Politik

Erdogan eröffnet Zentralmoschee Das bittere Ende des Staatsbesuchs

"Die tief verwurzelte deutsch-türkische Freundschaft haben wir in den vergangenen Tagen gefestigt", ist sich Staatspräsident Erdogan sicher.

"Die tief verwurzelte deutsch-türkische Freundschaft haben wir in den vergangenen Tagen gefestigt", ist sich Staatspräsident Erdogan sicher.

(Foto: REUTERS)

Der türkische Präsident Erdogan beendet seinen Staatsbesuch in Deutschland. Er wählt bei der Eröffnung der Zentralmoschee in Köln versöhnliche Worte. Sie kommen viel zu spät.

Im Innenhof der neuen Ditib-Zentralmoschee in Köln. An einer der Wände hängt ein Plakat: "Gute Nachbarschaft - Bessere Gesellschaft" steht darauf, und das in vier Sprachen - Deutsch, Türkisch, Arabisch und Englisch. Nur ein paar Meter entfernt steht Recep Tayyip Erdogan. Der türkische Präsident ist gekommen, um die Moschee einzuweihen. Er hält am Ende seines Staatsbesuchs in Deutschland eine Rede, die ganz dem Credo auf dem Plakat zu folgen scheint. Doch tatsächlich ist die Zeremonie in Köln das bittere Ende von Erdogans ohnehin schon umstrittenen Staatsbesuch.

Erdogan versucht in seiner Rede, die Sorgen und Vorurteile zu zerstreuen, die manch einer in der deutschen Gesellschaft gegen Muslime hat. Er versucht zu demonstrieren, dass er versteht, wie sich einige Leute fühlen, wenn in ihrer Nachbarschaft ein neuer Bau entsteht, dessen Minarette 55 Meter in den Himmel ragen. Erdogan spricht deshalb über Gemeinschaft und Toleranz. Er wirbt dafür, die Konferenzräume der neuen Moschee auch zu nutzen, um zu vermitteln und zu erklären. Er pocht auf Interkulturalität und Klassenlosigkeit, er sagt Sätze wie: "Unter dieser Kuppel sind wir alle gleich". Erdogan redet auch viel über Frieden. "Menschen, die herkommen, sind in keiner Weise in den Terror verwickelt", sagt Erdogan. "Sie werden den Frieden predigen."

Wie selbstverständlich bedankt er sich bei seinem "Freund", Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, und bei Kanzlerin Angela Merkel. Für die guten Gespräche der vergangenen Tage und dafür, dass er überhaupt da sein darf in Deutschland. "Die tief verwurzelte deutsch-türkische Freundschaft haben wir in den vergangenen Tagen gefestigt", sagt Erdogan. Doch auch wenn er sich noch so sehr bemüht, richtig stimmig wirkt die Versöhnungs-Rhetorik nicht.

Denn über die außergewöhnliche Architektur dieses Bauwerks spricht nicht der Architekt, sondern Ali Erbas, der Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Paul Böhm ist nicht da. Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker und ihre Vorgänger, deren Unterstützung für das Projekt der Ditib-Vorsitzende Nevzat Yaşar Asikoglu so ausdrücklich preist, sitzen nicht unter den Zuschauern. Wären keine Journalisten da, könnten sich die Veranstalter die Simultanübersetzung auf Deutsch glatt sparen. Die Moschee-Eröffnung findet ohne deutsche Beteiligung statt. Obwohl Kritiker dem Träger Ditib schon lange vorwerfen, der verlängerte Arm Ankaras zu sein. Schlimmer hätte dieser Teil von Erdogans deutsch-türkischer Wiederannäherungsreise wohl nicht laufen können. Eine riesige Chance, die Integration zu beflügeln, verschenkt.

Missverständnisse und Haarspaltereien

Ditib ist der größte Dachverband für Moscheen in Deutschland. Eigenen Angaben zufolge erreicht er rund 70 Prozent der knapp fünf Millionen Muslime in Deutschland. Die Bedeutung, die er für die Integration insbesondere der Deutschtürken hat, ist gewaltig.

