Für wen arbeitet der BND? Fahimi attackiert das Kanzleramt
01.05.2015, 06:17 Uhr
Was treibt der deutsche Nachrichtendienst mit der NSA? Und was wusste das Kanzleramt? Die Spionageaffäre zieht immer größerer Kreise. Nach der Opposition sieht nun auch die SPD die deutsche Regierungszentrale im Zwielicht.
Der BND-Skandal reißt immer tiefere Gräben in die Große Koalition: Nach gravierenden Vorwürfen aus den Reihen der Grünen und der Linken wächst selbst bei der SPD die Kritik am Verhalten der Bundesregierung.
"Die Aufsicht des Kanzleramts über den BND scheint kläglich versagt zu haben", sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der "Passauer Neuen Presse" mit Blick auf die Affäre rund um den Bundesnachrichtendienst. "Das Kanzleramt, das seit zehn Jahren von der CDU geführt wird, trägt die Verantwortung dafür, dass sich der deutsche Geheimdienst ordentlich verhält."
Die fragliche Zusammenarbeit zwischen BND und den Amerikanern reicht laut bisher vorliegenden Angaben allerdings zurück bis ins Jahr 2004. Damals war der SPD-Politiker und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier als Kanzleramtschef an der Aufsicht der deutschen Geheimdiensttätigkeiten zumindest beteiligt.
Existenz des BND steht auf dem Spiel
Die im Raum stehenden Vorwürfe wiegen schwer: Im Kern geht es um Fragen der verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte, um politisch brisante Abhöraktionen unter befreundeten Staaten und womöglich auch um die Beihilfe einer deutschen Behörde zur Wirtschaftsspionage - alles angeblich mit Rückendeckung aus dem Kanzleramt. Die Empörung ist gewaltig: Wenn die Bundesregierung die Vorwürfe nicht schnell und restlos aufklären kann, heißt es, steht letztlich nicht nur die Existenzberechtigung des Bundesnachrichtendienstes, sondern auch die Glaubwürdigkeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Spiel.
Einem Zeitungsbericht zufolge soll der US-Geheimdienst NSA versucht haben, über die Zusammenarbeit mit dem BND auch österreichische Behörden auszuspionieren. Der BND habe in seiner Station im bayerischen Bad Aibling die aufgefangenen Kommunikationen im US-Auftrag unter anderem nach dem Suchbegriff "Bundesamt" durchsucht, berichtet die "Bild am Sonntag" vorab. Dieser Suchbegriff habe sich gegen Österreich gerichtet.
"Kritische Fragen" an De Maizière
Früheren Medienberichten zufolge nutzte die NSA die BND-Technik auch zum Ausspähen hochrangiger Beamter des französischen Außenministeriums und des Präsidentenpalastes sowie der EU-Kommission in Brüssel. Auf die Frage nach Vorwürfen an Innenminister Thomas de Maizière (CDU), eine parlamentarische Anfrage zur NSA-Spionage falsch beantwortet zu haben, sagte Fahimi: "Natürlich gibt es kritische Fragen, auch an ihn. Meines Wissens hat aber gar nicht sein Haus, sondern das Kanzleramt jene Passage in der Anfrage formuliert, über die es jetzt so viel Aufregung gibt." Sie fügte hinzu: "Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, schließe ich auch personelle Konsequenzen nicht aus."
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte das Kanzleramt unterdessen dazu auf, dem Untersuchungsausschuss die Akten mit detaillierten Angaben zur Masse der Ausgespähten zu übergeben. Dabei geht es vor allem um eine Liste mit mehreren zehntausend sogenannter "Selektoren", die dem NSA als Suchbegriffe bei der Spionagearbeit dienen sollten. Nach deutschem Recht hätten sie nie übermittelt werden dürfen.
Sensburg: "Die Amerikaner kooperieren"
Anders als aus Sicht der Grünen und der Partei Die Linke funktioniert für den Vorsitzenden des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg, die Aufklärungsarbeit gut. "Die Bundesregierung hat bisher alle Dokumente, die wir haben wollten, übermittelt", erklärte der CDU-Politiker.
"Auch die Amerikaner kooperieren. Das ist zwar nicht immer leicht, aber so ist das international nun einmal", sagte er der "Neuen Westfälischen". "Die Aufklärungsarbeit funktioniert aber im Ergebnis, wie man ja sieht." Sie dauert jedoch, wenn man sie gründlich mache.
Personelle Konsequenzen nicht auszuschließen
Selbst in Regierungskreisen wird dem Skandal um das Treiben beim BND inzwischen offenbar eine große politische Dimension zugemessen. Personelle Konsequenzen von Verantwortlichen bei BND und Regierung seien nicht mehr auszuschließen, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Vor einer Woche waren konkrete Vorwürfe ans Licht gekommen, dass die NSA mittels BND-Technik über Jahre hinweg europäische Unternehmen und Politiker ausforschte. Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs von der Abhörstation Bad Aibling aus abertausende Suchmerkmale (Selektoren) - wie etwa Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern - zu Zielen in Europa.
Der BND informierte das Kanzleramt über unzulässige Spähversuche der Amerikaner bereits vor Jahren. Doch erst als der NSA-Untersuchungsausschuss nachhakte, stellte die Regierung intensivere Nachforschungen an und weiß angeblich erst seit März detaillierter Bescheid. Das genaue Ausmaß der Affäre ist aber noch unklar. Der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus, der sich aufgrund der Berichte zu den unmittelbar Geschädigten zählen muss, kündigte an, wegen des Verdachts der Industriespionage Strafanzeige gegen Unbekannt zu stellen.
Quelle: ntv.de