Politik

Britischer Premier besucht Kanzlerin Cameron erahnt seine Niederlage

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Und plötzlich gibt er sich ganz diplomatisch. David Cameron reist durch Europa, um für EU-Reformen zu werben. Heute ist er bei Bundeskanzlerin Merkel. Dass er still und vertraulich verhandelt, statt wie gewohnt zu poltern, hat einen Grund.

Gewiefter Spieler oder mieser Zocker? Das ist die entscheidende Frage. Eigentlich müsste David Cameron nach seinem überraschenden Wahlsieg voller Stolz durch Europa flanieren. Doch dass der britische Premierminister für seine Verhältnisse fast schon devot von einer europäischen Hauptstadt zur anderen tingelt, plötzlich auf Diplomatie statt Konfrontation setzt, spricht eine deutliche Sprache: Cameron hat zu viel gewagt und weiß, dass sein Spiel ein böses Ende nehmen könnte - für ihn als Politiker und für das gesamte Königreich.

Als Cameron vor gut zwei Jahren erstmals ein "In-Out-Referendum" forderte, hatte das nur einen Grund. Er wollte Eurokritiker in der britischen Gesellschaft und der eigenen Partei milde stimmen. Einen Austritt wollte er nicht. Cameron glaubte, dass er am Ende eine Ja-Stimmung erzeugen könnte, wenn er den Euroskeptikern eine Abstimmung über eine "bessere EU" präsentiert. Mittlerweile muss ihm klar sein: Diese "bessere EU" ist nicht so leicht zu haben wie gedacht.

Schon jetzt hat Großbritannien einen Sonderstatus in der Gemeinschaft. Die Briten bekommen 66 Prozent Rabatt für ihre Beiträge zum EU-Haushalt. Die Briten sind auf eigenen Wunsch kein Teil des Schengen-Raums. Die Briten verweigerten sich dem Fiskalpakt und haben in einigen Politik-Bereichen ein sogenanntes Opt-Out-Recht. Anders als andere Mitgliedsstaaten müssen sie bestimmte Regeln, die die Gemeinschaft mit Mehrheit beschlossen hat, nicht umsetzen. In Brüssel und Straßburg spricht man angesichts von Großbritanniens Sonderrolle gern von "Rosinenpickerei".

Keine Änderungen der EU-Verträge

Die anderen Staats- und Regierungschefs sind dieses Gebaren aber längst leid. Das haben Frankreichs Präsident und die deutsche Bundeskanzlerin, die Cameron heute trifft, noch vor dem Beginn der diplomatischen Reise des britischen Premiers klargemacht. Ein eigentlich noch geheimes deutsch-französisches Papier tauchte plötzlich auf. Die Botschaft: kleine Reformen ja, aber keine Änderungen des Vertrags von Lissabon.

Die "bessere EU", die sich Europa-Skeptiker in Großbritannien erhoffen, wird Cameron nicht liefern können. Und das weiß er. Auch aus diesem Grund versucht er, der Öffentlichkeit vorzuenthalten, was diese "bessere EU" eigentlich sein soll. Keine Details, keine Zahlen - Cameron zieht sich auf Allgemeinplätze wie "weniger Brüsseler Bürokratie" zurück. Er bereitet sich darauf vor, den sich abzeichnenden Minimalkompromiss als Erfolg zu verkaufen.

Die große Gefahr dabei ist, dass nicht nur die harten Europagegner beim Referendum mit Nein stimmen, sondern auch einige der vielen Unentschlossenen im Königreich. Nicht weil sie per se gegen die EU wären, sondern weil durch Camerons stumpfe und erpresserische Zockerei der Eindruck entstehen könnte: Die EU lasse sich nicht reformieren.

Quelle: ntv.de

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