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Bundeskanzlerin Merkel ist zu neuen Verhandlungen mit Griechenland bereit – nach dem Referendum. Natürlich nur dann, wenn die Griechen dem Vorschlag der Institutionen vorher zustimmen.
Eine Botschaft war klar in Brüssel und Berlin: Liebe Griechen, macht euer Kreuz im Referendum am kommenden Sonntag nicht an der falschen Stelle. Die falsche Stelle, das wäre ein "Oxi", ein Nein zu einer Einigung mit den Institutionen und den anderen Regierungen der Eurogruppe. "Keiner will von außen das Abstimmungsverhalten mündiger griechischer Bürger, eines stolzen Volkes, beeinflussen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem gemeinsamen Auftritt mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor der Presse. Aber natürlich wollten beide genau das.
Merkel überließ es Gabriel, den Griechen die Konsequenzen ihres möglichen Abstimmungsverhaltens deutlich zu machen. Bei dem Referendum gehe es im Kern die Frage "Ja oder Nein zur Eurozone", sagte der SPD-Chef. Bei einem Ja müssten die anderen Regierungen der Eurozone zu weiteren Verhandlungen bereit sein – für die Bundesregierung gelte dies jedenfalls. Offensichtlich weiß die Bundesregierung die Eurozone bei diesem Thema hinter sich: Nahezu alle Staats- und Regierungschefs würden sich in den nächsten Tagen ähnlich positionieren, kündigte Merkel an.
Ein Nein im Referendum wäre dagegen "ein klarer Entscheid gegen den Verbleib im Euro", so Gabriel. Für einen kurzen Moment wurden Erinnerungen wach an einen anderen Auftritt im Kanzleramt im Oktober 2008: Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück von der SPD verkündeten, die Spareinlagen der Deutschen seien sicher.
Dieses Mal wurden die deutschen Spareinlagen nicht erwähnt. Im Gegenteil, Merkel und Gabriel versuchten, eine Stimmung konzentrierter Gelassenheit zu verbreiten. Heute könne Europa mit einer solchen Herausforderung umgehen, betonte die Bundeskanzlerin. Gabriel sagte, wie auch immer Griechenland entscheide, "wir sind sicher, der Euro bleibt eine starke und sichere Währung". Auswirkungen auf den Bundeshaushalt befürchtet die Bundesregierung nicht. "Alle Spekulationen mit riesigen Milliardenbeträgen sind aus der Luft gegriffen", sagte Merkel, die gemeinsam mit Gabriel zuvor die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsparteien informiert hatte.
Juncker lobt Angebot an Griechenland

Junckers Botschaft: "Man sollte nicht Selbstmord begehen, weil man Angst vor dem Tod hat."
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Bereits am Vormittag hatte sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel ganz ähnlich geäußert. Ein Nein beim Referendum wäre "ein Nein zu Europa", sagte er. Dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras machte Juncker schwere Vorwürfe. Dieser habe ihn in stundenlangen Verhandlungen nicht darüber informiert, dass er eine Volksabstimmung plane.
Zugleich verteidigte Juncker das europäische Angebot an die griechische Regierung. "Das ist kein stupides Sparpaket", sagte er. "Es gibt keine Lohnkürzungen und keine Rentenkürzungen in dem Paket" – eine Darstellung, die von der griechischen Regierung vehement bestritten wird. Juncker sagte, die Eurogruppe sei bereit gewesen, schon von diesem Herbst an Maßnahmen zur Entlastung bei den Staatsschulden auf den Weg zu bringen. Außerdem könne Griechenland bis zum Ende des Jahrzehnts 35 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für Wachstum und Investitionen erhalten.
Auch Gabriel verwies auf diese Summe. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" handelt es sich allerdings nicht um ein zusätzliches Investitionspaket, sondern um Zuschüsse, die Griechenland wie andere EU-Länder auch bis 2020 aus den Fördertöpfen der Gemeinschaft abrufen kann.
Merkel geht es um Prinzipien
An Junckers Darstellung schlossen sich Merkel und Gabriel an. Der SPD-Chef sagte, das letzte Angebot der Institutionen und der Eurogruppe sei "qualitativ neu" gewesen und habe "Rücksicht genommen auf die sozialen Härten". Merkel kritisierte, auf der griechischen Seite habe es keinen Willen zu einem Kompromiss gegeben.
Zugleich war die Bundesregierung bemüht, den eigenen Willen zum Kompromiss zu demonstrieren. Sollte die griechische Regierung nach dem Referendum um Verhandlungen bitten, "werden wir uns dem nicht verschließen". Bis dahin soll es offenbar weder Verhandlungen noch finanzielles Entgegenkommen geben. Für eine Zwischenfinanzierung für Griechenland gebe es "keine Rechtsgrundlage", so Merkel.
Bei der Kritik an der griechischen Regierung schlug der SPD-Chef einen etwas härteren Ton an als die Kanzlerin. Der fundamentale Unterschied zwischen der griechischen Regierung und den anderen Regierungen der Eurozone bestehe darin, "dass sich die griechische Regierung nicht an die Vereinbarungen halten wolle". Die Regierung in Athen habe "die praktische Hilfe" abgelehnt, "weil sie politisch, man kann wohl auch sagen ideologisch, eine andere Eurozone will".
Wie bereits am Vormittag bei einer Feier zum 70. Jahrestag der CDU-Gründung präsentierte Merkel eine Interpretation ihres alten Satzes "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa". Dieser Satz bedeute, dass es Grundsätze gebe, auf denen die europäische Wirtschafts- und Währungsunion aufgebaut sei. Würden diese Prinzipien nicht mehr eingehalten, dann scheitere der Euro. Bei der CDU-Veranstaltung hatte sie gesagt, man könne diese Prinzipien zwar kurzfristig aufgeben, "aber ich sage, mittel- und langfristig werden wir Schaden nehmen".
Quelle: ntv.de, mit dpa