
Dass die nächste Bundesregierung ohne CDU auskommt, erscheint derzeit ausgeschlossen - was es umso wahrscheinlicher macht, dass Merz dann Bundeskanzler würde.
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Von Montag an treffen sich 1001 Delegierte der CDU zum Parteitag in Berlin. Dabei sollen sie ein neues Grundsatzprogramm beschließen und Friedrich Merz als Vorsitzenden bestätigen. Der hat gerade einen Lauf.
Merz in der "Bild am Sonntag", Merz auf dem "Spiegel"-Cover, Merz in gleich zwei Dokus in ARD und ZDF - überall widmen sich die Medien ausgiebig dem CDU-Chef. Das hat einen Grund: Er könnte der nächste Bundeskanzler werden. Ja, tatsächlich: Fast alles spricht derzeit für Friedrich Merz. Die Kanzlerkandidatur dürfte er in der Tasche haben. Zumindest jetzt, anderthalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl erscheint es ausgeschlossen, dass es eine Regierung ohne Führung der Union geben wird. CSU-Chef Markus Söder lauert weiter auf seine Chance, aber nach seinem eher schwachen Landtagswahl-Ergebnis gehen ihm die Argumente aus. Obwohl Merz nicht besonders beliebt ist, wie jüngst das Trendbarometer von RTL und ntv zeigte.
Das ist die Ausgangslage vor dem Bundesparteitag der CDU ab diesem Montag in Berlin. Drei Tage lang treffen sich die 1001 Delegierten. Sie wählen den Bundesvorstand neu, dass Merz im Amt bestätigt wird, ist Formsache. Ob er sein gutes Ergebnis vom letzten Mal - 94,6 Prozent - noch überbietet oder darunter bleibt, interessiert in einigen Wochen niemanden mehr. Fakt ist: Der Sauerländer ist die unumstrittene Nummer 1 seiner Partei. Selbst NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat seine Kanzler-Ambitionen zurückgestellt - zuletzt stellte er sich klar hinter Merz.
In Umfragen ist die CDU mit gut 30 Prozent stärkste Kraft und damit in etwa so stark wie die drei Ampelparteien zusammen. Wäre an diesem Sonntag Bundestagswahl, gäbe es keine Regierung an der Union vorbei. Im Gegenteil, sie wäre es, die sich den Koalitionspartner aussuchen könnte. Sollen es die Grünen sein? Oder doch lieber die SPD? Oder eine Deutschlandkoalition? Jamaika? Alles ist möglich - aber nur, wenn die CDU mitspielt.
Partei zusammengehalten, von Ampelschwäche profitiert
Von so einer komfortablen Lage können andere Parteien nur träumen. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Auf dem gesamten Kontinent erreicht kaum eine Partei noch Werte wie die CDU. In Thüringen und Sachsen, wo am 1. September die Landtage neu gewählt werden, ist sie so etwas wie die letzte Hoffnung der Demokraten gegen die AfD. Die SPD ist dort nur noch eine Kleinpartei mit einstelligen Werten.
Dass die Lage für die Union aktuell so günstig ausfällt, ist nicht allein Merz' Verdienst, aber er hat zweifellos seinen Beitrag geleistet. Nach der Wahlniederlage vor zweieinhalb Jahren hielt er Fraktion und Partei zusammen. Nachdem er im dritten Anlauf Parteichef geworden war, erwies er sich keineswegs als der konservative Knochen, den sich manche erhofft hatten. Er erklärte soziale Gerechtigkeit zum wichtigsten Thema und stellte Überlegungen über eine schwarz-grüne Koalition an.
Doch ein Grund für die Stärke der Union ist auch die Schwäche der Ampel. Die hat trotz einiger Erfolge viel Vertrauen verspielt. Heizungsgesetz, Bürgergeld oder die Cannabis-Legalisierung lösten Kontroversen aus, auch der Mangel an Geschlossenheit dürfte eine Rolle gespielt haben. In ihrem Jahr wird eifrig darüber spekuliert, ob die Ampel überhaupt noch bis zum nächsten Herbst durchhält. Erfolgreiche Haushaltsverhandlungen sind dafür die Voraussetzung. Ob die gelingen, ist offen. Politiker und Beobachter sind sich einig, dass es verdammt schwer wird.
