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Wahl in Irland Die nächste irische Präsidentin blickt nach Deutschland und sieht Hitler

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Catherine Connolly vertritt den Wahlkreis Galway West im irischen Parlament, dem Dáil Éireann .

Catherine Connolly vertritt den Wahlkreis Galway West im irischen Parlament, dem Dáil Éireann .

(Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire)

Irland wird sich an diesem Freitag mit großer Sicherheit für eine sehr linke Präsidentin entscheiden, die seltsame Ansichten über Deutschland hat. Catherine Connolly kommt bei den Iren trotzdem gut an. Sinn Féin wird ihren Sieg als eigenen Erfolg verkaufen.

Größtenteils unbeachtet von der deutschen Öffentlichkeit findet in Irland derzeit ein Präsidentschaftswahlkampf statt, der in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist. Die Wahl findet an diesem Freitag statt.

Zwei Frauen werden das Rennen unter sich ausmachen, nachdem der Kandidat der konservativen Regierungspartei Fianna Fáil, ein ehemaliger Gaelic-Football-Spieler und -Manager, beim ersten Gegenwind hingeworfen hat. Die Wähler in Irland müssen sich zwischen einer ziemlich linken und einer moderat konservativen Kandidatin entscheiden.

Parallel gab es immer wieder Diskussionen darüber, ob der Sänger Bob Geldof kandidieren könnte. Er tat es nicht. Am Donnerstag sagte er bei einem Termin in Dublin, er wäre angetreten, wenn eine Partei ihn nominiert hätte. Dann hätte er auch gewonnen und wäre "richtig gut" als Präsident gewesen. Das irische Staatsoberhaupt hat überwiegend repräsentative Funktionen.

In den Umfragen mit weitem Abstand vorn ist nun die unabhängige Abgeordnete Catherine Connolly, die im Wahlkampf mit einem schrägen Nazi-Vergleich aufgefallen ist. Bei einem Wahlkampfauftritt im September sagte sie, Deutschland versuche, seine Wirtschaft "durch den militärisch-industriellen Komplex anzukurbeln".

"Parallelen zu den 30er Jahren"

Vor Studierenden einer Universität in Dublin setzte sie die gegenwärtige deutsche Verteidigungspolitik mit der Aufrüstung von Nazi-Deutschland gleich. Wörtlich sagte sie: "Mir scheint, da gibt es einige Parallelen zu den 30er Jahren. Ich möchte euch nicht deprimieren. Es gibt Hoffnung. Und wir haben Stimmen. Und wir können sie nutzen." Die Aufrüstung Deutschlands in den 1930er Jahren war Teil eines Plans des NS-Regimes für einen großen Angriffskrieg in Europa. Man könnte auch sagen: Connolly sieht Hitler, wenn sie auf das heutige Deutschland blickt.

Auch auf Nachfragen nahm Connolly ihren Vergleich nicht zurück, sondern sprach lieber über die USA. Im Interview mit dem irischen Sender RTE beispielsweise wurde sie gefragt, ob sie akzeptiere, dass Deutschland und Europa wegen der russischen Invasion in die Ukraine und wegen einer von Russland ausgehenden Gefahr wieder aufrüsten. "Ich glaube, wir befinden uns in einer sehr instabilen Weltlage. Ich glaube, es gibt imperiale Mächte", sagte sie. Eine davon seien die USA. "Als neutrales Land haben wir die Pflicht, unsere Neutralität zu nutzen, um Machtmissbrauch anzuprangern, egal wo dieser stattfindet, ob durch Russland oder Amerika, durch welches Land auch immer." Irland ist Mitglied der EU, aber nicht der Nato.

Der Journalist und Autor Fintan O'Toole kommentierte in der "Irish Times", Connolly sollte "ihren inneren Basil Fawlty" lieber unter Kontrolle halten - eine Anspielung auf die Fernsehshow "Fawlty Towers" mit John Cleese als Hotelbesitzer Basil Fawlty. In einer legendären Folge dieser Serie aus dem Jahr 1975 hat das Hotel Gäste aus Deutschland. John Cleese alias Basil Fawlty nimmt sich vor, mit ihnen keinesfalls über den Zweiten Weltkrieg zu sprechen ("don't mention the war", erwähne bloß nicht den Krieg), macht es dann aber andauernd. Am Ende marschiert er im Stechschritt durch den Speisesaal.

