Politik

Jahrhundertprozess in den USA Die Trump-Anklage hat unabsehbare Folgen

8984b041b36f513aaf0c8ff669c988fb.jpg

Seine Anhänger halten Trump die Treue - hier vor seinem Sitz in Mar-a-Lago in Florida.

(Foto: IMAGO/USA TODAY Network)

Artikel anhören
00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden

Wenn Donald Trump vor Gericht steht, wird es nicht nur im Saal hoch hergehen. Längst hat der öffentliche Kampf um die Deutungshoheit begonnen, in der der Ex-Präsident, seine Widersacher, Demokraten und KI-Bilder mitmischen. Die explosive Mischung kann zur Gefahr für die USA werden.

Wenn bekannte Persönlichkeiten in den USA vor Gericht stehen, ist das öffentliche Interesse immens. Das war bei Al Capone so, bei Bernie Madoff - und bei O. J. Simpson, dessen Prozess ein Medienspektakel ohne gleichen war. Von der Verhaftung über Polizeifotos und Zeugenaussagen bis zum Urteil wurde jeder Moment intensiv beleuchtet, ausgewertet, interpretiert. Wenn sich Donald Trump vor Gericht verantworten muss, steht dem Land ein weiterer Jahrhundertprozess bevor, der jedoch das Zeug hat, dem politischen System großen Schaden zuzufügen.

Zwar sind die genauen Anklagepunkte noch unbekannt, doch die Vorwürfe sind nicht neu: Mit Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, mit der Trump ihren Angaben zufolge eine Affäre hatte, soll der damalige Präsidentschaftskandidat gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen haben. Das Geld wurde kurz vor der Wahl 2016 von Trumps Anwalt Michael Cohen überwiesen, der es von der Trump Organization erstattet bekam. Cohen sagt, Trump habe ihn mit der Zahlung beauftragt. Er musste wegen unzulässiger Wahlkampfspenden ins Gefängnis.

Eine Verurteilung ist keinesfalls klar

Trump bestreitet die Affäre mit Daniels, nicht jedoch die Geldzahlung seines Konzerns an Cohen. Er wollte damit nach eigenen Angaben die falschen Anschuldigungen der Pornodarstellerin stoppen. Dass Trump verurteilt wird, ist alles andere als klar. Chefankläger Alvin Bragg scheint sich seiner Sache zwar sehr sicher zu sein, auch wenn Experten an der Überzeugungskraft der Beweise zweifeln. Doch schon vor dem ersten Prozesstag hat die Auseinandersetzung eine enorme politische Sprengkraft entwickelt. Das liegt weniger an der Schuldfrage als an den politischen Umständen - und Trumps Verhalten:

  1. Trump ist er der erste amtierende oder ehemalige US-Präsident, der sich einem Strafverfahren stellen muss. Allein das ist bereits aufsehenerregend.
  2. Hinzu kommt, dass Trump sich um die republikanische Präsidentschaftskandidatur bewirbt, sein Wahlkampf läuft bereits. Er will unbedingt das Weiße Haus zurückerobern, ein Prozess um Zahlungen an einen Pornostar könnte da einen Rückschlag bedeuten, denn er ist keinesfalls mehr so unangefochten wie noch vor wenigen Jahren.
  3. Außerdem kritisiert Trump nicht nur die Anklageerhebung. Er sieht sich vielmehr - wieder einmal - als Opfer einer "Hexenjagd" der Demokraten, die er "radikale Linke" nennt, und versucht so, seine Anhänger zu mobilisieren.

Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was den USA bei diesem Prozess bevorsteht, bot Trump selbst bereits vor wenigen Tagen: Am 18. März postete er auf seiner eigenen Plattform Truth Social die Ankündigung, er werde am Dienstag darauf verhaftet. Er verband das mit der Aufforderung an seine Anhänger, Widerstand zu leisten.

Vielleicht hatten einige erwartet, dass es wie bei O. J. Simpson zugeht: Der hatte sich als Hauptverdächtiger in einem Mordfall eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert, begleitet von Hubschraubern von Fernsehsendern - die Liveübertragung erreichte spektakuläre Einschaltquoten. Bei Trump jedoch gab es keine Festnahme. Vor allem Medienvertreter waren vor dem New Yorker Gerichtsgebäude erschienen, dazu wenige Anhänger des Ex-Präsidenten.

