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Regierungstalk bei Illner "Die Ernsthaftigkeit ist sehr hoch"

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Die Arbeitsgruppen haben ihre Papiere vorgelegt, jetzt müssen Merz, Dobrindt, Klingbeil und Esken etwas daraus machen.

Die Arbeitsgruppen haben ihre Papiere vorgelegt, jetzt müssen Merz, Dobrindt, Klingbeil und Esken etwas daraus machen.

(Foto: picture alliance / Andreas Gora)

Ab heute reden die Chefs. Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD treten in ihre Endphase ein. Doch dabei gibt es noch jede Menge ungeklärter Probleme. Einfach wird das nicht, da sind sich die Gäste bei Maybrit Illner einig.

Noch nie hat eine Bundesregierung so viel Geld zur Verfügung gehabt wie die kommende. Nur: Die nächste Regierung gibt es noch nicht. Am heutigen Freitag gehen die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD in die entscheidende Phase. Eine Chefgruppe verhandelt über das, was bisher noch strittig ist. Und da gibt es viel zu tun. Schwierigstes Thema: das Geld. Über die beiden Finanzpakete in Höhe von ungefähr einer Billion Euro war man sich schnell einig. Jetzt geht es darum, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Deutschland soll wachsen, das wollen alle Verhandlungspartner. Und sie wollen einen Politikwechsel. Wie der aussehen könnte, ist jedoch noch völlig unklar. Etwas Klarheit wollen die Gäste bei Maybrit Illner am Donnerstagabend im ZDF schaffen. Unter ihnen: zwei Top-Verhandler.

Einer ist der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Er erklärt: "Wir haben drei Säulen der Finanzen auf den Weg gebracht." Damit meint er das Sondervermögen für die Infrastruktur und die Hilfen für die Bundesländer sowie das Verteidigungspaket, das finanziell nach oben offen ist. "Wir wollen ja für Putin nicht berechenbar sein", so Dobrindt. "Jetzt geht es darum, dass wir uns in der Lage sehen, dieser Verantwortung nachzukommen, dieses Land wieder zu stabilisieren. Das heißt, dass wir es aus der Rezession herausbringen müssen, dass wir es politisch auch wieder stabilisieren müssen, dass wir für Sicherheit sorgen müssen. Und dieser Verantwortung wollen wir gemeinsam nachkommen. So habe ich auch die bisherigen Gespräche verstanden. Da bewegt sich viel, und jeder muss aufhören, seine Steckenpferde zu reiten, die er besonders lieb gehabt hat." Die Union sei bereit gewesen, an der Schuldenbremse Änderungen vorzunehmen, so Dobrindt. Die SPD müsse einen weiteren Weg bei der Migrationspolitik gehen, die Deutschland destabilisiere. Bereitschaft sei erkennbar. Dobrindt ist sich sicher: "Da wird es gute Ergebnisse geben."

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch verhandelt ebenfalls in der Chefrunde. Die Partner seien bereit, in diesen schwierigen Zeiten etwas für Deutschland zu tun. So müsse der Staat reformiert werden, beispielsweise bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren. "Wir werden hart verhandeln, es werden keine einfachen Verhandlungen, aber wir werden auf Augenhöhe hoffentlich dann zu einem guten Ergebnis kommen, wo sich alle Vertragspartner wiederfinden", so Miersch.

Bodo Ramelow von der Linken verhandelt nicht mit, hat aber mit dafür gesorgt, dass sich seine Partei mit einer starken Fraktion im neuen Bundestag Gehör verschaffen kann. Er ist mit dem schwarz-roten Infrastrukturpaket nicht einverstanden. So bedeute der Länderanteil für Thüringen, wo Ramelow Ministerpräsident war, 280 Millionen Euro jährlich. "Ich hoffe dann auf zusätzliches Geld, Geld, das dringend gebraucht wird." Damit das 500-Milliarden-Paket jedoch wirklich vernünftig angelegt werden kann, zum Beispiel in die Bildung, brauche es eine Aufhebung des Kooperationsverbots. Darunter versteht man die im Grundgesetz festgelegte Regel, dass der Bund keinen Einfluss auf die Schulpolitik der Länder nehmen darf. Er darf zum Beispiel keine Bildungsmaßnahmen finanzieren. Ramelow: "Ich fände es fair, wir würden das Kooperationsverbot wandeln in eine Gemeinschaftsaufgabe Bildung. Dann hätten wir eine Offensive, die in die Jugend einzahlt." Dobrindt schüttelt bei Ramelows Vorschlag mit dem Kopf. Zudem fehlt dem Linken-Politiker Geld zum Umbau der Bahn, mindestens 150 Millionen Euro pro Jahr seien nötig. "Alleine die Investition in das Eisenbahnnetz wäre eine Investition in die CO2-Reduzierung, die wir dringend brauchen, damit wir eine Mobilitätsgarantie abgeben."

