Bilanz von Dubai "Die Ölstaaten werden nervös"
16.12.2023, 09:00 Uhr Artikel anhören
Während in Dubai die Klimakonferenz lief, rief OPEC-Generalsekretär Haitham al-Ghais die Mitgliedstaaten seiner Organisation dazu auf, sich Beschlüssen zur Abkehr von fossilen Energien zu widersetzen.
(Foto: REUTERS)
Ein Durchbruch war die UN-Klimakonferenz, die COP28, sicher nicht. Aber der Beschluss von Dubai macht deutlich, wohin die Reise geht, sagt Klimaexpertin Frauke Röser: "Für Kohle, Öl und Gas ist es der Anfang vom Ende." Selbst die Ölförderländer hätten mittlerweile verstanden, "dass sie auf einem Produkt sitzen, das in der Zukunft wahrscheinlich nicht mehr so stark nachgefragt wird".
ntv.de: Besiegelt die COP28 wirklich "de facto das Ende des fossilen Zeitalters", wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte? Oder ist das Zweckoptimismus?

Frauke Röser ist Expertin für Klimapolitik und Gründungsmitglied des NewClimate Institute. Seit 2011 war sie bei jeder Klimakonferenz dabei. Nach Dubai ist sie nicht gefahren. "Ich wollte nicht Teil des Greenwashings sein", sagt sie.
(Foto: privat)
Frauke Röser: Annalena Baerbock ist Diplomatin, da spricht man anders über die Ergebnisse einer solchen Konferenz. Natürlich ist es gut, dass erstmals in einer Abschlusserklärung alle fossilen Energien erwähnt werden, neben Kohle auch Öl und Gas. Die Abschlusserklärung enthält zwar nicht die Festlegung auf einen Ausstieg, sondern nur auf eine Abkehr von fossilen Energieträgern. Aber es ist klar, wohin die Reise geht: Für Kohle, Öl und Gas ist es der Anfang vom Ende. Angesichts der klimapolitischen Lage ist nur die Frage, ob das schnell genug passiert. Es nützt uns ja nichts, wenn die COP die Abkehr von Kohle, Öl und Gas beschließt, die praktische Umsetzung aber in die weite Zukunft verschoben wird.
Der emiratische Konferenzpräsident Sultan al-Dschaber hatte am Montagabend einen ziemlich ambitionslosen Entwurf für die Abschlusserklärung vorgelegt. War das ein Trick, um die tatsächliche Abschlusserklärung besser aussehen zu lassen?
Es wirkte ein bisschen so, als sei das eine Verhandlungstaktik wie auf dem Basar: Das erste Angebot des Verkäufers ist so schlecht, dass man sich am Ende freut, wenn man nur die Hälfte zahlen muss. Ob das ein guter Deal ist, würde ich allerdings infrage stellen.
Was bringt es, wenn eine Klimakonferenz die Staaten der Welt auffordert, sich von den fossilen Energieträgern abzuwenden - wo alle wissen, dass die Öl- und Gasförderstaaten daran kein Interesse haben und die Energiewenden in den Industriestaaten viel zu langsam verlaufen?
Der Beschluss mit dem expliziten Hinweis auf den Übergang weg von fossilen Energieträgern gehört jetzt zum Rahmen der internationalen Klimapolitik. Das ist eine Grundlage, mit der man arbeiten kann. Bei der COP waren viele Staaten dabei, die sich einen deutlicheren Abschlusstext gewünscht hätten, unter anderem die Europäische Union. All diese Staaten können jetzt voranschreiten. Wenn die 130 Länder, die einen stärkeren Beschluss gefordert haben, die Abkehr von den fossilen Energieträgern nun auch umsetzen, dann bewegt sich die globale Ökonomie auch dorthin.
Geschieht das denn?
Nur teilweise, zum Beispiel beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber Abkehr von Kohle, Öl und Gas bedeutet auch, dass es keine neuen Investitionen in die fossile Energieinfrastruktur geben darf. Da gehörte Deutschland in jüngster Zeit nicht unbedingt zu den Vorreitern.
Wegen des Aufbaus der LNG-Terminals?
Ja, die Investitionen in die LNG-Terminals sind in dieser Größenordnung sicher nicht kompatibel mit dem Pariser Abkommen und dem 1,5-Grad-Ziel.
Viele Klimakonferenzen bringen Erfolge in Detailfragen. Gab es so etwas auch in Dubai?
Dieser Erfolg wurde schon zu Beginn der Konferenz verkündet: die Einigung auf den "Loss and Damage Fund", einen Fonds für Verluste und Schäden, die durch den Klimawandel verursacht wurden. Die vulnerablen Staaten und die Entwicklungsländer fordern einen solchen Fonds seit Jahren. Dass es ihn nun gibt, ist ein Erfolg. Auch wenn er bislang ungenügend ausgestattet ist, ist das ein wichtiger Schritt und ein Signal an die am stärksten betroffenen Länder.
