Politik

"Eines der größten Verbrechen" Gauck gedenkt sowjetischer Kämpfer

Joachim Gauck spiegelt sich in einer Gedenktafel auf dem Friedhof in Schloss Holte-Stukenbrock. Auf der Tafel stehen die Namen der dort beerdigten sowjetischen Soldaten.

Joachim Gauck spiegelt sich in einer Gedenktafel auf dem Friedhof in Schloss Holte-Stukenbrock. Auf der Tafel stehen die Namen der dort beerdigten sowjetischen Soldaten.

(Foto: dpa)

Fast jeder zweite Sowjet, den die Nazis in einem Kriegsgefangenenlager inhaftierten, starb dort. Ein Kapitel des Zweiten Weltkriegs, an das selten erinnert wird. Der Bundespräsident will dies nachholen.

Kurz vor dem 70. Jahrestag der deutschen Kapitulation hat Bundespräsident Joachim Gauck das Gedenken an die Weltkriegsopfer aus der Sowjetunion in den Mittelpunkt gerückt. Bei einer Gedenkstunde im früheren Kriegsgefangenenlager Holte-Stukenbrock beklagte Gauck Versäumnisse bei der Würdigung der Leiden sowjetischer Soldaten in Deutschland. Das "grauenhafte Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen" sei hierzulande "nie angemessen ins Bewusstsein gekommen", sagte Gauck. Ihr Schicksal liege noch heute "in einem Erinnerungsschatten".

Der Tod von Millionen Soldaten der Roten Armee in deutscher Kriegsgefangenschaft sei "eines der größten Verbrechen in diesem Krieg" gewesen, sagte der Präsident. Von den mehr als 5,3 Millionen Gefangenen aus der damaligen Sowjetunion habe deutlich mehr als die Hälfte das Leben verloren. Zum Vergleich führte er an, dass drei Prozent der Westalliierten in deutscher Kriegsgefangenschaft umkamen. In diesen Zahlen zeige sich ein "gewaltiger Unterschied", sagte Gauck. "Anders als im Westen war der Krieg im Osten vom nationalsozialistischen Regime von Anfang an als ein Weltanschauungskrieg, ein Vernichtungs- und Ausrottungskrieg geplant."

30 Millionen Tote aus Sowjetunion

Siebzig Jahre nach Kriegsende stelle sich immer noch die Aufgabe, "auch das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen aus dem Erinnerungsschatten heraus zu holen", mahnte der Bundespräsident. Zwischen den Jahren 1941 und 1945 waren rund 310.000 sowjetische Kriegsgefangene in dem westfälischen Lager Holte-Stukenbrock inhaftiert; Zehntausende von ihnen kamen hier ums Leben.

Das Gedenken an die Kriegsopfer aus der ehemaligen Sowjetunion findet in einem schwierigen außenpolitischen Umfeld statt. Anders als in seiner Rede zum 75. Jahrestag des Kriegsbeginns an der Westerplatte in Polen verzichtete Gauck diesmal auf einen Bezug zu den aktuellen Schwierigkeiten im Umgang mit Russland. Damals hatte Gauck das russische Vorgehen in der Ukraine scharf verurteilt. Kritiker aus Politik, Medien und Wissenschaft bemängelten damals, dass er die sowjetischen Kriegsopfer nicht erwähnte.

Historiker schätzen die Zahl der Kriegstoten aus der Sowjetunion auf rund 30 Millionen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird am Donnerstag im russischen Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, der Opfer gedenken. Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Sonntag in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Kranz niederlegen.

Quelle: ntv.de, che/AFP

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