TV-Duell im US-Wahlkampf Harris drängt schimpfenden Trump in die Ecke


Sie hatte ihre Chance und sie hat sie genutzt. In den USA hat sich die Demokratin Kamala Harris im TV-Duell gegen den Republikaner Donald Trump als Kandidatin der Zukunft präsentiert und Trump scharf attackiert. Der hielt dagegen, blieb aber viele Antworten schuldig. Doch gelaufen ist das Rennen damit nicht.
Nach diesem TV-Duell will man eigentlich nur eines wissen: Wer hat gewonnen? Und wenn man eine einfache Antwort geben muss, dann lautet sie: Kamala Harris. In ihrem Aufeinandertreffen mit dem Republikaner Donald Trump zeigte sich die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten als besser vorbereitet, hatte die detaillierteren Pläne und schaffte es immer wieder, ihren Gegner zu provozieren. Was das für den weiteren Wahlkampf und den Wahltermin am 5. November bedeutet, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
"Schauen Sie sich die Wahlkampfreden von Donald Trump an", sagte sie beispielsweise. "Die Menschen gehen früher, weil sie gelangweilt sind." Trump schluckte den Köder und ging ausführlich darauf ein. "Sie sind nicht gelangweilt!", schimpfte er. Seit Jahren prahlt er mit der Menge seiner Zuschauer bei seinen Veranstaltungen. Er behauptete, Harris würde ihre Anhänger bezahlen, um zu ihren Reden zu kommen. Es war nicht das einzige Mal, dass Harris auf diese Weise punktete. Ein Treffer war auch ihr Satz: "Putin ist ein Diktator, der Sie zum Frühstück verspeisen würde", als es um Außenpolitik ging.
Harris versuchte sich als Präsidentin der Zukunft zu präsentieren. Sie sagte, es sei Zeit, "die Seite umzublättern" und brachte auch ihren Slogan "Wir gehen nicht zurück" unter. Sie versprach, Präsidentin für alle Amerikaner zu sein. Als Staatsanwältin habe sie nie gefragt, ob ein Verbrechensopfer Demokrat oder Republikaner sei. "Ich habe immer nur gefragt: Sind Sie ok?" Die Amerikaner verbinde mehr, als sie trenne, betonte sie.
Im Verlauf des von ABC News ausgestrahlten TV-Events blieb Trump Erklärungen schuldig, wie er in Zukunft regieren will. Sein Wirtschaftsplan beschränkt sich offenbar darauf, Steuern zu senken. Die Grenze will er schließen und verspricht Massenabschiebungen von Millionen Einwanderern. Aber wie er das hinkriegen will? Konnte er nicht sagen. Auf die Frage, ob er nun, neun Jahre nach seiner ersten Kandidatur, einen Plan habe, wie er die als "Obamacare" bekannte Krankenversicherung reformieren will, sagte er nur: "Ich habe Konzepte eines Plans. Wenn wir für weniger Kosten bessere Leistungen erreichen können, werde ich es tun." Das glich einer inhaltlichen Bankrotterklärung zumindest in diesem Feld.
Trumps Wähler sehr loyal
Es ist allerdings die Frage, wie sehr ihm das schaden wird. Trumps Wähler sind sehr loyal und nur wenige werden sich davon abwenden, für ihn zu stimmen. So dünn seine Äußerungen mitunter auch waren.
Umfragen zeigen: Wirtschaft und Einwanderung sind den Wählern die wichtigsten Themen. Trump genießt dabei einen deutlichen Vertrauensvorschuss gegenüber Harris. Die musste bei diesem Thema also punkten und versuchte gleich, ein weiteres Manko abzuräumen: Viele Amerikaner geben in Umfragen an, sie wüssten gar nicht so genau, wofür sie stehe. Denn in den vergangenen Jahren wechselte sie ihre Positionen mehrmals, etwa beim Fracking - ein wichtiges Thema im Swing State Pennsylvania.
