Politik

Wohnungsnot bei "Hart aber fair" "Ich würde mich an einer Genossenschaft beteiligen"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
400.000 neue Wohnungen pro Jahr hat die Bundesregierung als Ziel ausgegeben – dass sie davon weit entfernt ist, liege auch an der FDP, sagt Kühnert bei "Hart aber fair".

400.000 neue Wohnungen pro Jahr hat die Bundesregierung als Ziel ausgegeben – dass sie davon weit entfernt ist, liege auch an der FDP, sagt Kühnert bei "Hart aber fair".

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Wer eine Wohnung sucht, muss in vielen Gegenden Deutschlands entweder sehr viel Geld oder sehr viel Geduld mitbringen - am besten beides. Ist die Krise auf dem Wohnungsmarkt lösbar? Bei "Hart aber fair" gibt es reichlich Vorschläge, aber nicht allzu viel Hoffnung.

Mitten in der Sendung holt Moderator Louis Klamroth eine Familie und eine alleinerziehende Mutter aus dem Publikum. Dort sitzen laut dem Moderator Menschen, die gerade eine Wohnung suchen. Denn in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" soll es am Montagabend um die Wohnungskrise in Deutschland gehen. Die herrscht schon seit mehr als zwanzig Jahren. Die Ampelkoalition war angetreten, das Problem anzupacken. Aber bisher ist nicht viel passiert. Das liege vor allem an der FDP, lässt sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert immer wieder vernehmen. Allerdings gab es die Krise auch schon während der Großen Koalition. Das habe an der CDU gelegen, sagt Kühnert. Die SPD habe immer die richtigen Vorschläge gemacht, aber sie habe halt nie allein regiert und sei immer wieder zu Kompromissen gezwungen worden.

Im Laufe der Sendung gibt es einige Vorschläge zur Bewältigung der Krise, die aber erst in einigen Jahren wirken - sollten sie überhaupt umgesetzt werden. Die Gäste aus dem Publikum wären beinahe enttäuscht nach Hause gegangen, wäre nicht Hermann-Josef Tenhagen vom Portal "Finanztip" im Studio gewesen. Der hat ganz am Ende der Sendung tatsächlich einen Tipp für Menschen, die dringend eine Wohnung suchen.

Damit hilft er vielleicht auch den drei Gästen aus dem Publikum, die schon seit Jahren nach Wohnraum suchen. Dafür nutzen sie vor allem Onlineportale, aber ohne Erfolg. Familien mit Kindern - wenig Chance. Vierzimmerwohnungen: in Städten kaum zu finden.

Die Mietpreisbremse

Ein großes Problem vor allem für junge Wohnungssuchende sind die hohen Mieten, vor allem in den Großstädten. Dem sollte die 2015 von der Großen Koalition eingeführte Mietpreisbremse beikommen. Doch der Erfolg ist überschaubar. Trotzdem soll sie verlängert werden. "Wir bekommen demnächst die Vorlage aus dem Kabinett", sagt SPD-Generalsekretär Kühnert. Eigentlich hätte die Mietpreisbremse reformiert werden sollen. Er, Kühnert, habe bei den Koalitionsgesprächen 2021 entsprechende Vorschläge gemacht: Verbesserungen am Mietspiegel, Senkung der Kappungsgrenze. Dass die Reformen noch nicht verhandelt worden seien, liege an Justizminister Buschmann von der FDP, sagt Kühnert. Der ließe seit zwei Jahren auf entsprechende Gesetzesentwürfe warten.

