Politik

"Wir müssen jetzt handeln" Kobane steht vor dem Fall

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Hilflos müssen die Kurden mit ansehen, wie die Grenzstadt Kobane unter den Augen der Welt in die Hände brutaler IS-Kämpfer fällt. In der Türkei schlagen die Protestaktionen in Gewalt um. Mehrere Menschen kommen ums Leben.

Die Einnahme der seit Tagen umkämpften syrischen Kurdenstadt Kobane durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) scheint nur noch eine Frage der Zeit. Trotz Luftangriffen der USA und arabischer Verbündeter und massiver Gegenwehr kurdischer Kämpfer rückten die IS-Milizen weiter in die strategisch wichtige Stadt an der Grenze zur Türkei ein. Jenseits der Grenze beobachteten türkische Truppen das Geschehen.

Das Schicksal ihrer Landsleute treibt Kurden in der Türkei unterdessen zu verzweifelten Aktionen: Bei gewalttätigen Protestdemonstrationen gegen den Vormarsch der Terrormiliz auf die überwiegend von Kurden bewohnte Grenzstadt Kobane in Nordsyrien sind in der Türkei nach Medienangaben mindestens zwölf Menschen getötet worden.

Wie die Zeitung "Hürriyet" schreibt, seien zudem zahlreiche Menschen verletzt worden. In mehreren türkischen Provinzen sei eine Ausgangssperre verhängt worden. In Ankara habe die Polizei gegen Demonstranten Tränengas und Wasserwerfer eingesetzt.

Europaweit fordern Kurden mehr Hilfe

Luftschläge in Sichtweite der Grenze: Von türkischer Seite aus beobachten Anwohner die verzweifelten Bemühungen der Anti-IS-Allianz.

Luftschläge in Sichtweite der Grenze: Von türkischer Seite aus beobachten Anwohner die verzweifelten Bemühungen der Anti-IS-Allianz.

(Foto: picture alliance / dpa)

Angesichts der verzweifelten Lage in Kobane gingen in ganz Europa Tausende Menschen auf die Straßen. In einigen Städten verschafften sich kurdische Demonstranten und ihre Unterstützer Zutritt zu öffentlichen Gebäuden wie Funkhäusern oder Parlamenten. Protestaktionen gab es unter anderem in Den Haag, Brüssel, Paris, Straßburg, Basel und Wien sowie in Berlin, Hamburg, Bremen, Hannover, Düsseldorf, Dortmund, Münster, Frankfurt/Main und Stuttgart. Manche Protestierer trugen Fahnen linksextremistischer Organisationen und Bilder des in der Türkei inhaftierten früheren PKK-Chefs Abdullah Öcalan.

Luftschläge aus der Distanz können fanatische IS-Kämpfer nicht aufhalten: In Berlin demonstrieren Vertreter kurdischer Organisationen friedlich für ein massives Eingreifen der Weltgemeinschaft.

Luftschläge aus der Distanz können fanatische IS-Kämpfer nicht aufhalten: In Berlin demonstrieren Vertreter kurdischer Organisationen friedlich für ein massives Eingreifen der Weltgemeinschaft.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der UN-Syrienvermittler Staffan de Mistura rief die Weltgemeinschaft zur Hilfe bei der Verteidigung Kobanes auf. "Wir alle werden es zutiefst bereuen, wenn der IS in der Lage ist, eine Stadt zu übernehmen, die sich selbst mit so viel Tapferkeit verteidigt hat, das aber bald nicht mehr kann. Wir müssen jetzt handeln", sagte de Mistura laut Mitteilung der Vereinten Nationen in Genf.

Al-Nusra-Front entführt Christen

Derweil wurden ein Franziskaner-Pater und mehrere Christen einer Gemeinde in Syrien von der radikal-islamischen Al-Nusra-Front entführt. Die Kustodie Heiliges Land berichtete, die Al-Kaida-nahen Kämpfer hätten Pater Hanna Dschalluf und die anderen Männer am Sonntag aus der Ortschaft Kunaja verschleppt. Nonnen aus dem Ordenshaus hätten bei Dorfbewohnern Schutz gesucht.

Im Irak bombardierten erstmals auch niederländische Kampfflugzeuge IS-Fahrzeuge, wie das Verteidigungsministerium in Den Haag mitteilte. Die Niederlande beteiligen sich mit sechs Kampfflugzeugen am Luftkrieg der USA gegen die Sunnitenmiliz, allerdings nicht in Syrien, sondern nur im Irak.

Türkische Panzer in Sichtweite

Bislang griffen die an der Grenze stationierten türkischen Truppen nicht in die Kämpfe ein. Der Organisator der Verteidigung von Kobane, Ismet Hassan, sagte der dpa, mittlerweile seien nur noch wenige Zivilisten in Kobane (arabisch: Ain al-Arab). Die Kurden hätten mehrere Geländewagen mit aufmontierten Maschinengewehren erbeutet.

Nach Angaben der syrischen Menschenrechtsbeobachter wurden seit Beginn der IS-Offensive vor drei Wochen mehr als 400 Menschen getötet - zumeist Kämpfer beider Seiten. Kobane ist die letzte Bastion in einer Enklave, die bisher von den kurdischen Volksschutzeinheiten kontrolliert wurde. IS-Dschihadisten haben dort seit September mehr als 300 Dörfer eingenommen, 185.000 Menschen flohen in die Türkei.

Sollten die Dschihadisten die ganze Stadt erobern, hätten sie einen langen, durchgängigen Grenzstreifen zum Nato-Land Türkei unter Kontrolle. Die im syrischen Bürgerkrieg stark gewordene Terrormiliz beherrscht bereits weite Landstriche in Syrien und im Irak.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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