Der weite Weg nach Norden Flüchtlinge auf Fähren nach Schweden
10.09.2015, 21:39 Uhr
Mittlerweile sind 40.000 Flüchtlinge seit Samstag allein in München angekommen. Einige von ihnen wollen weiter nach Schweden. Auf dem Weg müssen sie herausfinden, wie sie durch oder an Dänemark vorbeikommen. Das dürfte Alltag werden - noch immer sind Tausende auf der Balkan-Route unterwegs.
Mehrere hundert Flüchtlinge sind mit Ostseefähren von Deutschland nach Schweden weitergereist. Etwa 200 Flüchtlinge legten am Abend mit einer Fähre der Stena Line von Kiel nach Göteborg ab. Nach Angaben der Bundespolizei gingen in Rostock rund 120 Flüchtlinge an Bord einer Fähre mit Ziel Trelleborg. Bis zu 200 weitere Flüchtlinge sollen am späten Abend eine Nachtfähre nehmen. An den Terminals herrschte eine ruhige Atmosphäre. "Das ist alles ziemlich problemlos gelaufen", sagten Polizeisprecher in Kiel und Rostock.
In Kiel bezahlten die deutschen Behörden für etwa 50 Flüchtlinge, die kein Geld hatten, die Tickets. 150 Flüchtlinge waren mit Bussen aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Boostedt (Kreis Segeberg) nach Kiel gebracht worden. Dorthin waren sie am Vorabend von Flensburg aus gekommen. Rund 50 Flüchtlinge kamen selbstständig zum Kieler Fährterminal, um ebenfalls die Fähre nach Schweden zu nehmen. Die Reise der Flüchtlinge in Richtung Skandinavien war am Mittwoch in Flensburg gestoppt worden, weil die dänische Bahn zuvor auf Anweisung der Polizei angesichts Hunderter ankommender Flüchtlinge den Zugverkehr zwischen Deutschland und Dänemark vorübergehend eingestellt hatte.
Österreich sperrt die Bahnstrecke
Mit der Sperrung des Bahnverkehrs zwischen Österreich und Ungarn hatte sich zuvor die Flüchtlingskrise in Südosteuropa wieder verschärft. Wegen des Andrangs aus Ungarn und des damit verbundenen Sicherheitsrisikos stellte die österreichische Bahn ÖBB den Zugverkehr in beide Richtungen vorübergehend ein. In Budapest drängten trotzdem Hunderte geflüchtete Menschen in die Züge Richtung Westgrenze.
Die USA kündigten am Abend an, deutlich mehr Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen als bisher angesagt. Statt 1500 sollen demnächst 10.000 ins Land dürfen. In Dänemark wurde der vorübergehend gestoppte Zugverkehr mit Deutschland wieder freigegeben.
Nach Angaben der Polizei stieg die Zahl der aus Ungarn kommenden Flüchtlinge in Österreich wieder an. Tagsüber passierten demnach auch etwa 1000 Menschen zu Fuß die ungarisch-österreichische Grenze. Die ÖBB nannte als Grund für die Unterbrechung des Bahnverkehrs die "massive Überlastung" der aus Ungarn kommenden Züge. Das Sicherheitsrisiko sei zu groß, sagte ÖBB-Sprecher Michael Braun.
"Die aus Ungarn kommenden Züge sind so dermaßen überfüllt, dass wir sie auf keinen Fall weiterfahren lassen können. In Österreich dürfte so ein Zug den Bahnhof gar nicht verlassen." Bis auf Weiteres sollten keine Tickets für Fahrziele in Ungarn verkauft werden. Nahe des Wiener Westbahnhofs wurde unter anderem ein Aufnahmelager mit rund 600 Betten eingerichtet. Wien liegt an der Hauptflüchtlingsroute von Ungarn in Richtung Deutschland.
Sonderzüge von Bayern nach NRW
Angesichts der dramatischen Zustände hat Deutschland seit dem Wochenende Tausende Flüchtlinge aufgenommen, die zuvor in Ungarn festsaßen. Und noch immer kommen viele Flüchtlinge nach München. Die Regierung von Oberbayern geht von bis zu 6000 innerhalb von 24 Stunden aus. Die Zahl der Migranten, die seit Samstag in der Landeshauptstadt eintrafen, stieg damit auf rund 40.000.
Zwei regelmäßige Sonderzüge mit Flüchtlingen sollen von diesem Freitag an aus Bayern nach Nordrhein-Westfalen fahren, um den Hauptbahnhof München zu entlasten. Jeweils bis zu 500 Migranten kämen dadurch täglich nach Düsseldorf und Dortmund, sagte die Sprecherin der Regierung von Oberbayern, Simone Hilgers, in München. Möglicherweise könnten die Züge aus Österreich an München vorbei Richtung Norden geleitet werden.
Der Reiseverkehr zwischen Deutschland und Dänemark normalisierte sich am Donnerstag wieder weitgehend. Kein Weiterkommen gab es jedoch auf der sogenannten Vogelfluglinie. Die Bahnen könnten nicht auf die Fähren von Puttgarden nach Rødby auf der Insel Lolland fahren, weil die dänische Bahngesellschaft DSB der Deutschen Bahn die Züge nicht abnehme, sagte eine Bahnsprecherin. Dort waren am Mittwoch Hunderte Menschen angekommen.
Flüchtling macht Selfie mit Merkel
Viele hatten sich geweigert, die Züge zu verlassen, um nicht in Dänemark registriert zu werden. Die meisten wollten weiter nach Schweden. Dänemark hatte die Hilfen für anerkannte Flüchtlinge zum 1. September zum Teil um die Hälfte gekürzt - mit dem Ziel, Asylbewerber fernzuhalten. Auch in Dänemark halfen viele Bürger freiwillig und spontan den eintreffenden Flüchtlingen und kritisierten ihre Regierung für ihren harten Kurs.
Bundeskanzlerin Angela Merkel dankte derweil Behörden und Helfern für ihren anstrengenden Einsatz bei der Flüchtlingsbetreuung. Die rasche Integration der Flüchtlinge habe oberste Priorität. Erst solle möglichst schnell das Bleiberecht geklärt werden, dann die Leute in Arbeit gebracht werden, sagte sie im Anschluss an den Besuch einer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Berlin. Dazu solle schnell Kontakt zwischen diesen Flüchtlingen und der Bundesagentur für Arbeit hergestellt werden.
Beim Besuch eines Flüchtlingslagers in Berlin-Spandau gab es heitere Szenen: Ein Flüchtling nutzte die Gelegenheit und machte ein Selfie-Foto mit der Kanzlerin, die brav mitspielte.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa/rts