Ein Problem bei der Mietpreisbremse benennt die Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag, Heidi Reichinnek: Die Sache mit den möblierten Wohnungen. Die sind von der Mietpreisbremse ausgeschlossen, und das machten sich die Anbieter auf dem Wohnungsmarkt zunutze: Jede dritte Großstadtwohnung ist mittlerweile möbliert. "Da schaue ich mir eine Wohnung an, da steht ein vergammelter Kühlschrank drin, da ist der Schimmel älter als ich" - sie ist 36 - "und dann kann ich damit die Mietpreisbremse unterlaufen, super." Reichinnek spricht von einer zahnlosen Mietpreisbremse, die niemandem etwas nütze, weil sie viel zu viele Ausnahmen habe. Sie setzt sich für einen Mietendeckel ein, ein Projekt, das in Berlin bereits ausprobiert wurde und krachend am Bundesverfassungsgericht scheiterte.

Die Mietpreisbremse regelt, dass dort, wo Wohnraum knapp ist, die Miete in neu vermieteten Wohnungen nicht höher sein darf als die ortsübliche Miete plus zehn Prozent. Doch es gibt Ausnahmen: Möblierte, neu gebaute, befristet vermietete und aufwendig renovierte Wohnungen. Und dann sind da noch die Wohnungen, bei denen die Vermieter die Mietpreisbremse missachten - das Missverhältnis aus Angebot und Nachfrage macht's möglich. Hier hat Tenhagen einen Tipp: Erst einmal einen Mietvertrag abschließen und einziehen. Dann sollte der Mieter den Vermieter auf seinen "Fehler" aufmerksam machen. Einen Formbrief dafür findet man auf dem Portal "Finanztip". Der Vermieter ist gesetzlich verpflichtet, dem Mieter den Differenzbetrag zurückzuzahlen.

Die Bürokratie

Immobilienunternehmer Jürgen Michael Schick war jahrelang Radiomoderator. Er weiß, wie er die Interessen des Immobilienverbands Deutschland IVD überzeugend vertreten kann, dessen Ehrenpräsident er ist. Die hohen Mietpreise von bis zu 18 Euro pro Quadratmeter nennt er einen Skandal. Daran sei die Mietpreisbremse aber nicht schuld. Durch die Zuwanderungen seit den letzten zehn Jahren sei die Zahl der Wohnungssuchenden um 3,5 Millionen gestiegen, gleichzeitig werde immer weniger gebaut. In Deutschland sei ein Rückgang von Baugenehmigungen zu verzeichnen, klagt Schick. "Deswegen ist es Zeit, dass die Politik aufwacht und den Hebel wirklich umdreht. Denn vom Reden allein werden keine Wohnungen gebaut."

Damit mehr gebaut werde, müsse die Bürokratie in Bund und Ländern abgebaut werden, sagt Schick. Und er wünscht sich weniger Regelungen, die den öffentlichen Hausbau unnötig verteuern würden. Vor dreißig Jahren habe es nur 25 Prozent der heutigen Regeln gegeben, kritisiert Schick. Sein Vorschlag: "Wir machen so einen richtigen Befreiungsschlag und schaffen die ab." Dann könne man sich beim Bau eines Mietshauses den Keller sparen, verzichte auf Stellplätze und auf die schöne Verblendfassade. Ein Aufzug müsse auch nicht sein, eine einfache Küche reiche, und die verschiedenen DIN-Normen müssten auch nicht übererfüllt werden. Schick: "Dann wäre schon wahnsinnig viel erreicht. Aber wenn ich halt diese Bauvorschriften nach oben gedreht habe zum Thema Energieeinsparung, zum Thema Barrierefreiheit, zum Thema Schallschutz, dann wird es halt immer teurer, und das können wir uns nicht mehr leisten." Jetzt sei der Moment für eine tabulose Diskussion gekommen, sagt Schick.

Der Tipp des Experten

Doch es hilft nichts: Neue Gesetze, Bürokratieabbau, billiges Bauen - das ist alles Zukunftsmusik, und den Menschen, die aktuell eine Wohnung suchen, ist damit nicht geholfen. Hermann-Josef Tenhagen rät Wohnungssuchenden darum: "Ich würde bei den Genossenschaften anfangen und wirklich überlegen, ob ich mich an einer Genossenschaft beteilige. Es ist gar nicht so aussichtslos, da eine Wohnung zu finden."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen