Ist Grexit nur Theorie? Euro-Mitgliedschaft derzeit unwiderrufbar
05.01.2015, 14:25 Uhr
Die Diskussion hat die Anleger am Montag erneut verunsichert.
(Foto: dpa)
Der geltende EU-Vertrag sieht keinen Ausstieg eines Mitgliedstaates aus dem Euro vor. Ist Grexit also nur reine Spekulation? Die Diskussion darüber bezeichnet Syriza-Chef Tsipras als "Schreckgespenst", mit dem die Griechen verunsichert werden sollen.
Angesichts der Spekulationen über einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone hat die EU-Kommission darauf verwiesen, dass die Mitgliedschaft in der Währungsunion nicht einfach aufgegeben werden kann. "Die Euro-Mitgliedschaft ist unwiderruflich", sagte eine Sprecherin der Behörde in Brüssel. Es gebe in den europäischen Verträgen keine Bestimmung, die einen Austritt vorsehe. Ob die Bestimmungen geändert werden könnten, sagte die Sprecherin nicht.
Gerade ist Litauen als 19. Mitglied in die Währungsunion aufgenommen worden und die Kommission erwartet, dass dies nicht das Ende der Ausweitung sein wird. Was die Parlamentswahlen in Griechenland Ende Januar angehe, warte die EU deren Ergebnis ab, so die Sprecherin.
In Griechenland selbst ist zurzeit noch völlig unklar, wie die Bürger bei der Wahl in knapp drei Wochen abstimmen werden. Die in Umfragen führenden Linkspartei Syriza tritt zwar für ein Ende des Sparkurses ein, der dem hoch verschuldeten Land von den internationalen Geldgebern auferlegt wurde, doch am Euro selbst wollen weit über 70 Prozent der Griechen festhalten. Zudem schmilzt der Vorsprung der Syriza gegenüber der regierenden Nea Dimokratia, wie eine neue Umfrage zeigte. Dabei legten Syriza und Nea Dimokratia auf Kosten kleinerer Parteien zu - nur ihr Abstand hat sich verringert.
Tsipras spricht von einem "Schreckgespenst"
Syriza-Chef Alexis Tsipras brandmarkte die Debatte über einen Euro-Austritt des Landes derweil als "Schreckgespenst". Der konservative Regierungschef Antonis Samaras und seine Hintermänner würden dieses "Schreckgespenst nutzen, um die Wähler zu terrorisieren", sagte Tsipras. Dies werde ihnen nicht gelingen. Er kündigte an, dass seine künftige Regierung hart mit den Geldgebern für eine Lockerung der Sparmaßnahmen und einen Schuldenschnitt verhandeln werde. Die Griechen könnten keine Sozialkürzungen mehr ertragen. Einseitige Maßnahmen werde es von seiner Seite nicht geben. "Es sei denn, wir werden dazu gezwungen", fügt Tsipras doppeldeutig hinzu.
Samaras warnt die Griechen immer wieder davor, ohne die Einhaltung des Reformprogramms werde Griechenland nicht aus der Rezession heraus kommen und nie an die Finanzmärkte gehen können. Athen brauche auf den letzten Kilometern des Marathonlaufs zum Ende der Finanzkrise noch die Hilfe seiner Partner, meint Samaras. Er hebt hervor, dass sein Hauptkontrahent Tsipras das Land zum Austritt aus der Eurozone führen werde.
Berlin erwartet keine Ausfälle
Die Bundesregierung geht davon aus, dass Griechenland trotz der anstehenden Parlamentswahl seine Kredite zur Bewältigung der Finanzkrise weiter bedienen wird. Die Frage eines Kreditausfalls stelle sich zurzeit überhaupt nicht, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Berlin. "Wir erwarten und gehen davon aus, dass Griechenland sich an die Verträge hält." Die Frage nach einem Austritt des Landes aus der Euro-Zone eröffne lediglich eine hypothetische Diskussion.
Zudem wies die Bundesregierung den Vorwurf zurück, sie wolle sich in den laufenden Wahlkampf in Griechenland einmischen. "Wir respektieren die souveräne Entscheidung der griechischen Wähler und warten jetzt einmal ab", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Er bekräftigte, es gebe keinen Kurswechsel in der Politik gegenüber Athen. Am Wochenende hatten Berichte für Wirbel gesorgt, Berlin halte bei einem Sieg Tsipras' bei der Parlamentswahl am 25. Januar einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone für verkraftbar.
Grexit würde teuer werden
Der SPD-Finanzpolitiker und Fraktionsvize Carsten Schneider warnt in der Debatte vor den Folgen eines Euroaustritts. Seiner Einschätzung nach würde ein solcher Schritt Deutschland 30 Milliarden Euro oder mehr kosten, sagte Schneider. "Wir haben fast 240 Milliarden an Krediten an Griechenland gegeben, um sie zu stabilisieren und im Euro zu halten." Bei einem Umstieg auf die Drachme und einer Abwertung könnte Athen das nicht zurückzahlen.
Auch die Auffassung, dass ein Grexit heute besser beherrschbar wäre als noch vor einigen Jahren, teilt Schneider nicht. "Es würde auseinandergehen. Jeder Spekulant würde zu Recht dann spekulieren, "schauen wir mal, ob die tatsächlich Italien halten können"". Ein kleines Land könne man vielleicht retten, "aber auf gar keinen Fall ein großes wie Italien oder Frankreich".
Athener Börse auf Talfahrt
Die Diskussion um einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone hat Anleger am Montag erneut verunsichert. Der Leitindex der Athener Aktienbörse fiel um 2,6 Prozent und hat damit seit der überraschenden Ankündigung vorgezogener Präsidentenwahlen Anfang Dezember mehr als 20 Prozent eingebüßt. Griechische Staatsanleihen warfen Investoren ebenfalls aus ihren Depots. Dies gilt als Krisensignal, da üblicherweise Papiere mit einer längeren Laufzeit höher verzinst werden als kürzer laufende.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa/rts