US-Raketen in Deutschland Kretschmer kritisiert Vorgehen der Bundesregierung scharf
31.07.2024, 15:42 Uhr Artikel anhören
Auch Tomahawk-Marschflugkörper sollen in Deutschland stationiert werden.
(Foto: dpa)
Die Kritik an der Stationierung neuer US-Raketen in Deutschland reißt nicht ab. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer ist zwar dafür, gegenüber Moskau Stärke zu zeigen. Doch er kritisiert die fehlende Kommunikation der Bundesregierung. Man müsse mit der Bevölkerung darüber sprechen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat in der Debatte um die Stationierung von US-Waffen in Deutschland scharfe Kritik am Vorgehen der Bundesregierung geübt. "Klar ist aber auch, wenn man sich sicher aufstellt, muss man mit der Bevölkerung darüber sprechen. Diese Politik par ordre du mufti und wir machen das einfach, das geht so nicht", sagte der CDU-Politiker im Interview mit RTL/ntv.
Kretschmer forderte mehr Aufklärung und eine breite Diskussion zu dem Thema: "Das wirklich Mindeste, was man bei dem Thema Waffen sehen muss, ist, dass die Bevölkerung informiert wird, dass wir darüber sprechen, dass es einen breiten Diskurs gibt." Er stehe zu einem Raketenabwehrschirm für Europa, sagte der Ministerpräsident weiter. "Ja, das ist wichtig. Aber das einfach zu machen und nicht zu reden, im Gegenteil, solche Worte wie 'kriegstüchtig' zu verwenden, das sorgt dann für Fragen, sorgt für Kritik, sorgt für Unsicherheit und wahrscheinlich auch für falsche Gedanken."
Generell ist Kretschmer dafür, mehr Stärke in Richtung Moskau zu zeigen: "Ich glaube, es ist richtig, dass Deutschland sich sicher aufstellt. Die einzige Konsequenz und die einzige Sprache, die auch Russland versteht, ist eigene Stärke." Deutschland müsse in die Sicherheit investieren, sagte er. Doch das sei in der aktuellen Situation schwierig, denn Deutschland sei in einer Rezession, so Kretschmer.
Kritik an Kanzler Scholz
Deutschland und die USA hatten vor drei Wochen am Rande des NATO-Gipfels in Washington die Stationierung von US-Raketen in Deutschland ab 2026 angekündigt. Dazu gehören Tomahawk-Marschflugkörper, SM-6-Raketen und neue Hyperschallwaffen. Sie können bis nach Russland reichen. Als Begründung wurde die Bedrohung durch Russland genannt, das im Februar 2022 die Ukraine überfallen hat. Die Waffen dienen demnach der Abschreckung.
Seitdem hat es viel Kritik an der Entscheidung gegeben, aus der Opposition, aber auch aus den Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP. Vor allem die Art der Ankündigung ohne vorherige Debatte wurde kritisiert. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD hat die Pläne seitdem immer wieder verteidigt. Ihm zufolge geht es bei der Stationierung um konventionelle Waffen, die nicht als Waffen mit nuklearen Sprengköpfen vorgesehen sind. Zudem führte er an, dass Russland über Waffen dieser und anderer Reichweiten schon seit geraumer Zeit verfüge.
Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte, sie halte es für sinnvoll, eine gesellschaftliche und politisch stärkere Debatte darüber zu führen". Sie übte gleichzeitig Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz. "Es wäre gut gewesen, wenn Olaf Scholz als Bundeskanzler die Chance genutzt hätte, diese Entscheidung transparent der Bevölkerung zu kommunizieren und die Beweggründe offenzulegen", sagte sie im Frühstart von ntv. Viele Menschen würden sich angesichts der Weltlage Sorgen darüber machen, ob man auch in Zukunft in einem friedlichen Europa lebe.
Mehrheit gegen Stationierung
"Wir als Grüne sind eine Friedenspartei und wir werden das auch immer bleiben. Dabei ist für uns aber klar: Frieden darf nicht bedeuten, dass sich ein Aggressor einfach durchsetzt, die Friedensordnung angreift und damit durchkommt", sagte Lang. Man müsse denen entgegentreten, die dies öffentlich infrage stellten, um Stimmen zu gewinnen.
Gänzlich gegen die Stationierung von neuen US-Raketen sprach sich der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner aus. Man dürfe "die Welt nicht gefährlicher machen, nicht in einen neuen Rüstungswettlauf eintreten", sagte er im WDR 5-"Morgenecho". "Wir müssen sehen, dass wir mit Russland in Verhandlungen eintreten. Das ist schwierig, das ist mir klar, aber Aufrüstung ist die schlechteste Variante, die wir gebrauchen können." Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte vor dem Risiko einer militärischen Eskalation gewarnt.
Laut einer Forsa-Umfrage für RTL/ntv lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ab. 49 Prozent wandten sich demnach gegen die Pläne. 45 Prozent finden die Entscheidung dagegen richtig. In Ostdeutschland äußerten sich sogar 74 Prozent der Befragten ablehnend, 23 Prozent begrüßen die Stationierung. Im Westen des Landes sind dagegen 49 Prozent dafür, 45 Prozent dagegen.
Quelle: ntv.de, mli