, dass ein "Ingenieur für Schlaglöcher und Sanierungsprogramme alles stehen und liegen lässt und sich stattdessen um Radwege kümmert", und sagte zur Umbenennung der Mohrenstraße, die in Mitte liegt: "Die Hysterie um das N-Wort bringt uns nicht weiter. Wir verlieren die, die bereit sind, über ihre Sprache nachzudenken."

Das kam natürlich gar nicht gut an in dem Landesverband einer Partei, deren Spitzenkandidatin sich öffentlich entschuldigen musste, weil sie es wagte zu erklären, dass sie als Kind davon träumte, "Indianer-Häuptling" zu werden. Obwohl das absolut progressiv war, da der Frauenanteil unter Häuptlingen meines Wissens bei null liegt. Die Aussage zeigte auch, dass Mädchen schon vor der Erfindung des Genderns daran dachten, einen Beruf zu wählen, der üblicherweise Männern vorbehalten ist. Trotzdem rief die Basis: Diskriminierung! So nicht! Die Spitzenkandidatin musste sich entschuldigen und tat es denn auch brav, damit Indigene in ein paar Tausend Kilometern Entfernung nicht schnaufend vor Wut den Klappstuhl ausbuddeln und mit Atombomben oder ähnlichem Zeug drohen.

Von Dassel stolperte über eine Stellenbesetzung in seinem Rathaus, bei der er in der Tat nicht gut aussah. Man konnte gar nicht so schnell gucken, wie sich die Grünen von ihm, dem Law-and-order-Kerl, absetzten, ihn zum Abschuss freigaben, als wäre er ein Kaninchen oder Schwan im Tiergarten. Im September 2022 jagte das Parlament von Dassel auch mit den Stimmen seiner Partei (!) aus dem Amt. Dafür darf die von den Grünen gestellte Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen auch nach den Morden von Solingen weitermachen, obwohl sie für (ausbleibende) Abschiebungen zuständig ist. Seltsam.

Am Puls der Zeit

Apropos seltsam. Kurz nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen war Parteichefin Ricarda Lang in der ARD zur Migration samt Folgen gefragt worden, ob das den Grünen Zustimmung gekostet haben könnte. "Ich glaube nicht, dass das das Thema ist, das die Menschen hier am meisten umgetrieben hat." Nö, auf gar keinen Fall. Die AfD ist gewählt worden, weil der Atomausstieg und der Heizungsumbau zu langsam gehen und die Behörden noch nicht konsequent geschlechtergerecht quasseln. So was regt die AfD-Anhängenden tierisch auf, während ihnen völlig egal ist, ob Flüchtlinge Katzen, Hunde oder was immer essen.

Lang und Co. sind halt hautnah am Puls der Zeit und mit Augen und Ohren an den Nöten der Bevölkerung. Die wissen, was die Menschen umtreibt. Monika Herrmann, Mitglied der Moralistenpartei und ehemalige Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, verließ neulich unter Protest die Tanzfläche des "Hoffestes", das der Senat jedes Jahr veranstaltet, damit Regierungschef Kai Wegner, ein Christdemokrat, Frank Zander die Hand schütteln darf.

Der DJ spielte zu später Stunde "L'amour toujours" von Gigi d'Agostino, Sie wissen, das ist das Lied, das Prada-Pia und Rolex-Robert auf Sylt zu einem hässlichen Text trillerten und das neuerdings in Medien "umstritten" genannt wird, auch wenn es "Für immer in Liebe" bedeutet, was doch eigentlich eine nette Botschaft ist.

Es gab Buh-Rufe. "Das geht gar nicht", soll Frau Herrmann gemeckert haben. Fand auch Kai Wegner. Der ließ über seine Sprecherin mitteilen: "Das Lied ist zu einem bekannten Erkennungssymbol der rechtsextremen Szene geworden. Deshalb verbietet es sich auch, dieses Lied beim Hoffest des Regierenden Bürgermeisters aufzulegen." Zumal die Party mit einigen Hunderttausend Euro vom Steuerzahler und staatlichen Unternehmen bezahlt wird. Und weiter: "Wir werden daraus Konsequenzen ziehen und im nächsten Jahr nicht mehr mit dem DJ zusammenarbeiten und in der Vorbereitung auch detaillierter über die Playlist sprechen."

Glaube ist wichtig

Wir lernen: Wer im Failed Bundesland das falsche Lied spielt und in Verdacht gerät, auf der falschen Seite zu stehen, fliegt. Da kann er - wie der DJ - noch so oft sagen: "Das ist ein guter Song, den lasse ich mir von Nazis nicht kaputtmachen." Kommt nun auch "Les Préludes" von Franz Liszt auf den Index? Ein Ausschnitt daraus ist von den Nazis - martialisch aufbereitet - als Erkennungsmelodie für die Propaganda-Berichte vom Frontverlauf und in den Wochenschauen verwendet worden. Das Werk wird heute überall in deutschen Konzerthäusern gespielt, auch von den staatlich unterstützten Orchestern Berlins. Gucken wir mal, wann das jemandem auffällt, die Musiker gefeuert und die Liszt-Straßen umbenannt werden.

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Könnte es sein, dass sich Kai Wegner die Grünen als Koalitionspartner aufbewahren will? Es sieht so aus. Denn die von ihm geführte Landesregierung macht da weiter, wo Rot-Grün-Rot aufgehört hat und kümmert sich um die wirklich wichtigen Themen wie die Musik auf dem "Hoffest". Wegner hatte zugesagt, dass bis Ende 2023 jeder, der mag, innerhalb von 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt bekommt. Humor hat er ja.

Neulich kassierte er das Versprechen ein - macht nichts, es glaubte eh niemand daran -, und verkündete: "Ich glaube, dass für viele Berlinerinnen und Berliner dieses 14-Tage-Ziel ehrlicherweise gar nicht so wichtig ist." Glauben ist für Christen und Christdemokraten wichtig. Und schon Jesus wusste: "L'amour toujours."

Quelle: ntv.de

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