Über 17.000 Tote in Gefängnissen Amnesty prangert Folter in Syrien an
18.08.2016, 02:15 Uhr
Amnesty International wirft der syrischen Regierung "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vor. Mehr als 17.000 Menschen seien in den Gefängnissen des Regimes ums Leben gekommen. Ehemalige Häftlinge, die überlebt haben, berichten von systematischer Folter.
Amnesty International hat der syrischen Regierung massive Gewalt gegen Zivilisten in staatlichen Gefängnissen vorgeworfen. Seit 2011 seien Schätzungen zufolge in den Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen, heißt es in einem Bericht der Menschenrechtsorganisation. Diese "systematischen und weit verbreiteten Übergriffe auf Zivilisten" seien "Verbrechen gegen die Menschlichkeit".
Der Bericht dokumentiert den Angaben zufolge "das erschreckende Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in den Haftanstalten der syrischen Geheimdienste und in den Gefängnissen der syrischen Regierung". Er stützt sich auf die Aussagen von 65 früheren Häftlinge in syrischen Gefängnissen.
Der "Katalog von Horrorgeschichten" zeige in "grausamen Details die fürchterliche Misshandlung von Insassen", erklärte Amnestys Nahost-Direktor Philip Luther. Folter sei Teil von systematischen und weit verbreiteten Übergriffen gegen jeden, der unter dem Verdacht stehe, gegen die Regierung zu sein.
Diese Menschenrechtsverletzungen seien "ein schockierender Bestandteil der systematischen Angriffe der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten gegen die Zivilbevölkerung", erklärte der Syrien-Experte von Amnesty International in Deutschland, René Wildangel. "Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden, die Opfer brauchen medizinische und psychologische Versorgung."
Gefängnis als 3D-Modell rekonstruiert
Nach Angaben von Amnesty laufen Oppositionelle in Syrien Gefahr, jederzeit von Sicherheitskräften festgenommen und gefoltert zu werden. Besonders berüchtigt ist demnach das Militärgefängnis Saidnaja nördlich von Damaskus. Anhand von Zeugenaussagen rekonstruierte Amnesty zusammen mit einer Londoner Agentur das Gefängnis als dreidimensionales virtuelles Modell. Die im Internet veröffentlichte 3D-Darstellung dokumentiert Foltermethoden und gibt einen Einblick ins Innere der Zellen.
"Katastrophale Haftbedingungen, Hunger und systematische Folter machen dieses Gefängnis zu einer regelrechten Hölle für seine Insassen", erklärte Wildangel. Journalisten oder internationale Beobachter hatten laut Amnesty seit Jahren keinen Zugang zum Gefängnis Saidnaja und den Haftanstalten des syrischen Geheimdienstes.
Die Bundesregierung müsse darauf dringen, dass bei den Friedensgesprächen zu Syrien dem Schutz der Menschenrechte höchste Priorität eingeräumt werde, forderte Amnesty. "Der Druck auf die syrische Regierung muss erhöht werden, damit alle gewaltlosen politischen Gefangenen sofort freigelassen werden sowie Folter und Misshandlungen eingestellt werden." Zudem müsse die syrische Regierung unabhängigen Beobachtern uneingeschränkten Zugang zu allen syrischen Gefängnissen und Haftzentren gewähren.
Quelle: ntv.de, hul/AFP/dpa