Politik

Kritik am Innenminister Ist de Maizière krisenfest?

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(Foto: picture alliance / dpa)

Der Chef des Bundesamtes für Migration tritt zurück. Die Opposition spricht von einem Bauernopfer. Innenminister Thomas de Maizière gerät unter immer heftigeren Druck.

Thomas de Maizière erklärte kürzlich, was ein guter Arbeitstag für ihn ist. "Wenn wir sagen können: Wir haben eine Aufgabe gelöst und dabei auch Vorschriften beachtet." De Maizière hat schon immer versucht, sich als pflichtbewusster Beamter in Szene zu setzen, als ein Staatsdiener mit preußischer Gewissenhaftigkeit, dem es um die Sache nicht um den großen Auftritt geht.

  Viele Kollegen schätzen den CDU-Politiker, der seinen Aktenordner wie einen Beleg für seine innere Verfassung stets mit sich herumträgt, dafür. Doch dieser Tage leidet de Maizières Image. Kritik ertönt in den Medien, aus der Opposition, vom Koalitionspartner, ja sogar aus der eigenen Partei.

Angesichts der Flüchtlingskrise ist er als Bundesinnenminister derzeit eigentlich der wichtigste Mann im Kabinett. Seine Kritiker werfen ihm allerdings nicht nur vor, dass der zurückhaltende de Maizière angesichts des Ausmaßes der Krise angeblich zu wenig Emotionen zeigt. Im aktuellen "Spiegel" heißt es etwa: "De Maizière kann ein Problem in administrativ handhabbare Einzelteile zerlegen." Damit gäbe er einen guten Staatssekretär ab. "Für einen Minister ist das zu wenig." Seine Kritiker stellen mittlerweile auch den Kern seiner eigenen Erzählung in Frage, die des disziplinierten Staatsdieners.

Schlechte Vorbereitung

Besonders deutlich zeigte sich das nach einem Treffen der Koalitionsspitzen mit den Ministerpräsidenten am Dienstagabend. "Schlecht vorbereitet" ist noch das mildeste, was Teilnehmer über de Maizières Auftritt dort sagen.

Der Bund erklärte sich bereit, die Erstaufnahme von 40.000 Flüchtlingen zu übernehmen. Sieben Liegenschaften will er dafür einsetzen. De Maizière wusste aber angeblich nicht einmal, wo all diese Grundstücke liegen und dass einige davon längst belegt sind. Das passt nicht zum Bild des akribischen Sachpolitikers. Dieses litt bereits, als er 2013 als Verteidigungsminister die millionenschwere Entwicklung des Eurohawk stoppen musste und sich zeigte, dass er offenbar nicht über alle Vorkommnisse in seinem Haus ausreichend informiert war.

De Maizière konnte beim Treffen im Kanzleramt auch nicht überzeugend rechtfertigen, warum Asylverfahren immer noch viel zu lange dauern. Beim ersten Flüchtlingsgipfel im Herbst des vergangenen Jahres einigten sich die Teilnehmer darauf, die Dauer von sieben auf drei Monate zu senken. 1000 neue Mitarbeiter in diesem und weitere 1000 Mitarbeiter im nächsten Jahr sollte das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dafür einstellen. Bisher gelang es aber nur, die Verfahrensdauer auf fünf Monate zu senken und das Bamf fing erst im Juni damit an, die neuen Stellen auszuschreiben. Auf Anfrage von n-tv.de hieß es damals, der Grund sei, dass der dafür notwendige Nachtragshaushalt nicht früher in Kraft war. Da hätten viele mehr von de Maizière erwartet.

Teilnehmer des Spitzentreffens beschrieben in der "Süddeutschen Zeitung", dass vor allem Horst Seehofer, Hannelore Kraft und Michael Müller aufgebracht waren, die Ministerpräsidenten Bayerns und Nordrhein-Westfalens, sowie der Regierende Bürgermeister Berlins.

