Kiew warnt vor Niederlage Die USA sind kurz davor, die Ukraine hängenzulassen


Ukrainische Soldaten bei einer Übung in Großbritannien.
(Foto: via REUTERS)
Selbst moderate Republikaner wollen einem Hilfspaket für die Ukraine im US-Senat nur zustimmen, wenn die Demokraten die Asylgesetze verschärfen. Die Ukraine warnt, ohne rasche Hilfe drohe ihr eine Niederlage im Krieg gegen Russland.
Der Abwehrkampf der Ukraine droht derzeit im US-Kongress verloren zu gehen. Grund ist die Unfähigkeit von Demokraten und Republikanern in Washington, sich auf ein neues Hilfspaket für das von Russland überfallene Land zu einigen. Beide Seiten geben einander die Schuld an der Blockade. Kern des Streits ist die Migrationspolitik.
Das Hilfspaket für die Ukraine ist Teil eines "Nachtragshaushalts für die nationale Sicherheit", der sich auf insgesamt 110,5 Milliarden US-Dollar beläuft. Der größte Teil davon, mehr als 60 Milliarden Dollar, entfällt auf Hilfen für die Ukraine, während gut 14 Milliarden an Unterstützung nach Israel gehen sollen. Die Zuordnungen im Gesetzentwurf überlappen sich teilweise. So sollen mehr als 43,6 Milliarden US-Dollar "in die industrielle Basis der USA" investiert werden, um die Kapazitäten des Landes bei der Produktion von Waffen und Munition zu erhöhen und Lagerbestände wiederaufzufüllen - welche Lücken durch Lieferungen in die Ukraine und welche durch Lieferungen an Israel entstanden, geht aus dem Text nicht hervor.
Ebenfalls rund 14 Milliarden sind für die Kontrolle der Grenze zu Mexiko und andere migrationspolitische Maßnahmen vorgesehen. Hier sind auch Gelder enthalten, mit denen "anerkannte Ankommende und unbegleitete Kinder" unterstützt werden sollen, was bei den Republikanern auf Kritik stößt. Sie wollen, dass die Asylgesetze deutlich verschärft und insgesamt weniger Migranten ins Land gelassen werden.
Gebrüll beim Briefing im Senat
Am Dienstag endete ein Briefing für Senatoren, in dem es um den Krieg in der Ukraine gehen sollte, in einem "Anschrei-Wettbewerb", wie der Sender CNN schreibt. Nach Angaben des demokratischen Mehrheitsführers Chuck Schumer ging der Streit los, als der republikanische Fraktionschef Mitch McConnell darum bat, dass über die Grenze gesprochen werde statt über die Ukraine. Der republikanische Senator Tom Cotton habe sogar einen der anwesenden Generäle angebrüllt, warum die Armee nicht die Grenze sichere, so CNN. Ärger gab es auch, weil kein Vertreter des für die Grenzsicherung zuständigen Ministeriums anwesend war.
Der gemäßigte Republikaner Mitt Romney nannte das Treffen eine Zeitverschwendung. "Wir wollen der Ukraine und Israel helfen, aber erst müssen die Demokraten anerkennen, dass der Deal ist, dass wir die offene Grenze stoppen", sagte Romney. Auf X fragte er: "Ist eine offene Grenze für die Demokraten wichtiger als die Ukraine und Israel?"
Bei dem Briefing handelte es sich um das Treffen, zu dem eigentlich auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hätte zugeschaltet werden sollen. Dies wurde abgesagt, ohne dass Gründe dafür mitgeteilt wurden.
Republikanische Senatoren fürchten ihre Wähler
Der "Washington Post" zufolge "wanken" die Senatoren gerade in Richtung eines Scheiterns. Obwohl sehr wahrscheinlich ist, dass die Republikaner geschlossen ablehnen werden, will Schumer am heutigen Mittwoch über den Nachtragshaushalt abstimmen lassen. Der Mehrheitsführer argumentiert, dass die Republikaner einen Gesetzentwurf zur Grenze einbringen könnten, der ihren Vorstellungen entspricht: Wenn sie elf demokratische Senatoren überzeugen könnten, hätten sie ja die dafür notwendige Dreifünftelmehrheit von 60 Stimmen, sagte Schumer. Dies sei "eine einmalige Gelegenheit".
McConnell hingegen drängt seine republikanischen Kollegen, mit der Ablehnung des Pakets "einen Punkt zu machen", dass seine Fraktion auf einer "bedeutsamen" Änderung der Grenzpolitik besteht. Bei dem Streit spielt allerdings auch die Haltung zur Ukraine eine Rolle. Während Anhänger der Demokraten mit großer Mehrheit dafür sind, der Ukraine beizustehen, ist es bei den Republikanern nur eine Minderheit. Vor allem Anhänger des früheren Präsidenten Donald Trump lehnen die Hilfe ab. Republikanische Senatoren, die von der Notwendigkeit einer Unterstützung des Landes überzeugt sind, haben laut "Washington Post" daher die Befürchtung, ihre Haltung könne bei den anstehenden Vorwahlen zum Problem für sie werden.
Ukraine befürchtet, den Krieg zu verlieren
Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak sagte bei einer Veranstaltung in Washington, wenn der US-Kongress die Unterstützung nicht bald bewillige, gebe es eine "sehr hohe Wahrscheinlichkeit", dass die Ukraine den Krieg verliere. Auch das Weiße Haus warnte den Kongress, dass das Geld für die Ukraine "bis Ende des Jahres" ausgehen werde. Nach Angaben der "New York Times" gibt es im US-Verteidigungsministerium allerdings Stimmen, die dieser Darstellung widersprechen. Ihnen zufolge reicht der im Pentagon für die Ukraine noch vorhandene Posten in Höhe von 4,8 Milliarden Dollar, um durch den Winter zu kommen.
Mittelfristige Sicherheit gibt es so jedoch nicht. "Wenn die Republikaner den Ukraine-Gesetzentwurf wegen ihrer Meinungsverschiedenheit über einen völlig anderen politischen Streit ablehnen, dann tragen sie die Verantwortung für die globale Katastrophe, die aufgrund ihrer politischen Zockerei entstehen wird", sagte der demokratische Senator Chris Murphy.
Das wissen auch die Republikaner. Ihre Haltung ändern sie dennoch nicht: "Bei der Ukraine bin ich dabei", sagte der republikanische Senator Lindsey Graham. Ihm sei völlig klar, dass es Krieg zwischen Russland und der NATO gebe, wenn Putin mit seiner Invasion der Ukraine erfolgreich sei. Aber auch er machte eine republikanische Zustimmung zum Nachtragshaushalt davon abhängig, dass die Sicherheitsprobleme an der Grenze gelöst würden.
US-Präsident Joe Biden nannte den Mangel an Unterstützung für die Ukraine "absolut verrückt" und "gegen die Interessen der USA" gerichtet. "Wir kriegen das hin", versprach er.
Quelle: ntv.de