
Merz wurde zu Beginn des Parteitags geradezu bejubelt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Was für eine Woche liegt hinter der CDU. Sie versuchte, ein Gesetz zu beschließen, und nahm dafür die Stimmen der AfD in Kauf. Die SPD geht zum Frontalangriff über. Was auf diesem Parteitag passieren muss, ist allen klar.
Meistens ist vor Parteitagen schon klar, was am Ende gedacht werden soll - insbesondere bei Parteitagen in Wahlkämpfen: Die Partei gibt ihrem Kandidaten noch einmal so richtig Schwung für die verbleibenden Wochen bis zur Wahl. Das ist dann das berühmte "Signal", das von einem Parteitag ausgehen soll. Das ist auch an diesem Montag nicht anders. In Berlin kommen 1001 Delegierte zum 37. Parteitag der CDU zusammen. Und was noch vor zwei Wochen wie ein zwar wichtiger, aber doch eher Routine-Höhepunkt im Kalender aussah, ist plötzlich ein Moment zum Atemanhalten geworden.
Das liegt an dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg und den Folgen. Parteichef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz brach mit seiner Fraktion das Tabu, nicht gemeinsam mit der AfD abzustimmen - was er im November noch ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Er rechtfertigte das mit dem Handlungsdruck nach Aschaffenburg, aber auch den vorangegangenen Anschlägen in Magdeburg, Solingen und Mannheim. Aber er öffnete damit auch eine Flanke.
Am Mittwoch beschloss die Union gemeinsam mit FDP, BSW und eben der AfD einen Antrag, in dem fünf Maßnahmen für eine strengere Migrationspolitik gefordert werden. Am Freitag kam es dann zum großen Showdown rund um das Zustrombegrenzungsgesetz. Zwölf Unionsabgeordnete stimmten nicht mit ab, das Gesetz scheiterte. Ebenso verantwortlich waren ein gutes Dutzend FDP-Abgeordnete, die ebenfalls nichts gemeinsam mit der AfD beschließen wollten.
"Glasklar", wo die CDU steht
Es war eine turbulente Woche und die Frage ist nun, wie die Stimmung in der Partei ist. Nach handelsüblichen Maßstäben müsste Merz beschädigt sein - wenn ein Fraktionsvorsitzender die eigenen Reihen nicht schließt, ist das normalerweise ein Misstrauensvotum. Aber an dieser Woche war nichts normal und so ist die Stimmungslage in der Partei keineswegs eindeutig Merz-kritisch. Eher im Gegenteil scheint die Stimmung auf ein "Jetzt erst recht" hinauszulaufen.
Das war beispielsweise beim Pressempfang der CDU am Sonntagabend zu spüren. Kritische Töne waren allenfalls versteckt zu hören. Eher wurde die Lesart wiederholt, jetzt sei "glasklar" geworden, wo die CDU steht, aber auch der angebliche Unwille von SPD und Grünen, etwas zur Begrenzung der Migration zu unternehmen.
Auch beim Parteitag zeigt sich das. Als Merz die Delegierten gegen Mittag begrüßt, brandet besonders lauter Applaus auf. Die Delegierte erheben sich, sie johlen und feiern ihn in "Wetten dass"-artiger Applaus-Länge. Dabei hatte Merz zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch gar nichts gesagt.
"Jetzt erst recht" ist auch der Geist, den das Sofortprogramm atmet, das die Partei an diesem Montag beschließen will. In den 15 Punkten findet sich auch Merz' Fünfpunkteplan von vergangener Woche wieder. Erklärt wird auch das Ziel, das Zustrombegrenzungsgesetz noch umzusetzen.
Verhaltener Applaus für Wegener
Es gibt aber auch die, die am Montagmittag freundlich mitklatschen, aber schon deutlich gemacht haben, nicht ganz so begeistert gewesen zu sein von Merz' Vorgehen.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegener zum Beispiel. Er hatte gesagt, er könne im Bundesrat nichts durchwinken, das mit Stimmen der AfD beschlossen wurde. Das liegt zwar auch daran, dass er mit der SPD regiert. So wie er sich ausdrückte, klang es aber auch wie seine eigene Überzeugung. So scheinen es auch die meisten Delegierten zu sehen. Als Wegener sie "in der Hauptstadt" begrüßt, fällt der Applaus eher verhalten aus.
Auch die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst aus NRW und Daniel Günther aus Schleswig-Holstein wirkten nicht gerade begeistert. Wüst hatte nach dem gemeinsam mit der AfD beschlossenen Antrag gesagt, er sei fest davon überzeugt, die Parteien der Mitte müssten die Probleme Deutschlands lösen.
Günther sagte, das Zustrombegrenzungsgesetz sei in der Sache richtig. "Bei aller Erleichterung darüber, dass es heute keinen Beschluss gegeben hat, der sich auf die Stimmen der AfD stützt: Für mich steht die Enttäuschung im Mittelpunkt, dass es den demokratischen Parteien nicht gelungen ist, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Das wäre ein gutes und wichtiges Zeichen gewesen." Beiden wäre es also lieber gewesen, gemeinsam mit SPD oder Grünen etwas zu beschließen. Wüst und Günther führen schwarz-grüne Regierungen.
Dann war da natürlich noch die Intervention Angela Merkels. Sie erklärte es für "falsch", gemeinsam mit der AfD Mehrheiten zu bilden. Eine Rebellion löste sie damit nicht aus. Drei Wochen vor der Wahl will niemand in der Partei den Kanzlerkandidaten durch allzu lauten Widerspruch beschädigen. Aber wer jahrelang glaubte, mit der AfD werde nicht zusammengearbeitet und es würden auch keine gemeinsamen Mehrheiten gesucht, muss sich zumindest wundern.
Leicht ist die Lage für die CDU nicht. Hunderttausende demonstrieren in ganz Deutschland gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD. Merz wird so dargestellt, als habe er sich aus der Mitte verabschiedet und liege schon halb in den Armen der AfD. Das empört viele CDU-Delegierte. Sie wissen, jetzt ist Rückendeckung für ihren Kandidaten gefragt. Das erhoffte "Signal" werden sie ihm an diesem Montag liefern. Weil Merz es nach dieser Woche braucht.
Quelle: ntv.de