Politik

Scholz bei "Brigitte Live" "Ich bin ein Mensch, der ein bisschen in sich ruht"

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"Ich möchte gerne Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden", sagt Olaf Scholz.

(Foto: dpa)

Er sei "sehr berührt", sagt SPD-Kanzlerkandidat Scholz, dass viele ihm das Kanzleramt zutrauen. So viele sind es allerdings gar nicht. Egal, bei "Brigitte" bleibt Scholz trotzdem entspannt. Meistens jedenfalls.

Die "Brigitte" ist das, was man früher eine Frauenzeitschrift nannte, und wenn ein Kanzlerkandidat zum Interview kommt, geht es natürlich um Politik, aber vor allem darum, den Menschen kennenzulernen. Das erste Fazit des Abends: Olaf Scholz kann entspannt plaudern. Mitunter lacht er sogar.

Ohne Krawatte sitzt Scholz in einem Westberliner Kino. Vor ihm waren bereits Grünen-Chefin Annalena Baerbock und der CDU-Vorsitzende Armin Laschet bei "Brigitte Live", denn spätestens seit dem Wahlkampf 2017 gehört diese Veranstaltungsreihe zum Repertoire der Kanzlerkandidaten.

Publikum gibt es in diesem Jahr, von ein paar Journalisten abgesehen, nicht - Corona. Deshalb gibt es auch keinen Applaus, keine Lacher, keine Zwischenrufe. Die Sache mit der Menschlichkeit macht Scholz dennoch gut, für seine Verhältnisse wirkt er stellenweise geradezu heiter. Als er davon erzählt, dass er früher beim Joggen keine zwei Runden im Wohlers Park in Hamburg geschafft habe, beömmelt er sich regelrecht.

Das zweite Fazit des Abends: Die SPD hält an ihrer Strategie fest. "Es gibt gerade zwei Personen im Land, die für erfolgreiche Krisen-Bewältigung und Stabilität stehen, und das sind Angela Merkel und Olaf Scholz", hatte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im vergangenen Jahr gesagt. Und Merkel trete nicht mehr an. "Olaf Scholz steht für Verlässlichkeit. Jeder weiß, dass er krisenfest ist. Ich glaube, dass er genau das verkörpert, was die Menschen in dieser schwierigen Zeit brauchen."

"Kann der das, kann die das?"

Scholz sagt im Interview mit "Brigitte"-Chefredakteurin Brigitte Huber und Ressortleiterin Meike Dinklage etwas, das ganz ähnlich klingt. Auf die Frage, woher er die Zuversicht nehme, dass mehr Menschen ihm vertrauen, dass er also ins Kanzleramt gewählt wird, sagt er, das könne man nur mit Demut machen. Und dann: "Es geht um eine große Sache, und die Bürgerinnen und Bürger werden sich genau angucken: Wer soll dieses Land regieren? Kann der das, kann die das? Hat man die Kraft, die Stärke, die dazu notwendig ist, die Kompetenz, einen Plan?" Dann sagt er natürlich nicht, dass er der Beste ist, denn das macht man nicht, sondern nur: "Und da ist es die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger zu sagen, wem sie das zutrauen."

Es gibt Gründe für und gegen diesen Optimismus. Richtig ist, dass Laschet und Baerbock im Wahlkampf Probleme haben, für die sie selbst verantwortlich sind. Richtig ist aber auch, dass Scholz es schwer hat, aus dem Schatten zu treten. Erst am Morgen hat das RTL/ntv-Trendbarometer ergeben, dass es nicht so viele Bürgerinnen und Bürger sind, die Scholz das Kanzleramt zutrauen - wobei man ergänzen muss, dass dies auch für die anderen beiden gilt. Laschet ist in der Kanzlerpräferenz geradezu abgestürzt, auf 17 Prozent. Für Baerbock würden 19 Prozent stimmen, 18 Prozent wären für Scholz. Noch schlechter steht seine SPD da: 15 Prozent, Platz drei hinter Union und Grünen.

Scholz wiederholt trotzdem ungerührt den Satz, den er wohl häufiger gesagt hat als Laschet und Baerbock zusammen: "Ich möchte gerne Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden." Er sei "sehr berührt", das sagt er zwei Mal, "dass ich aus persönlichen Ansprachen, aber auch aus Meinungsumfragen, die wir sehen können, wahrnehme, dass viele mir das zutrauen". Möglicherweise bezieht Scholz sich auf eine Umfrage der "Bild am Sonntag" vom vergangenen Wochenende. Dort lag er in der Kanzlerfrage bei 21 Prozent, Laschet bei 15 und Baerbock bei 14. Auch das sind jedoch alles keine großartigen Werte.

Die Frage, die Scholz empört

Als seine größte Niederlage bezeichnet Scholz die G20-Krawalle 2017 in Hamburg. Er war damals Bürgermeister der Hansestadt und habe die Bürgerinnen und Bürger nicht so beschützen können, wie er sich das vorgestellt habe. Bei drei Fragen regt er sich auf: Der Union wirft Scholz vor, den Ausbau der Erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren ausgebremst zu haben. Das sei unverantwortlich. Vergleichsweise lebendig spricht er darüber, dass die Corona-Krise eine Chance eröffnet habe, die Grundsicherung - also Hartz IV - zu einem weniger komplizierten "Bürgergeld" zu entwickeln. Denn in der Krise hätten viele sich eine Frage gestellt, die man sich bei diesem Thema stellen müsse: "Wenn ich von mir aus in die Welt gucke, als fleißige Selbstständige, als kleiner Handwerker, und immer als richtig gemacht habe, und plötzlich bricht alles zusammen - finde ich dann eigentlich, dass das System, das mir dann als Unterstützung zur Verfügung steht, mir gegenüber gerecht ist?"

Die dritte Frage, bei der Scholz leidenschaftlich wird, gilt seiner Frau Britta Ernst, die Bildungsministerin in Brandenburg ist. Ob sie ihren Job aufgebe, wenn Scholz Bundeskanzler werden sollte, wird er gefragt. "Meine Frau ist eine erfolgreiche Politikerin", sagt Scholz kühl und fügt hinzu, das sei eine Frage, die ihn empöre.

An anderer Stelle in diesem Gespräch sagt Scholz, er sei "doch eigentlich ein entspannter Mensch, der irgendwie ein bisschen in sich ruht". Ein wenig liegt das auch an den weitgehend harmlosen Fragen. Aber nicht nur. Empörung, so ist zu beobachten, äußert sich bei Scholz darin, dass er eher noch ruhiger wird.

Quelle: ntv.de

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