Es könnte unklug sein, Deutschland zu beleidigen

O'Toole, bei dem man davon ausgehen darf, dass er Connolly politisch nahesteht, wies zudem darauf hin, dass Deutschland im Streit um die Folgen des Brexit immer zu Irland gehalten hatte. "Die Deutschen waren klar und unzweideutig: Es werde keine harte Grenze [zwischen Irland und Nordirland] geben und Irland dürfe nicht schikaniert oder isoliert werden." Connolly müsse daran erinnert werden, dass es unklug sei, Verbündeten in der EU vorzuwerfen, "proto-faschistische Kriegstreiber zu sein".

Tatsächlich haben Irland und Deutschland traditionell gute diplomatische Beziehungen, daran dürfte sich auch unter einer Präsidentin Connolly nichts ändern. Vielleicht wären Treffen etwas steifer als vor vier Jahren: Da reiste Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem dreitägigen Staatsbesuch nach Irland, wo er unter anderem vom irischen Präsidenten Michael D. Higgins empfangen wurde.

Unmotivierte Politikerin gegen frische Kandidatin

Die Kandidatur der parteilosen Connolly wird von allen linken Parteien im irischen Parlament unterstützt, auch von Sinn Féin, der größten Oppositionspartei. Obwohl die linken Gruppen politisch in der Minderheit sind, wäre alles andere als ein Sieg der 68-Jährigen eine Überraschung. In Umfragen erhält sie - trotz, nicht wegen ihrer Sprüche über Deutschland - weitaus mehr Unterstützung als die frühere Vizechefin der Partei Fine Gael, Heather Humphreys. "Ein Sieg von Frau Humphreys wäre der politische Schock dieses Zeitalters", schreibt die "Irish Times" am Wahlmorgen.

Im Gegensatz zu Connolly ist die 62-jährige Humphreys eine traditionelle Politikerin. Sie hatte unterschiedliche Regierungsämter inne, war unter anderem Justiz- sowie Sozialministerin. Im Wahlkampf wurde thematisiert, dass ihr Vater und ihr Ehemann Mitglied im berüchtigten Oranierorden waren - das sind die, die noch immer alljährlich durch Nordirland marschieren, um den Sieg des protestantischen Königs William über den katholischen König Jakob im Jahre 1690 zu feiern. Humphreys hätte aus dieser Geschichte eine Erzählung von Versöhnung machen können. Gelungen ist ihr das nicht.

Auch insgesamt waren die Medien in Irland geradezu schockiert, wie farblos Humphreys' Wahlkampf war. In den TV-Debatten wirkte sie unmotiviert. Immer wieder musste sie erklären, warum ihr Irisch so schlecht ist. Für die irische Identität ist die Sprache wichtig, auch wenn nur eine Minderheit sie fließend beherrscht. Und: Als Präsidentin müsste sie bei offiziellen Auftritten zumindest einzelne Sätze auf Irisch sagen.

Catherine Connolly und Heather Humphreys vor der letzten Debatte des irischen Präsidentschaftswahlkampfes des Senders RTE.

Catherine Connolly und Heather Humphreys vor der letzten Debatte des irischen Präsidentschaftswahlkampfes des Senders RTE.

(Foto: dpa)

Humphreys versprach, ihr Irisch aufzubessern. Dasselbe Versprechen hatte sie schon vor elf Jahren gegeben, als sie Regionalministerin wurde und damit auch für die irischsprachigen Gaeltacht-Gegenden zuständig war. Connolly dagegen spricht fließend Irisch. Sie kündigte ihre Kandidatur in einem irischsprachigen Radiosender an. In den Debatten wirkte sie auf viele Beobachter frisch und geradezu präsidentiell.

Für Sinn Féin geht es um 2030

Auch zur irischen Wiedervereinigung, einem zentralen Thema im Wahlkampf, hat Humphreys die langweiligere Position. Aufgabe der künftigen Präsidenten sei es, den pro-britischen Unionisten im Norden "die Hand der Freundschaft" zu reichen. Politisch mag das vernünftig sein, im Wahlkampf war es ein Rohrkrepierer. Catherine Connolly sagte schlicht, die irische Wiedervereinigung sei "ausgemachte Sache".

Auch das ist ein Grund, warum Sinn Féin sie unterstützt. Für Sinn Féin, historisch die älteste irische Partei, von der sich Fianna Fáil und Fine Gael einst abgespalten haben, steht die Wiedervereinigung Irlands weiterhin an erster Stelle. Das gilt auf der Bekenntnisebene auch für die anderen Parteien, zumal die Wiedervereinigung in der irischen Verfassung steht. Praktisch überwiegt jedoch meist ein politischer Pragmatismus, der den Status quo akzeptiert.

Über Jahrzehnte spielte Sinn Féin in der Republik keine Rolle - ganz im Gegensatz zu Nordirland, wo sie bis zum Karfreitagsabkommen von 1998 der politische Arm der Terrorgruppe IRA war. Noch Ende der 1990er Jahre konnte Sinn Féin lediglich einen Abgeordneten ins Parlament nach Dublin schicken. Im aktuellen Dáil Éireann ist die Partei in etwa gleichauf mit Fianna Fáil und Fine Gael, früher die einflussreichsten Parteien der Republik. Die Umfragen führt Sinn Féin derzeit klar an.

Angesichts der Stärke von Sinn Féin in den Umfragen hatten viele Beobachter erwartet, dass die Partei einen eigenen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen nominiert. Den fand Parteichefin Mary Lou McDonald offenbar nicht. Sie argumentierte, die Unterstützung Connollys diene Sinn Féins übergeordnetem Ziel, Allianzen innerhalb der Linken zu bilden, um die etablierten Parteien zu verdrängen. Sie selbst wollte nicht Präsidentin werden, sie hat das Amt der Regierungschefin im Auge. Spätestens Anfang 2030 muss ein neues Parlament gewählt werden.

Connollys Anhänger setzen auf einen Aufbruch

Trotz der aktuellen Krawalle vor einer Asylbewerberunterkunft in Dublin hat Irland bis heute keine erfolgreiche rechtsradikale Partei. Grob gesagt übernimmt Sinn Féin in Irland die Funktion einer populistischen Protestpartei, deren Aufstieg auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten ist - mit dem Unterschied, dass Sinn Féin links ist und stolz auf die eigene antikoloniale Tradition; eine Haltung, die in Irland bis weit in den politischen Mainstream verbreitet ist.

Connolly (oder Humphreys) wäre bereits die dritte Präsidentin in Irland. Ähnlich wie in Deutschland ist das Amt vor allem repräsentativer Art. Dadurch, dass der Präsident beziehungsweise die Präsidentin vom Volk gewählt wird, hat der Wahlkampf allerdings eine vollkommen andere Bedeutung als die Wahl des Bundespräsidenten in Deutschland. Auch das Gewicht ist ein anderes, was auch am aktuellen Amtsinhaber und seinen zwei Vorgängerinnen liegt.

Der amtierende Präsident Michael D. Higgins - Michael D., wie er in Irland genannt wird - war vor seiner Zeit als Präsident in der Labour Party aktiv, ist aber als Dichter und Musikjournalist bekannt. Seine konservative Vorgängerin Mary McAleese kam als Flüchtling aus Nordirland, was für sich genommen schon ungewöhnlich war. Vor McAleese amtierte Mary Robinson, die spätere UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Sie war nicht nur die erste Frau im Amt, sondern auch die erste Person an der Spitze des irischen Staates, die nicht Fianna Fáil angehörte. Sie war damals die Verkörperung eines gesellschaftlichen Aufbruchs. Ähnliches erwarten ihre Anhänger heute von Connolly, mit dem Unterschied, dass sie sich als Präsidentin in zentralen politischen Fragen nicht groß von ihrem Vorgänger abheben wird.

Die Wahllokale in Irland schließen um 22.00 Uhr Ortszeit. Offiziell gibt es drei Kandidaten, da der Name des ehemaligen Football-Managers, Jim Gavin, weiterhin auf den Stimmzetteln steht. Das Wahlverfahren enthält die Möglichkeit einer ersten und zweiten Präferenz, wodurch eine Stichwahl überflüssig wird. Die Auszählung, die am Samstagmorgen beginnt, wird dadurch komplizierter. Das Ergebnis soll am Samstagnachmittag vorliegen.

Quelle: ntv.de

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