Erinnerungen an den Kapitol-Sturm

Trumps Aufruf zum Widerstand weckte jedoch auch Erinnerungen an den Sturm des Kapitols Anfang 2021. Dem Ex-Präsidenten wird vorgeworfen, bei der Mobilisierung der Menge eine große Rolle gespielt zu haben - auch deshalb wird derzeit gegen ihn ermittelt. Mit seinen erfundenen Vorwürfen des Wahlbetrugs hat Trump monatelang gegen seine eigene Abwahl agitiert, bis die Stimmung überkochte. Kann sich das nun wiederholen? Hat Trump noch so viel Einfluss, dass seine Anhänger den Prozess gefährden könnten? Die New Yorker Polizei will es nicht darauf ankommen lassen, sie verschärft bereist die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Gerichtsgebäude in Manhattan.

Doch es ist nicht nur Trump, der die Anklage geradezu als Majestätsbeleidigung kritisiert. Auch andere Republikaner, darunter Trumps ehemaliger Vize Mike Pence und der innerparteiliche Widersacher Ron DeSantis, wenden sich gegen den Prozess. "Wenn das Rechtssystem als Waffe eingesetzt wird, um eine politische Agenda voranzutreiben, wird die Rechtsstaatlichkeit auf den Kopf gestellt", sagte DeSantis, der sich zum gefährlichsten Konkurrenten Trumps bei den Vorwahlen entwickeln könnte.

Einerseits stichelt DeSantis gern gegen Trumps Skandale und Affären. In seiner Regierungsarbeit gebe es "kein tägliches Drama", sagte er dem Streamingdienst Fox Nation. Der Prozess könnte für Trumps Konkurrenz um die Präsidentschaftskandidatur zum gefundenen Fressen werden. Trump weiß das und hat wenige Stunden nach den Berichten über die Anklage Spendenaufrufe gestartet. "Die radikale Linke (...) hat mich in einer widerlichen Hexenjagd angeklagt", heißt es da.

Andererseits geht es für DeSantis und Co. darum, potenzielle Trump-Wähler nicht zu vergraulen, die hinter der Anklage ein Komplott der Demokraten wittern. Dass Chefankläger Alvin Bragg selbst ein Demokrat ist, befeuert diese Diskussion. Auch prominente Figuren der Partei haben sich bereits geäußert. "Niemand steht über dem Gesetz", schrieb die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die eine besondere Hassfigur des Trump-Lagers ist. "Es sollte keine politische Einflussnahme, Einschüchterung oder Störung von außen in dem Fall geben", sagte der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer.

Doch selbst wenn die Demokraten den Prozess nicht für eigene politische Zwecke ausschlachten, sich nicht auf Trumps Spiel einlassen, wird der Prozess diesem Munition für die Behauptung einer "Hexenjagd" liefern. Das konservative und rechte Lager, vor allem aber Trump selbst wird diese Erzählung bis zur Erschöpfung wiederholen, unabhängig von Fakten. Der Ex-Präsident hat bereits angekündigt, den Prozess zum Thema seiner Kampagne machen zu wollen.

Midjourney schränkt Dienst ein

Mehr zum Thema

Doch neben Trumps bekannt lockerem Umgang mit der Wahrheit lauert noch eine andere Gefahr: die technische Entwicklung. Als Trump seine eigene Verhaftung ankündigte, aber nichts geschah, kursierten im Internet von Künstlicher Intelligenz erzeugte Bilder, die Trumps angebliche Verhaftung zeigen sollten. In der aufgeheizten politischen Stimmung der USA können auch solche Fälschungen den Funken liefern, der zur Explosion führt. Die Angst davor ist so groß, dass Bildgenerator Midjourney seine Dienste so einschränkte, dass das Wort "verhaften" bei der Bildgestaltung vorerst nicht mehr verwendet werden kann.

Das lässt Schlimmes befürchten. Der Prozess gegen Trump wird die politische Spaltung der USA befeuern, im schlimmsten Fall mit gewaltsamen Folgen wie beim Kapitol-Sturm. Von einer "Büchse der Pandora" schreibt das "Wall Street Journal", von "unvorhersehbaren und wahrscheinlich zerstörerischen politischen Auswirkungen".

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen