Lindner und Scholz mauern Habeck: Darum ist der Industriestrompreis gerechtfertigt
29.08.2023, 21:31 Uhr Artikel anhören
Noch haben alle drei gut lachen: Im Streit um den Industriestrom neigt Scholz eher zu Lindner als zu Habeck.
(Foto: picture alliance/dpa)
Hinter verschlossenen Türen streitet die Ampel in Meseberg um einen verbilligten Industriestromtarif. Während Habeck weiter auf einen Durchbruch für seine Idee hofft, wie er bei RTL erklärt, bleibt Lindner bei seinem Nein. Und erinnert die Grünen an die Abschaltung der Kernkraftwerke.
Während der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine Idee verteidigt, den Strompreis für die Wirtschaft zu senken: "Die Energiekosten in Deutschland sind nicht mehr so hoch, wie im letzten Jahr, als wir die Notmaßnahmen eingeführt haben, aber sie sind noch höher als vor dem russischen Angriffskrieg", sagte der Grünen-Politiker im Interview mit RTL. "Es gibt also noch den ursächlichen Zusammenhang, das rechtfertigt dann noch weitere Maßnahmen des Staates", sagte Habeck dem Sender.
Am Nachmittag hatte Habeck gemeinsam mit Finanzminister Christian Lindner von der FDP und Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD einen 10-Punkte-Plan für die Wirtschaft vorgestellt. Dabei wurde der Habeck-Vorschlag mit keinem Wort erwähnt. Auf die Frage, ob der vergünstigte Strompreis noch komme, sagte der Vizekanzler gegenüber RTL: "Wir ringen noch um den richtigen Weg, wenn ich das so formulieren darf." Nach Habecks Vorstoß war auch die SPD-Fraktion nachgezogen und hatte einen auf mindestens fünf Jahre befristeten Preis von fünf Cent pro Kilowattstunde vorgeschlagen. Der Kanzler zeigte sich bislang allerdings skeptisch.
Lindner: "Keine kluge Politik"
Strikt gegen eine Subvention für energieintensive Unternehmen sprach sich erneut FDP-Chef Lindner aus. "Wir können nicht alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, alle Betriebe, den Bäcker und Handwerksbetrieb, den mittelständischen Betrieb, den reduzierten Strompreis für einige wenige Konzerne zahlen lassen", sagte Lindner dem Fernsehsender Welt in Meseberg. "Wir müssen insgesamt mit den Energiekosten runter." Dazu sei das Mittel der Wahl, schnell mehr Energieerzeugungskapazität herzustellen.
Lindner fügte hinzu, er wisse auch nicht, woher das Geld für einen subventionierten, milliardenschweren Industriestrompreis kommen solle. "Und ich sehe auch eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den ganz großen Konzernen und den mittelständischen Betrieben." Der Finanzminister lehnte es ab, für die Subventionierung von Energie neue Schulden zu machen. "Man kann doch nicht gleichzeitig 30 Terawattstunden klimafreundliche, günstige Kernenergie abschalten - als politische Entscheidung - und dann auf der anderen Seite sagen: Jetzt heben wir die Schuldenbremse auf und die Effekte subventionieren wir runter zulasten der finanziellen Stabilität dieses Landes. Das wäre keine kluge Politik."
Nachdenken könne man über eine Reduzierung der Stromsteuer, sofern Geld vorhanden sei, ergänzte der FDP-Politiker im Interview mit den ARD-"Tagesthemen". Das am Nachmittag in Meseberg vorgestellte Wachstumschancengesetz könne "genau der Impuls sein, den unsere starke Wirtschaft braucht, wieder mit mehr Dynamik zu wachsen", sagte Lindner weiter. Er verwies auf Investitionen von über 100 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft würden so verbessert.
Sieben Bundesländer wollen Entlastung für Chemie-Industrie
Sieben Ministerpräsidenten von CDU/CSU und SPD forderten derweil die Bundesregierung gemeinsam auf, die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß zu senken. "Eine Abwanderung energieintensiver Industrien (darunter Chemie, Pharma, Glas, Metall, Papier) würde zu einem erheblichen Schaden für die deutsche Volkswirtschaft führen", zitierte das Düsseldorfer "Handelsblatt" aus dem Beschluss der eigens gegründeten Allianz zum Erhalt der chemischen Industrie in Deutschland.
Teil der Allianz sind den Angaben des "Handelsblatt" zufolge die Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die sieben Landeschefs sprachen sich für "einen international wettbewerbsfähigen Strompreis" aus, für den die Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß abgesenkt werden soll. Dieses liegt derzeit bei 0,05 Cent pro Kilowattstunde. Außerdem sollten Umlagen und Entgelte begrenzt werden und der Spitzenausgleich bei der Stromsteuer ab 2024 entfallen.
Zudem müsse der günstigere Strompreis auch dem energieintensiven Mittelstand und Betreibern von Chemieparks offenstehen. Es sei "zwingend", die Rahmenbedingungen für den Chemiestandort Deutschland und Europa "rasch" zu verbessern, sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst von der CDU dem "Handelsblatt".
Quelle: ntv.de, mau/dpa/AFP