Sie wolle eine Steuergutschrift für Eltern, wenn sie ihr erstes Kind bekommen, sagte Harris. Wer zum ersten Mal ein Haus kaufe, solle 25.000 Dollar Zuschuss bekommen. Wer ein Unternehmen gründe, solle ebenfalls Beihilfen erhalten. Und für Fracking sei sie auch, schließlich habe sie es als Vizepräsidentin auch nicht verboten.
"Ich bin ein Kind der Mittelklasse", sagte sie. Sie wolle eine "Wirtschaft der Chancen" aufbauen. Trump dagegen wolle eine große Steuersenkung für Reiche. Fünf Billionen Dollar koste die. Das, so Harris unter Verweis auf Ökonomen, könnte eine durchschnittliche Familie 4000 Dollar im Jahr kosten. Das nannte sie die "Trump-Mehrwertsteuer". Der gewünschte Kontrast: Harris ist für die normalen Amerikaner da, Trump für die Reichen.
Der wies das zurück. "Es wird keine Trump-Mehrwertsteuer geben und das wissen Sie auch", entgegnete er. Der Ex-Präsident versuchte in der Folge, Biden und Harris mit aller Macht als völlig unfähig darzustellen. Die Inflation sei so hoch wie "vermutlich nie zuvor" und Millionen von Einwanderern nähmen Afroamerikanern und Hispanics die Jobs weg - zwei Wählergruppen, die mehrheitlich Demokraten wählen. Außerdem hätte Biden nie die Zölle zurückgenommen, die er gegen China erlassen hatte.
Harris gut vorbereitet, Trump eher aus dem Bauch heraus
Womit er recht hatte. Die Moderatoren fragten Harris danach, doch die äußerte sich gar nicht dazu. Das dürfte auch etwas mit ihrer intensiven Vorbereitung zu tun haben. Fünf Tage soll sie trainiert haben. Anfangs wirkten viele ihrer Aussagen daher wie auswendig gelernt. Auf Fragen oder Äußerungen Trumps reagierte sie so kaum. Das wirkte anfangs etwas steif. Später drehte sich das, ihre Vorbereitung machte sich mehr und mehr bezahlt.
Trump hatte den gegenteiligen Ansatz gewählt. Er hatte zuvor gesagt, man könne sich eigentlich nicht vorbereiten. Das zahlte sich am Anfang durchaus aus. Er wirkte spontaner, schlagfertiger. Während Harris sich äußerte, lächelte er belustigt, schien sich auf die Debatte zu freuen. Später änderte sich seine Mimik, er reckte die Stirn nach vorn, presste die Worte heraus, wurde immer lauter. Harris blickte ihn dabei meist von der Seite an, im Gesicht meist ein entgeistertes Lächeln, garniert mit einem Kopfschütteln.
Nach der Wirtschaft ging es um Schwangerschaftsabbrüche - ebenfalls ein Top-Thema im Wahlkampf. Hier wiederum genießt Harris größeren Zuspruch. Sie wolle sich dafür einsetzen, das vor zwei Jahren abgeschaffte Recht auf Abtreibungen wieder national festzuschreiben, sagte sie. Trump behauptete, "alle" hätten gewollt, dass die Bundesstaaten selbst darüber entschieden. So wie es jetzt sei. Dabei wolle er es belassen. Vorwürfe von Harris, er wolle ein nationales Abtreibungsverbot durchsetzen, wies er zurück. Er sei außerdem für Ausnahmen vom Abtreibungsverbot, bei Gefahr für das Leben der Mutter, bei Inzest oder Vergewaltigung. "Das finde ich sehr wichtig", sagte er. Viele Hardliner bei den Republikanern sehen das allerdings anders.
Beim Thema Einwanderung hatte sie durchaus Glück. Trump versuchte den Zuschauern einzuhämmern, wie viele illegale Einwanderer ins Land kämen. Doch die meiste Zeit dieses Abschnitts ging es um seine Verfehlungen. So hatten sich Demokraten und Republikaner schon auf einen "Grenz-Deal" geeinigt, wie Harris ausführte. Ein Teil davon: 1500 neue Grenzpolizisten. Doch Trump habe sich ans Telefon gesetzt und die Republikaner im Kongress angewiesen, "den Entwurf zu töten." Denn, so Harris, "Trump macht lieber mit Problemen Wahlkampf, als Probleme zu lösen."
