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SPD-Fraktion will Übergangsfrist Abruptes Aus der E-Auto-Prämie soll auf den Prüfstand

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Durchschnittlich lag die Förderung bei 4000 Euro.

Durchschnittlich lag die Förderung bei 4000 Euro.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Beim sofortigen Ende der Kaufförderung für Stromer ist das letzte Wort offenbar noch nicht gesprochen. SPD-Fraktionsvize Wiese stellt klar: Die Einigung der Bundesregierung sei noch keine Einigung auf den Bundeshaushalt - den mache der Bundestag.

Der SPD-Vizefraktionsvorsitzende Dirk Wiese möchte den Haushaltskompromiss der Koalitionsspitzen in den Bundestagsberatungen noch einmal aufschnüren und nachverhandeln. Dabei geht es vor allem um das abrupte Ende der E-Auto-Kaufförderung und der Steuervergünstigung für Agrardiesel. "Auch hier wollen wir noch mal hinschauen, weil das natürlich bei vielen einen Vertrauensverlust darstellt", sagte Wiese im Deutschlandfunk.

Zur E-Auto-Prämie schlug er vor: "Sie auslaufen zu lassen und denjenigen noch die Möglichkeit zu geben, die bereits die Anträge gestellt haben und die das in ihre Kaufentscheidung mit einkalkuliert haben, das halte ich noch mal für überlegenswert." Klar sei allerdings: "Wenn wir bei der Umweltprämie jetzt etwas rückgängig machen, beim Agrardiesel möglicherweise etwas rückgängig machen, dann muss das an anderer Stelle gekürzt werden. Das ist jetzt die Herausforderung, vor der wir stehen."

Mit Blick auf den Kompromiss, den Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner in wochenlangem Ringen ausgehandelt hatten, stellte der SPD-Fraktionsvize klar: "Die politische Einigung ist noch nicht die Einigung auf den Bundeshaushalt 2024. Denn den Haushalt macht der Deutsche Bundestag. Und darum werden wir uns sämtliche Vorschläge jetzt auf der Strecke anschauen, bis dann Ende Januar der Bundeshaushalt 2024 final unter Dach und Fach gebracht werden soll."

Verbraucherschützer begrüßen Ende nur grundsätzlich

Die Bundesregierung hat beim geplanten früheren Ende der staatlichen Kaufprämie für Elektroautos nicht lange gefackelt und den Umweltbonus am Wochenende eingestellt. Seit Montag können keine neuen Anträge mehr für den Umweltbonus beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gestellt werden, wie das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium am Samstag mitteilte. Bereits zugesagte Förderungen sind nicht betroffen und werden gezahlt. Anträge, die noch bis einschließlich 17. Dezember 2023 beim BAFA eingegangen sind, werden in der Reihenfolge ihres Eingangs weiterbearbeitet.

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte am vergangenen Mittwoch eine Einigung darüber erreicht, wie nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher gestopft werden. Das betrifft den Kernhaushalt sowie den Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem auch die Förderung für E-Autos finanziert wird. Ursprünglich sollte die E-Auto-Förderung laut Ministerium Ende 2024 auslaufen - oder vorher, wenn die Mittel aufgebraucht sind.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sieht nun die Autoindustrie am Zug. BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg sagte, deutsche Konzerne verweigerten aktuell "bezahlbare E-Autos für die Masse". Auch der ADAC hatte moniert, auf dem deutschen Markt seien nur drei Fahrzeuge unter 30.000 Euro verfügbar. Hilgenberg sagte, generell begrüße der BUND, die mit Steuergeld finanzierten, pauschalen Kaufprämien für E-PKW zu streichen. Rund 10 Milliarden Euro Steuergeld seien in den vergangenen Jahren geflossen.

Die Verbraucherzentralen hatten das frühere Ende der Kaufprämien zwar ebenfalls grundsätzlich begrüßt. "Kaufprämien waren kurzfristig wichtig, um die Verbreitung von Elektroautos anzukurbeln", sagte die Mobilitätsexpertin des Bundesverbands, Marion Jungbluth. Langfristig könne das Markthochlaufen aber nicht auf Kosten der Steuerzahler finanziert werden. "Es muss jedoch sichergestellt werden, dass mindestens alle eine Prämie erhalten, die ihr E-Fahrzeug bereits im Vertrauen auf die Förderung bestellt haben." Dafür müsse die Bundesregierung das Kaufdatum zum entscheidenden Faktor machen.

SPD-Fraktion fordert "lebensnahe Übergangsfristen"

Auch der ADAC kritisierte das Verfahren, die Förderzusage erst bei der Zulassung zu machen statt beim Kauf. Für Verbraucher, die ein E-Fahrzeug bestellt hätten, es aber vor dem 17. Dezember nicht zulassen könnten, sei die Entscheidung besonders bitter, weil sie den Umweltbonus einkalkuliert hätten.