In der Abschlusserklärung wird klar benannt, dass die Staaten deutlich zu viel CO2 ausstoßen, um ihr selbstgestecktes Ziel von 1,5 Grad zu erreichen. Entwertet das nicht den ganzen Prozess?
Ich stand dieser COP sehr kritisch gegenüber, unter anderem, weil die Präsidentschaft eine Doppelrolle innehatte: Der COP-Vorsitzende Sultan Ahmed al-Dschaber ist nicht nur Technologieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, sondern auch Chef des staatlichen Ölkonzerns. Dass das ein Problem ist, war von Anfang an klar. Zudem müssen auf Klimakonferenzen alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden, da ist das Ergebnis immer der kleinste gemeinsame Nenner. Es ist trotzdem ein wichtiges Forum.
Was halten Sie von dem Klimaclub, den Bundeskanzler Olaf Scholz angestoßen hat? Ist das eine gute Ergänzung zu den Klimakonferenzen, vielleicht sogar eine Alternative?
Eine Alternative auf keinen Fall, weil dieser Club ja nur einen Teil der globalen Staaten abbildet. Grundsätzlich sind Foren, in denen Staaten und Menschen ins Gespräch kommen und konstruktiv zusammenarbeiten, immer positiv zu bewerten. Beim Klimaclub muss man noch sehen, wie er ausgestaltet wird und was da passiert - das war bisher etwas vage.
Ein Appell des Ölkartells OPEC an seine Mitglieder hat während der Konferenz für ziemliches Aufsehen gesorgt. Wie ordnen Sie diesen Vorgang ein?
Positiv: Der Brief zeigt, dass die Klimakonferenz ernst genommen wird, dass ihr Wichtigkeit beigemessen wird. Dass die OPEC-Staaten kein gesteigertes Interesse daran haben, ihren eigenen Markt abzugraben, ist wenig überraschend. Und eigentlich darf es nicht passieren, dass so viele fossile Lobbyisten Einfluss auf die Klimakonferenz nehmen. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass man sich diese COP zum Anlass nimmt, um zu gucken, wie man den Prozess reformieren kann: Es reicht völlig, wenn Verhandler und zivilgesellschaftliche Beobachter teilnehmen. Zugänge für privatwirtschaftliche Akteure, insbesondere Lobbyisten, sollten eher versperrt werden.
Zeigt der OPEC-Brief, dass die Ölstaaten Angst haben oder dass sie noch immer sehr einflussreich sind?
Beides, wobei Angst vielleicht etwas übertrieben ist. Aber eine gewisse Nervosität gibt es in den Ölstaaten durchaus. Sie wissen, dass sie auf einem Produkt sitzen, das in der Zukunft wahrscheinlich nicht mehr so stark nachgefragt wird. Das bedeutet, dass sie auch ihre eigenen Volkswirtschaften transformieren müssen. Diesen Prozess wollen sie so lange wie möglich verschieben.
Die nächste COP findet in Aserbaidschan statt.
Das ist nicht gerade ideal. Im letzten Jahr war es ein Gasförderland, in diesem Jahr ein Ölstaat und im nächsten Jahr wieder ein Gasland, zumal in einem schwierigen geopolitischen Einflussbereich.
Aserbaidschan ist mit Russland verbündet und hat gerade Krieg gegen seinen Nachbarn Armenien geführt.
Aber offenbar ließ sich das wegen des Regionalproporz' der Vereinten Nationen nicht verhindern. Trotzdem wäre es gut, wenn dann wenigstens die Größe der Konferenz so gestaltet würde, dass es keine Konferenz der Öl- und Gasindustrie wird.
Der Abschlusstext der COP28 erlaubt ausdrücklich CCS, um Klimaneutralität zu erreichen, also das Auffangen und Lagern von Kohlendioxid. Auch der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Otmar Edenhofer, spricht sich für CCS aus. Zu Recht?
CCS wird wohl unvermeidbar sein. Ein bisschen ist es aber auch eine Scheinlösung. Dass CCS in dem Umfang zur Verfügung steht, wie in Dubai suggeriert wurde, ist einfach nicht der Fall. CCS ist teuer und immer noch nicht marktreif. Deshalb sollte diese Technologie Emissionen vorbehalten sein, für die es keine anderen Lösungen gibt. Das betrifft vor allem Industrieprozesse, für die wir diese sehr spezielle und in weiten Teilen unerprobte Technologie werden einsetzen müssen. Eine Lösung für den Umbau des Energiesystems ist CCS nicht.
Die Konferenz konnte sich nicht auf einen Rahmen für einen internationalen Emissionshandel einigen. Wäre das ein Ziel für die nächste COP?
Ich halte das Thema CO2-Handel für überschätzt. Alle Staaten müssen ihre Emissionen auf null reduzieren. Das verringert den Spielraum für solche Märkte. Zumal die Rahmenwerke, wenn diese Systeme funktionieren sollen, so aufwändig sind, dass man sich fragt: wozu?
Mit Frauke Röser sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de