Trump trägt Katzenesser-Story weiter
An dieser Stelle lenkte Harris Trump mit der Bemerkung über seine möglicherweise gelangweilten Zuschauer bei seinen Reden ab. Trump griff Berichte auf, Einwanderer hätten in einer Stadt in Ohio Hunde und Katzen gegessen. Als der Moderator sagte, die Stadtverwaltung habe mitgeteilt, es gebe keine glaubwürdigen Hinweise darauf, meinte Trump: "Das war im Fernsehen!"
Harris setzte zum Punch an. Es sei dreist, wenn das von jemandem komme, gegen den so häufig ermittelt worden sei und zählte seine Vergehen auf. Seine einst engsten Mitarbeiter, sein Stabschef, sein Verteidigungsminister und sein Nationaler Sicherheitsberater hätten ihn als Gefahr für das Land dargestellt. Er sei nicht in der Lage, das Amt auszuführen. Deswegen habe sie die Unterstützung von 200 Republikanern. "Und jetzt hat der Oberste Gerichtshof auch noch entschieden, dass er für nichts zur Rechenschaft gezogen werden kann, was er im Amt tut", sagte Harris mit warnendem Unterton direkt in die Kamera. "Verstehen Sie, was es heißt, wenn er ohne Leitplanken ins Weiße Haus zurückkehrt!".
Das saß und als es kurz darauf um "die friedliche Übergabe der Macht" nach den Wahlen ging, sah Trump ebenfalls nicht gut aus. Als er sich zu den Aufständen am 6. Januar 2021 äußern sollte, wies er alle Schuld von sich. "Ich hatte damit nichts zu tun", behauptete er. Schuld seien der Bürgermeister von Washignton und Nancy Pelosi, die damalige Vorsitzende des Repräsentantenhauses und prominente Demokratin. Ihnen habe er Tausende Soldaten zum Schutz angeboten, was die aber zurückgewiesen hätten.
Harris wandte sich "an alle, die sich an den 6. Januar erinnerten". Es sei Zeit "umzublättern". "Wir gehen nicht zurück zu dem Chaos und zu den Angriffen auf die Fundamente unserer Demokratie", sagte sie. Später sagte sie noch, Trump sei von 81 Millionen Amerikanern gefeuert worden und es falle ihm offenbar schwer, das zu verarbeiten. Er hatte gerade wieder seine Wahlniederlage gegen Biden geleugnet. Hier sammelte Harris Punkt um Punkt ein.
"Weil Sie ihn aufgeben würden"
Auch über Außenpolitik wurde geredet, namentlich über die Ukraine, den Gaza-Krieg und Afghanistan. Trump behauptete, wäre er Präsident geblieben, hätte es all diese Kriege nicht gegeben. Schon zuvor hatte er behauptet, er könne den Ukraine-Krieg an einem Tag beenden. Nun sagte er, das werde er sogar schon vor seiner Vereidigung tun. Er warnte vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinen Atomwaffen. Es drohe ein dritter Weltkrieg, womit er die Ängste schürte, die auch der Kreml befeuert. Harris entgegnete kühl: "Der Krieg würde in 24 Stunden enden, weil Sie ihn einfach aufgeben würden."
Längst zahlte sich für Harris die gute Vorbereitung aus. Das zeigte sich in ihrem Schlussstatement. Sie listete noch einmal ihre Pläne für die Mittelklasse-Wirtschaft und Abtreibungen auf und gelobte, für alle Amerikaner da zu sein. Trump hatte offenbar nichts vorbereitet und nutzte seine letzten Minuten nur, sich noch einmal an Harris abzuarbeiten. "Warum hat sie das nicht längst getan?", fragte er mit Blick auf ihre Pläne. Die USA seien im Niedergang, würden auf der ganzen Welt ausgelacht. Biden und Harris seien der schlechteste Präsident und die schlechteste Präsidentin der Geschichte gewesen. Mehr kam nicht mehr.
Quelle: ntv.de