Schwache FDP im Interesse der CDU
Nicht zuletzt, weil Finanzminister Christian Lindner darauf besteht, die Schuldenbremse einzuhalten und von den Ministern Sparanstrengungen einfordert. Seine FDP steht mit dem Rücken zur Wand - sie kommt derzeit nur auf vier bis fünf Prozent in den Umfragen. Zum Jahreswechsel musste sie ein Mitgliedervotum über den Verbleib in der Ampel überstehen.
Auch wenn Merz und viele CDUler sagen, sie würden am liebsten mit der FDP koalieren, ist eine schwache FDP durchaus im Interesse der Partei. Denn beide Parteien sprechen ähnliche Wählergruppen an. Ist die FDP stark, geht es oftmals zu Lasten der Union - und umgekehrt. Ein Zweierbündnis ist auch deshalb unrealistisch. Wenn Schwarz-Gelb ohnehin unmöglich ist, hat die CDU also ein Interesse, die FDP kleinzuhalten.
Das gelingt im Moment ganz gut - mit Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann an der Spitze ist die CDU so wirtschaftsfreundlich wie selten zuvor. Linnemann war jahrelang Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung MIT. Der Generalsekretär ist so etwas wie Merz‘ Allzweckwaffe. Der Parteichef hatte den Paderborner Abgeordneten schon vor seiner Berufung beauftragt, ein neues Grundsatzprogramm zu schreiben. Nach 16 Jahren Angela Merkel mit Atom-Ausstieg, Wehrpflicht-Ende und Flüchtlingsaufnahme erschien das vielen in der Partei dringend notwendig.
Neues Grundsatzprogramm belebte Partei
Seit einigen Monaten steht der gut 70 Seiten starke Entwurf. Auf dem Parteitag sollen die Delegierten das Programm beschließen. Darin zeigt sich die CDU als konservative Volkspartei der Mitte. An mehreren Stellen wird der politische Islam kritisiert, das Asylrecht soll verschärft werden. Das Programm ist vor allem für die Partei selbst wichtig. Einhellig wird berichtet, dass der Prozess mit seinen Diskussionen und Debatten eine belebende Wirkung hatte. Viele haben nun wieder das Gefühl zu wissen, wofür die CDU steht. Für den gar nicht mehr so weit entfernten Wahlkampf ist das dringend erforderlich.
Mit dem härteren Kurs in Sachen Einwanderung will man auch AfD-Wähler zurückgewinnen. Merz hatte ursprünglich einmal gesagt, er wolle die Partei halbieren, das allerdings mittlerweile stark relativiert. Die Partei verliert zwar nach den Enthüllungen über das Treffen von Rechtsextremen in Potsdam und der Gründung der Wagenknecht-Partei BSW kontinuierlich an Boden. Aber Merz ist das nicht zuzuschreiben.
In ihre günstige Ausgangslage kamen Merz und die CDU mit einem konstruktiven, staatstragenden Kurs. Schaut man nach in andere Länder, ist das nicht selbstverständlich. Ein Boris Johnson oder gar ein Donald Trump bleibt Deutschland jedenfalls vorerst erspart. Ebenso eine Situation wie in Frankreich und Italien, wo die konservativen Parteien in der Bedeutungslosigkeit versunken sind.
Natürlich ist es noch eine lange Zeit bis zum Wahltermin im November 2025. Armin Laschet bewies 2021, wie man mit kleinen Fehlern seine Chancen ruinieren kann. Sein Lachen im Flutgebiet brach ihm das Genick. Dann sind da noch die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September. Reicht es dort nicht für CDU-Landesregierungen, könnte das auch auf Merz zurückfallen. Zweifel könnten aufkommen, ob er wirklich das richtige Zugpferd ist. Aber Stand jetzt? Hat der Sauerländer die besten Karten.
Quelle: ntv.de