Doch schon in der Planungsphase zeigte sich, dass der eigentlich unabhängige Verein alles andere als unabhängig ist. Deutsche Politiker und Prominente spielten bei den Vorbereitungen für die Veranstalter offensichtlich keine große Rolle. Eine ganze Reihe an Politikern bemängelte, dass sie nicht für Reden eingeplant worden sind oder zu spät informiert wurden.

Von Mustafa Yeneroglu von Erdogans AKP ist am Rande der Moschee-Eröffnung von "Missverständnissen" die Rede, von "Haarspaltereien". Er pocht darauf, dass bis zuletzt versucht worden sei, Oberbürgermeisterin Reker noch für eine Rede zu gewinnen. Die parteilose Oberbürgermeisterin, die eigentlich für bedachte Äußerungen bekannt ist, schildert es völlig anders: Den Veranstaltern fehle der "Respekt vor dem höchsten Amt, das die Kölnerinnen und Kölner zu vergeben haben", sagte sie zuvor.

Ditib kooperierte offenbar auch völlig unzureichend mit der Kölner Polizei. Zunächst lud der Verein über Facebook "alle deutschen und türkischen Freunde und Freundinnen" ein. Gegen den Willen der Bundesregierung, dass es zu einer Großkundgebung Erdogans in Deutschland kommt. Aber auch, ohne ein entsprechendes Sicherheitskonzept mit der Polizei abzustimmen.

Die sah sich gezwungen, dem Verein eine Deadline zu setzen. Freitag, also am Tag vor der Veranstaltung, lieferte Ditib dann nach. Den erwarteten 25.000 Gästen wurde dieses Konzept in den Augen der Behörden aber nicht gerecht. Sie verbaten am Freitagabend die geplante Versammlung im Außenbereich vor der Moschee. Ditib musste das Event auf persönlich geladene Gäste zusammenstauchen.

Für Steinmeier wäre Zerin nicht gekommen

Gehüllt in Türkei-Flaggen reisen trotzdem etliche Deutschtürken aus ganz Deutschland an, um der Erdogan-Show nah zu sein. Auch Zerin ist mit ihrer Familie gekommen. "Klar, nicht alles, was Erdogan macht, ist richtig", sagt sie. "Aber so wie die Türkei in Deutschland gesehen wird, ist sie einfach nicht." Zerin ist extra aus Bielefeld angereist, obwohl sie wusste, dass sie von Erdogans Rede wohl nichts mitbekommen würde. "Erdogan soll sehen, dass sein Volk hinter ihm steht", sagt sie. Natürlich sei Deutschland auch ihre Heimat, hier sei sie schließlich geboren. Auf die Frage, ob sie für Steinmeier gekommen wäre, antwortet sie schmunzelnd trotzdem: "Nein". Über Steinmeier werde aber auch nicht so gestritten wie über Erdogan. Den deutschen Medien traut Zerin nicht. Deswegen zweifelt sie auch daran, dass Ditib bei der Moschee-Eröffnung und den Absprachen mit der deutschen Seite wirklich so viel falsch gemacht haben soll.

Erdogan weiß um seine Fans, die nicht zu ihm können. "Vielleicht hören Sie uns nicht direkt", sagt er. "Aber die Sprache unserer Herzen hören sie." Die geladenen Gäste applaudieren. Erdogan weiß natürlich auch, dass die deutschen Partner des Projektes das Ereignis, wenn überhaupt, nur am Fernseh- oder Computerbildschirm verfolgen. Seine versöhnlichen Worte erreichen sie viel zu spät. Sein Auftritt wird so irgendwie zu einer Ansprache an die Abwesenden. Und am Ende ist nicht einmal mehr sicher, ob das Erdogan wirklich stört - zumindest, wenn es um die deutschen Abwesenden geht. "Der Ministerpräsident (Armin Laschet) sollte eigentlich auch dabei sein, aber es gab ein Kommunikationsproblem", sagt Erdogan. Das gelte auch für die Oberbürgermeisterin. Blumige Begriffe wie die "Sprache der Herzen" bemüht Erdogan für sie nicht. Er ergänzt nur: "Hoffentlich beim nächsten Mal."

Quelle: ntv.de

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