Wofür das Geld ausgegeben werden soll

Was mit den beiden Finanzpaketen passieren soll, ist zwar noch nicht unbedingt klar, aber Matthias Miersch hat ein paar Vorstellungen. "Wenn man die Bürgerinnen und Bürger fragt, für was soll dieses Geld ausgegeben werden, dann sieht man, dass da hohe Zustimmungen sind beispielsweise bei der Unterstützung der Ukraine, in der Herstellung der Verteidigungsfähigkeit, in der Investition in die Infrastruktur." Die Erfolge müssten schnell sichtbar werden, fordert Miersch. "Wir wissen, dass wir ein Ergebnis zu liefern haben, das erklärt, warum wir diesen Weg gehen", stimmt Dobrindt zu.

Dennoch gibt es gerade bei den Finanzen zwischen Union und SPD einen deutlichen Dissens. So spricht sich die SPD dafür aus, dass die Vermögenssteuer steigen soll. Zudem fordert sie eine Reichensteuer, eine Abgeltungssteuer oder eine Finanztransaktionssteuer. Die Union möchte Steuern senken. Die Vorlagen für die jetzt beginnenden Verhandlungen sagen darüber wenig aus. Der stellvertretende Chefredakteur der "Welt", Robin Alexander, fasst das so zusammen: Die Arbeitsgruppe Finanzen habe ein Papier vorgelegt. "Da sieht das so aus: Die normale Schriftfarbe ist schwarz, was nur die SPD will, ist rot und was nur die Union will, ist blau. Aber auf den ersten drei Seiten ist nichts Schwarzes, da ist nur rot und blau. Die haben sich auf gar nichts geeinigt bisher."

Worauf sich die SPD verständigen könnte, will Moderatorin Maybrit Illner von Matthias Miersch wissen. Der bleibt die Antwort schuldig, sagt, er wolle den Verhandlungen, die am Freitag beginnen sollen, nicht vorgreifen. "Jetzt ist es die große Herausforderung, mit zwei Partnern, oder eigentlich sind es drei, zusammenzukommen und Kompromisse zu schmieden."

Ramelow wird wütend

Dazu müsse auf jeden Fall ein deutlicher Abbau von Bürokratie gehören, fordert Miersch. Die Ampelregierung habe bewiesen, dass so etwas möglich sei. 2022 seien LNG-Terminals in Windeseile hochgezogen worden. Robin Alexander nimmt den Politiker beim Wort und schlägt vor, die Stromautobahnen oberirdisch zu verlegen. Das gehe nicht nur schneller, sondern sei auch günstiger. Dagegen bildet sich jedoch eine erstaunliche Politikerfront: Bodo Ramelow fürchtet Proteste von Bürgern, CSU-Mann Dobrindt weist darauf hin, dass man dann zunächst das Verbandsklagerecht abschaffen müsse. Die Einigung dauert nur kurz, dann streiten sich die beiden Politiker über eine Anlage am Froschgrundsee, die Bayern nicht genehmigt hätte, Thüringen aber schon. Da aber Ramelow einen Wutanfall bekommt, kann man beide Politiker nicht verstehen.

"Ich bin ziemlich guter Hoffnung, dass wir einen Koalitionsvertrag hinbekommen", sagt Dobrindt am Ende der Sendung. Da fragt Maybrit Illner, ob der CSU-Politiker Innenminister würde, sagt aber gleich, sie wisse, dass sie darauf keine Antwort bekommen werde. Da hat sie recht. Klar ist für Dobrindt auf jeden Fall, dass beide Koalitionspartner das Wahlergebnis und den Wählerwillen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen müssen. "Wenn wir das nicht machen, ist Deutschland in Gefahr. Und weil wir das wissen, kommen wir dem nach. Und wir werden am Ende ein Ergebnis präsentieren, das sich für beide Parteien sehen lassen kann. Aber ein bisschen Weg ist noch zu machen." Das Ergebnis müsse am Ende stimmen. Dabei komme es auf Gründlichkeit an, nicht auf Schnelligkeit. "Die Ernsthaftigkeit ist sehr hoch."

"Ich glaube, dass diese Koalition entstehen wird, aber wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns", stimmt Miersch zu - und zeigt eins: Nach außen sind die Koalitionspartner auf Einklang programmiert. Genau so, wie auch die Ampelregierung angefangen hat.

Quelle: ntv.de

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