Grobe Fehleinschätzungen

"Dublin III"

Der sogenannten Dublin-III-Verordnung zufolge ist stets das EU-Land für Flüchtlinge verantwortlich, dessen Boden sie zuerst betreten haben. Reist ein Asylsuchender trotzdem weiter, darf das Land, in dem er ankommt, ihn zurückschicken. Da die meisten Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa kommen, müssen Italien und Griechenland besonders viele Schutzsuchende versorgen. Rom und Athen pochen deshalb auf mehr europäische Solidarität. Weil die Dublin-Regeln angesichts der sehr hohen Flüchtlingszahlen nicht mehr funktionieren, setzt auch Deutschland mittlerweile auf eine andere Verteilungsmethode von Flüchtlingen in der EU. Vor allem die osteuropäischen Mitgliedstaaten wehren sich aber gegen Quotenregelungen und andere Lösungsvorschläge.

Das Treffen im Kanzleramt ist aber nur der jüngste Eklat. Schon seit längerem gilt de Maizière in der Flüchtlingskrise als zu zögerlich. Statt medienwirksam in den Krisenmodus zu schalten, redete er die Dinge lange klein.

Im Januar schätze er die Zahl der Asylbewerber für dieses Jahr auf 300.000 - trotz der Warnungen mehrerer Landesregierungen, dass es viel mehr werden dürften. De Maizière korrigierte die Zahl erst vor knapp einem Monat auf 800.000. Und auch diese Zahl scheint längst überholt zu sein. SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht mittlerweile von einer Millionen Flüchtlingen.

Ähnlich verhielt es sich mit Finanzmitteln. Den Ruf der Länder nach mehr Geld beantwortete de Maizière zunächst damit, dass der Bund sich ja schon bereit erklärt hätte, 500.000 Euro für dieses und nochmal so viel für das nächste Jahr zu zahlen. In der vergangenen Woche erhöhte die Bundesregierung den Wert dann auf 6 Milliarden Euro. Das ganze Ausmaß der Fehleinschätzung trat zutage.

Flüchtlinge sind jetzt Chefsache

Es gibt noch Leute, die de Maizière wohlgesinnt sind. Sie sagen einerseits, dass vor allem die Länder ihn jetzt als Sündenbock missbrauchen, um eigene Fehler zu vertuschen. Andererseits behaupten sie, dass er womöglich schneller gehandelt hätte, wenn Kanzlerin Angela Merkel, die als zögerlich gilt, ihn gelassen hätte. Er sei kein Typ, der ohne die Zustimmung der Kanzlerin vorangeprescht wäre.

De Maizières Dilemma vergrößert sich aber auch noch dadurch, dass er genau das widerwillen gerade getan hat. Vor gut zwei Wochen setzte das Bamf, dass de Maizières Innenministerium untergeordnet ist, einen Tweet ab: "Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger", so hieß es darin, "werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt vom Bamf weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt." In der Welt wurde das als Einladung verstanden, nach Deutschland zu kommen, der bereits Tausende Syrer folgten. Eine Behörde, die de Maizière eigentlich im Griff haben müsste, brachte die Kanzlerin in Verlegenheit.

Bamf-Chef Manfred Schmid gibt seinen Posten nun auf. Aus "persönlichen Gründen", wie es in einem Schreiben des Innenministeriums heißt. Die Opposition nutzt den Rücktritt prompt, um den Druck auf de Maizière weiter zu erhöhen. Grünen-Chefin Simone Peter sagt: "Das ist ein Bauernopfer."

Wie es für de Maizière nun weiter geht, ist unklar. Klar ist nur: Die Chance, sich für höhere Aufgaben zu qualifizieren, hat er verspielt. Niemand spricht mehr von de Maizière als möglichem Merkel-Nachfolger. Und auch das Thema Flüchtlinge ist er weitgehend los. CSU-Chef Seehofer gelang es zuletzt, sich damit zu profilieren, dass die Idee, Grenzkontrollen wieder einzuführen von ihm kam. Vor allem aber ist das Thema jetzt Chefsache.

Quelle: ntv.de

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