Politik

Griechenland und der Euro-Austritt Warum Merkel drohen muss

Wolfgang Schäuble und Angela Merkel finden angeblich, dass die Währungsunion einen Austritt Griechenlands verkraften könne.

Wolfgang Schäuble und Angela Merkel finden angeblich, dass die Währungsunion einen Austritt Griechenlands verkraften könne.

(Foto: imago/Rainer Unkel)

Die Bundeskanzlerin will nicht, dass Griechenland die Drachme einführt. Trotzdem redet sie darüber. Sie muss das tun. Etwas anderes bleibt ihr kaum übrig.

Man muss nicht die Recherche-Fähigkeiten der "Spiegel"-Kollegen infrage stellen, um zu erahnen, dass die große Geschichte vom Wochenende bewusst von der Bundesregierung lanciert wurde. Das Magazin meldet, in europäischen Regierungen löse der Austritt Griechenlands aus dem Euro "keine Panik mehr aus". Hintergrund ist, dass der sozialistische Politiker Alexis Tsipras Chancen hat, Ende Januar griechischer Ministerpräsident zu werden. Dann würde er wohl mindestens die Bedingungen für die Notkredite von der EU neu verhandeln wollen, vielleicht würde er auch gar nichts mehr bezahlen wollen. Die Bundesregierung erwäge darum Szenarien, wie der "Grexit", der griechische Euro-Austritt, vonstatten gehen könne, schreibt der "Spiegel" – und sie bleibe dabei "reichlich gelassen".

Die Kanzlerin möchte sich nicht selbst vor die Presse stellen und den Griechen drohen – das könnte ihr als schlechter Stil ausgelegt werden. Aber sie will die 65 Milliarden, die Griechenland Deutschland schuldet, auch nicht kampflos aufgeben. Darum wählt die Regierung den sanften Weg: Sie teilt ihre Botschaft einzelnen Journalisten mit, verbietet aber, die Quelle der Information zu nennen – so läuft es häufig in Berlin. Notfalls, wenn der Euro abstürzt oder der politische Gegenwind zu hart wird, könnte sich die Kanzlerin so im Nachhinein von ihrer eigenen Botschaft distanzieren. Ihr Sprecher tat das heute in der Bundespressekonferenz nicht, bestätigte aber auch nichts.

Gut möglich, dass es so ist, wie es der "Spiegel" darstellt. Noch wahrscheinlicher ist allerdings, dass dies die Botschaft ist, die Kanzlerin und Finanzminister rüberbringen möchten. Beides kann das gleiche sein, muss es aber nicht.

Eine neue Drachme wäre nicht viel wert

Es handelt sich also erst einmal um eine Drohung, wie sie in dieser Situation erwartbar ist. Was soll Merkel auch sagen? "Wir stehen zu Griechenland, egal was passiert" vielleicht? Der Sozialist Tsipras könnte dann seine Milliarden-teuren Wahlversprechen umsetzen, den einigermaßen sanierten Haushalt wieder tief in die roten Zahlen schieben und darauf vertrauen, dass die EU sein Land nicht aufgibt. Für europäische Steuerzahler wäre das teuer: Denn sie müssten den Griechen das benötigte Geld leihen, ohne große Hoffnungen haben zu können, es je wiederzusehen.

Um das zu verhindern, hält Merkel Tsipras ein anderes Szenario vor: Wenn er mit dem Geld nicht auskommt, muss er selbst sehen, wo er neues herbekommt. Der Überschuss, den Griechenland derzeit erwirtschaftet, wenn man den Schuldendienst nicht berücksichtigt, wäre durch Tsipras' Wahlversprechen schnell aufgebraucht. Der naheliegendste Weg wäre darum, eigenes Geld zu drucken – dazu bräuchte Griechenland aber wieder eine eigene Zentralbank, also auch eine eigene Währung. Eine neu eingeführte Drachme würde schnell an Wert verlieren, was positive und negative Effekte hätte. Langfristig würde Griechenland davon profitieren, billig Waren ins Ausland verkaufen zu können, Urlaubsreisen etwa oder Solarstrom. Kurzfristig würde es aber darunter leiden, dass Waren aus dem Ausland sehr teuer wären, Öl und Gas zum Beispiel. Bis die Solaranlagen aufgebaut sind, wäre es eine Luxusinvestition, ein Haus zu heizen oder Auto zu fahren. Ob die positiven oder die negativen Effekte überwiegen, ist schwer vorherzusagen.

Kompromisse sind möglich

Gleiches gilt für den Rest der Euro-Zone. Angeblich würde sie, anders als vor wenigen Jahren, eine griechische Staatspleite nun verkraften. Sicher ist das aber nicht. In jedem Fall aber wäre ein Austritt Griechenlands eine politische Niederlage für die Kanzlerin, die sie nicht leichtfertig in Kauf nehmen wird. Merkel steht für Stabilität und die Vermeidung von unliebsamen Überraschungen. Unnötige Risiken einzugehen, passt nicht zu ihr und würde auch ihren Wählern nicht gefallen. Und Merkel will wohl kaum als die Kanzlerin in die Geschichte eingehen, unter der Europa zu zerbröckeln angefangen hat.

Selbst wenn Tsipras und seine Partei Syriza die Wahl am 25. Januar gewinnt, werden sich beide Seiten also an einen Tisch setzen und verhandeln. Tsipras wird mit dem Schuldenschnitt drohen, Merkel mit dem Kürzen der Kredite. So lange es Kompromisse gibt, die beide zuhause als Erfolg verkaufen können, muss es zu keinem der Schreckensszenarien kommen. Und solche Kompromisse gibt es: Es wäre nicht das erste Mal, dass Griechenland mehr Geld bekommt oder mehr Zeit, um ein Ziel zu erreichen.

Quelle: ntv.de

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