Politik

Unerwartetes Lob von CDU-Seite Länder attestieren Ampel Fortschritte in Asylpolitik

Drei mal ganz zufrieden: Rhein, Scholz und Weil.

Drei mal ganz zufrieden: Rhein, Scholz und Weil.

(Foto: picture alliance/dpa)

Vier Monate nach ihrem mühsam geeinten Asylkompromiss kommen Bund und Länder in Berlin zusammen - und siehe da: Es gibt Lob für die Ampel-Regierung. Bundeskanzler Scholz hält die umgesetzten Beschlüsse für geradezu revolutionär. Wirklich staunen lässt aber das Lob vom höchsten CDU-Vertreter in der Runde.

Die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer haben sich nach ihrer gemeinsamen Sitzung mit Bundeskanzler Olaf Scholz unerwartet zufrieden mit den getroffenen Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration gezeigt. "Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir jemals so viel zusammen hinbekommen, dass wir so viel Geschwindigkeit in das Thema gebracht haben", sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein und nannte unter anderem die Einführung einer Bezahlkarte für Asylantragsteller, die Einstufung von Georgien und Moldawien als sichere Herkunftsstaaten sowie die Reform des europäischen Asylsystems.

Aus dem Mund des CDU-Politikers, der derzeit der Ministerpräsidentenkonferenz vorsitzt, kam das Lob überraschend. In den vergangenen Tagen waren Parteikollegen von ihm deutlich kritischer aufgetreten, etwa Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sowie der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Sie warfen Scholz' Ampel-Koalition vor, die vor 17 Wochen im Asylkompromiss geeinten Maßnahmen nur ungenügend umgesetzt zu haben. Söder blieb auch nach der MPK bei seiner Haltung. "Es ist einfach zu wenig", sagte er in der Sendung "RTL Direkt". "Angesichts der tatsächlich dramatischen Lage, der dramatischen Überforderung der Kommunen, der Gemeinden und auch der Überforderung der demokratischen Stabilität bräuchte es eine echte Integrationsgrenze, eine echte Rückführungsoffensive."

"Das ist eine Riesenleistung"

Rhein sah das offenbar anders. Auf Nachfrage, woher sein Enthusiasmus für das Zusammenspiel der Länder mit der Bundesregierung rühre, sagte er: "Man muss ja doch realistisch bleiben." 16 unterschiedliche Landesregierungen sowie den Bund auf einen Nenner zu bringen, sei nicht selbstverständlich, sagte Rhein etwa mit Blick auf die Bezahlkarte. "Dass die Länder sich auf gemeinsame Standards einigen und dass der Bundeskanzler dafür sorgt, dass es im Asylbewerberleistungsgesetz verankert wird: Das ist eine Riesenleistung."

Auch bei der Prüfung von Asylverfahren außerhalb der Europäischen Union habe niemand "für möglich gehalten, dass wir da zusammen kommen". Scholz werde die Länder beim nächsten Treffen am 20. Juni im Bundeskanzleramt über den Stand informieren. Als CDU-Politiker habe sich Rhein in dieser Frage dennoch mehr Geschwindigkeit gewünscht sowie eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. Er kündigte eine Bundesratsinitiative seiner schwarz-roten Landesregierung an, künftig alle Länder mit einer durchschnittlichen Asylanerkennungsquote unter fünf Prozent als sicher einzustufen.

Weniger überraschend stufte der Bundeskanzler ebenfalls das Erreichte der vergangenen Monate als zufriedenstellend ein: "Wahrscheinlich haben wir im letzten Jahr die grundlegendsten Veränderungen der letzten 20, 25 Jahre vollbracht, mit entsprechenden Konsequenzen", sagte er mit Blick auf zuletzt sinkende Asylzahlen. Bund und Länder seien von einem politischen Irrweg weggekommen: "Nämlich, dass auf allen Ebenen, in allen politischen Strukturen letztendlich achselzuckend gesagt wird: 'Das bringt ja alles sowieso nichts'. Das verführt den einen oder anderen dazu, abenteuerliche Vorschläge zu machen, die auch nichts bringen, aber die mal Aufmerksamkeit schaffen. Aber tatsächlich ist es doch beharrliche Arbeit, die man miteinander leisten muss als Gesetzgeber. Das haben wir gemacht."

"Können nicht absehen, was passiert"

Mit abenteuerlichen Vorschlägen dürfte Scholz die unter anderem von Söder und Kretschmer vorgeschlagenen Obergrenzen gemeint haben. Rhein nannte die Vorstöße einen "wichtigen Diskussionsbeitrag". Der als stellvertretender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz anwesende Regierungschef von Niedersachsen, SPD-Politiker Stephan Weil, stufte etwaige Obergrenzen als eher unrealistisch ein. "Da reden wir nämlich über das Grundgesetz und das Individualrecht auf Asyl und zweitens reden wir auch über die Genfer Flüchtlingskonvention", sagte Weil. "Das muss jeder wissen, der diese scheinbar so naheliegende Lösung für sich ins Kalkül zieht." Er bleibe skeptisch und rate lieber zu schnell umsetzbaren Maßnahmen, aber mit derlei Ideen könne sich ja die geplante Bund-Länder-Kommission zur Migrationspolitik befassen.

Einig waren sich Rhein, Scholz und Weil mit Blick auf die künftige Entwicklung der Zuwanderungszahlen. "Wir können nicht absehen, was passiert, wie die Zahlen ansteigen oder nicht ansteigen", sagte Rhein. "Wir haben Zeichen, dass die Zahlen besser werden", sagte Scholz. Das Thema Migration werde Europa und die anderen reichen Staaten so oder so weiter beschäftigen. "Dass uns die Diskussion über Migration und Integration erhalten bleibt, davon können wir sicher ausgehen", sagte Weil. "Niemand soll von unseren Beschlüssen, die wir vor kurzer Zeit getroffen haben, erwarten, dass sie sofort den Schalter umlegen."

Ukrainer erhalten weiter Bürgergeld

Vereinbart haben Bund und Länder demnach, verstärkt über Möglichkeiten zur schnelleren Arbeitsmarktintegration zu reden. Bei ihrem nächsten Treffen mit dem Bundeskanzler im Juni wollen beide Seiten zudem den konkreten Fahrplan zur Einführung der Bezahlkarte sowie die Höhe abhebbarer Barbeträge festlegen. "Ich möchte gerne, dass wir ab dem Sommer einführen", sagte Rhein. Ferner wurde nach Angaben von Weil vereinbart, dass Asylanträge von Menschen aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote künftig vorgezogen und beschleunigt bearbeitet werden, um diese Menschen auch schneller wieder abschieben zu können - vorausgesetzt, die Herkunftsländer finden sich zur Rücknahme bereit.

Unter anderem Hendrik Wüst und der Städte- und Gemeindebund hatten vor dem Gipfeltreffen eine Erhöhung der Kopfpauschale von 7500 Euro gefordert, die der Bund pro Asylantragsteller jährlich an die Länder zahlt. Wann und wie diese Pauschale erhöht werden könnte, war laut Weil kein Thema. Scholz räumte zudem Vorschläge ab, Flüchtlinge aus der Ukraine nicht ohne weitere Prüfung anzuerkennen, sodass diese für die Dauer ihres Verfahrens niedrigere Leistungen erhalten statt Bürgergeld. Doch Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssen die Länder stemmen, Bürgergeld kommt dagegen vom Bund. Dieser habe den Ländern so 5 Milliarden Euro Ausgaben erspart, sagte der Bundeskanzler. Er glaube, die Bundesländer wollten diese Regelung sicher nicht rückgängig machen.

Quelle: ntv.de

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