Die SPD-Bundestagsfraktion steht grundsätzlich zum vorzeitigen Auslaufen der Förderung. Allerdings teilten drei stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende mit: "Wir empfinden den am Samstag kurzfristig verkündeten Förderstopp zum 17.12. jedoch als äußerst unglücklich." Klimaschutzminister Robert Habeck müsse einen verlässlicheren Übergang organisieren. Die Fraktionsvizes Detlef Müller, Matthias Miersch und Verena Hubertz erklärten: "Die Bürgerinnen und Bürger erwarten lebensnahe Übergangsfristen von politischen Entscheidungsträgern. Die meisten Menschen müssen bei der Anschaffung eines neuen PKWs sehr genau rechnen, wie sie sich das leisten können, und haben die Prämie sicher eingeplant."

Auch der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) kritisierte das abrupte Förderende. "Das ist ein unfassbar großer Vertrauensbruch für mehrere Zehntausend Kundinnen und Kunden, die ihre E-Fahrzeuge bestellt haben, unter der Voraussetzung, dass die Fördersumme fließt", sagte ZDK-Präsident Arne Joswig laut Mitteilung. "Das Mindeste wäre, den Umweltbonus bis zum Jahresende laufen zu lassen und gleichzeitig in Abstimmung mit Ländern und Kommunen dafür zu sorgen, dass bis zum 31.12.2023 Zulassungsstellen geöffnet bleiben, um Zulassungen vornehmen zu können."

Lindner: Gab nie eine Fördergarantie

Finanzminister Christian Lindner sagte am Sonntagabend in der ARD, es sei immer klar gewesen, dass der Umweltbonus irgendwann auslaufen werde. Es habe kein festes Enddatum für die Förderung gegeben. "Insofern gab es nie eine Fördergarantie, sondern das Auslaufen war klar."

Um den Absatz anzukurbeln, hatte die damalige Bundesregierung 2016 eine Kaufprämie beschlossen. Laut Wirtschafts- und Klimaschutzministerium wurden seitdem etwa zehn Milliarden Euro für rund 2,1 Millionen Elektrofahrzeuge ausgezahlt. Das Förderprogramm sei sehr erfolgreich gewesen und habe die Elektromobilität in Deutschland entscheidend vorangebracht.

Nach BAFA-Angaben sind in diesem Jahr bislang rund 376.000 Anträge für elektrisch-betriebene Fahrzeuge eingegangen und 2,4 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Die Zahl der beantragten Fahrzeuge ist im Vergleich zu 2022 gesunken. Dies liegt daran, dass seit dem 1. Januar 2023 ausschließlich batterie- und brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge gefördert werden und keine Hybridfahrzeuge mehr. Außerdem können seit dem 1. September nur noch Privatpersonen einen Antrag für den Umweltbonus stellen. So waren 2022 für 820.000 Fahrzeuge noch 3,4 Milliarden Euro bewilligt worden.

Geld im Topf war wohl bereits knapp

Das Wirtschaftsministerium wies am Sonntag Kritik am schnellen Ende zurück. "Wir wissen, dass es für jene, die auf die Förderung gehofft hatten, eine missliche Situation ist. Aber leider war diese Entscheidung notwendig, weil nicht mehr ausreichend Geld zur Verfügung steht, um Anträge, die nach dem Sonntag eingehen, noch berücksichtigen zu können", hieß es. Wie aus Kreisen des Ministeriums verlautete, sind die Mittel für 2023 aufgebraucht. Die noch für 2024 angesetzten 209 Millionen Euro reichen wohl nur noch aus, wenn die Förderung mit sofortiger Wirkung ausläuft.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gehen täglich rund 1400 Anträge zur Prüfung ein, bei einer durchschnittlichen Förderung von 4000 Euro. Jeder weitere Tag der Antragstellung könnte den Steuerzahler damit etwa 5,6 Millionen Euro kosten. Bei einem Antragstopp zum Jahresende wären demnach noch Mittel von etwa 80 Millionen Euro nötig gewesen, wenn die Anträge nicht zugenommen hätten.

Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte: "Mit der Haushaltskrise fährt nach unserer Einschätzung die Autoindustrie in Deutschland in eine Elektroautokrise." Er rechnet 2024 mit einem Rückgang von bis zu 200.000 Elektroauto-Verkäufen in Deutschland. E-Autos seien ohne Förderung für Neuwagenkäufer deutlich zu teuer.

Quelle: ntv.de, chl/dpa

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