Politik

Wer wird wichtig in Europa? Das Abendmahl der Verlierer

Vor dem Treffen des Europäischen Rates kommen die Regierungschefs der EVP zusammen, darunter: Bundeskanzlerin Merkel.

Vor dem Treffen des Europäischen Rates kommen die Regierungschefs der EVP zusammen, darunter: Bundeskanzlerin Merkel.

(Foto: dpa)

Ein angeschlagenes Häuflein trifft sich heute Abend in Brüssel: Präsidenten ohne Mehrheit in der Bevölkerung, Premierminister auf Abruf. Und Bundeskanzlerin Merkel. Sie treffen auf ein selbstbewusstes Parlament.

Nur wenige der 28 Staats- und Regierungschefs werden mit einem Gefühl des Triumpfes zum Treffen des Europäischen Rats Brüssel kommen. Zu ihnen dürften der Ungar Viktor Orban und der italienische Sozialdemokrat Matteo Renzi gehören. Beide haben die Europawahlen in ihren Ländern gewonnen. Allerdings sind beide Ausnahmen: Orban, weil er einen nationalistischen und autoritären Kurs fährt, der auch in der Europäischen Volkspartei umstritten ist, zu der er noch immer gehört; und Renzi, weil er im Krisenland Italien gegen den Trend gewonnen hat.

Orban und Renzi - das war es dann schon mit der Riege der Sieger. Bundeskanzlerin Angela Merkel beispielsweise hat zwar die Wahl nicht verloren, aber ganz gewiss auch nicht gewonnen. Ihre CDU muss sich an den Gedanken gewöhnen, dass sich mit der AfD rechts der Union eine neue, euroskeptische Kraft etabliert hat.

Frankreichs Präsident François Hollande wäre froh, wenn er solche Probleme hätte. Seine Sozialisten erreichten gerade einmal 14 Prozent. Als ob das nicht genug wäre: Eine regierungsfähige Opposition gibt es in Frankreich nicht. Die konservative UMP von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hat mit einer Finanzaffäre zu tun und fällt als Alternative aus. Von Neuwahlen würde nur der rechtsradikale Front National profitieren.

Nicht viel besser geht es dem britischen Premierminister David Cameron. Seinen Wählern hat er ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU für Ende 2017 versprochen. Nun könnte es sein, dass er dieses Versprechen nicht halten kann: Nach ihrem Wahlsieg bei den Europawahlen sieht sich die antieuropäische Partei Ukip im Aufwind.

Herbert Reul könnte Recht behalten

Überhaupt, die Antieuropäer. Überall sind die proeuropäischen Parteien in die Defensive geraten. Rund ein Fünftel der Abgeordneten im neuen Europäischen Parlament gehört einer Partei an, die weniger oder kein Europa will. Das macht es für die Staats- und Regierungschefs nicht leichter: Mit möglichst breiter Mehrheit müssen sie einen Kommissionspräsidenten finden.

Ausgerechnet jetzt lässt das Parlament die Muskeln spielen. Die Fraktionschefs fordern, dass der Europäische Rat - also die Staats- und Regierungschefs - dem EVP-Kandidaten Jean-Claude Juncker die Chance geben, eine Mehrheit im Europaparlament zu organisieren. Denn das Parlament kann Juncker nicht einfach so zum Kommissionspräsidenten wählen, vorher muss der Rat ihn vorschlagen. Eine Mehrheit hat die EVP in beiden Gremien nicht: Nur elf der 28 Regierungschefs gehören der EVP an, zehn sind Sozialdemokraten, die übrigen sind parteilos, liberal oder heißen Cameron.

Am Ende könnte der CDU-Politiker Herbert Reul Recht behalten. Sowohl bei der EVP als auch bei den europäischen Sozialdemokraten gebe es Personen, die für den Kommissionsvorsitz infrage kommen. "Das sind vor allem solche, die bei der Wahl nicht als Kandidaten antreten wollten, weil sie in ihren Ländern Regierungschefs sind", hatte Reul vor der Wahl gesagt. "Von denen könnte einer am Ende gebeten werden, den gordischen Knoten zu durchschlagen." Das könnte die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt sein, eine Sozialdemokratin, Polens Ministerpräsident Donald Tusk, dessen liberalkonservative Partei zur EVP gehört, oder, als liberaler Kompromiss, der Belgier Guy Verhofstadt.

Besondere Eile haben die Regierungschefs nicht. "Wir werden nach meiner Einschätzung unserem Ratspräsidenten Herman Van Rompuy ein Mandat geben, Konsultation durchzuführen. Dann wird er uns zum Rat am 26./27. Juni berichten", hatte Merkel am Montag gesagt. Sie erwarte, dass keine konkreten Personalfragen besprochen werden.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen