Druckmittel "Brexit" EU-Gipfel weist Cameron in die Schranken
17.12.2015, 18:52 Uhr
Der britische Premier David Cameron und Kanzlerin Merkel verhandeln darüber, wie sich ein "Brexit" verhindern lässt.
(Foto: REUTERS)
Der britische Premier will von seinen Partnern in der EU Sonderrechte. Im Gegenzug verspricht er, seinen Landsleuten den Verbleib in der Union schmackhaft zu machen, bevor die Briten darüber abstimmen. Doch jetzt bekommt er kräftigen Gegenwind.
Den "Brexit" verhindern, aber nicht auf Kosten von Freizügigkeit und Nichtdiskriminierung: Mit der klaren Haltung haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele ihrer Kollegen den britischen Premierminister David Cameron auf dem EU-Gipfel in die Schranken gewiesen. Als "inakzeptabel" brandmarkten Frankreichs Staatschef François Hollande und Gipfelchef Donald Tusk Camerons wichtigsten Wunsch, vor dem EU-Referendum in seinem Land Sozialleistungen für EU-Ausländer zu kappen.
Die EU lässt sich auf Reformverhandlungen ein, um Großbritannien in der Union zu halten. Eine Lösung wird für den Februar-Gipfel angestrebt. Cameron hatte vor dem Gipfel klar gemacht, dass er Zugeständnisse haben will und "echte Fortschritte" eingefordert. Nur dann will er für den Verbleib des Königreichs in der EU kämpfen.
Der britische Premier lässt seine Landsleute spätestens 2017 über einen Verbleib in der Europäischen Union oder einen Austritt ("Brexit") abstimmen. Einen Termin gibt es bisher nicht. Da die Briten in der Frage gespalten sind, erscheint der "Brexit" derzeit keinesfalls als unrealistisches Szenario - was dramatische Folgen für Großbritannien und die EU hätte.
Vor der Abstimmung will Cameron die britische Stellung in der EU so reformieren, dass London mehr Einfluss bekommt und sich zugleich nicht an einer engeren Integration beteiligen muss. Seine umstrittenste Forderung: Um den Zuzug von EU-Ausländern zu beschränken, sollen sie in ihren ersten vier Jahren von allen Sozialleistungen abgeschnitten werden.
Merkel will Prinzipien nicht opfern
Doch erpressen lassen wollen sich Merkel und ihre Kollegen nicht: Sie werde zwar "in dem Geist" verhandeln, "dass wir von unserer Seite aus gerne Großbritannien als Mitglied der EU erhalten wollen", sagte die Kanzlerin. Um hinzuzufügen, dass "wir die Grundfreiheiten Nichtdiskriminierung und Freizügigkeit, die Grundprinzipien der Europäischen Union, nicht einschränken wollen". Eine Lösung könne nur gefunden werden, "wenn alle Seiten aufeinander zugehen".
EU-Ratspräsident Tusk sagte, Mitgliedstaaten seien zwar bereit, über Camerons Reformvorschläge zu sprechen. "Einige Teile der britischen Forderungen scheinen nicht hinnehmbar." Hollande forderte Cameron auf, seine Vorschläge zu präzisieren. Es sei legitim, dem britischen Premierminister zuzuhören. "Aber es ist inakzeptabel, etwas auf den Prüfstand zu stellen, auf dem das europäische Engagement gründet." Nur wenn Camerons Wünsche im Einklang mit den EU-Verträgen stünden, könne die Verhandlung gelingen.
Auch die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite warnte, "wir können nicht hinnehmen, dass unsere Bevölkerung diskriminiert wird". Dem Vernehmen nach soll nach Alternativlösungen gesucht werden.
Osteuropäer gegen Einschränkungen
Lediglich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuchte sich in Optimismus. Er sei "ziemlich überzeugt, dass wir eine Lösung für dieses hoch komplizierte Problem finden", sagte er. Allerdings sieht auch er dafür nur eine Chance, wenn Cameron seine Vierjahresregel für EU-Ausländer abschwächt. Sein Angebot: "Die Kommission ist bereit, nach anderen Möglichkeiten zu suchen."
Auch Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei lehnen die von Großbritannien geforderten Einschränkungen bei der Freizügigkeit innerhalb der EU grundsätzlich ab. Das teilten die Ministerpräsidenten der sogenannten Visegrad-Gruppe nach einem Treffen mit dem britischen Premier David Cameron in Prag mit. Eine Einigung, die diskriminierend sei, würde bei ihnen keine Unterstützung finden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Hunderttausende Polen leben und arbeiten in Großbritannien. Für andere Reformvorschläge Camerons wie einer Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente signalisierten die Länder indes Zustimmung.
Quelle: ntv.de, hul/AFP/dpa