Nach Guterres Brief Lawrow nennt Getreide-Vorstoß "unrealistisch"
10.09.2023, 16:08 Uhr Artikel anhören
Der Zeigefinger ist oben: Der russische Außenminister Sergej Lawrow zeigt sich wenig beeindruckt von den Bemühungen des UN-Generalsekretärs.
(Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)
Damit das Getreideabkommen wieder zustande kommt, schickt der UN-Chef Vorschläge an den russischen Außenminister. Der sieht aber deutliche Stolperfallen und fragt sich, ob Guterres sich nur vor den Karren spannen lasse. Der türkische Präsident Erdogan wiederum mahnt davor, Moskau zu isolieren.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich nicht beeindruckt vom Vorstoß von UN-Generalsekretär António Guterres zum Wiederbeleben des Abkommens zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer. Beim Lesen des Briefes entstehe der Eindruck, dass sich Guterres von einer interessierten Seite instrumentalisieren lasse, sagte Lawrow am Rande G20-Gipfels.
Demnach hat der UN-Chef zwar Vorschläge unterbreitet, um das für die Welternährung wichtige Abkommen wieder in Kraft zu setzen. Lawrow beklagte jedoch, dass Guterres Vorschlag, eine Filiale der russischen staatlichen Agrarbank Rosselchosbank in Luxemburg an das internationale Finanznetzwerk Swift anzuschließen "unrealistisch" sei. Denn "diese Filiale hat keine Lizenz für Bankoperationen, sie wird geschlossen", sagte Lawrow. Auch die angedachte Einbindung des Versicherungsträgers Lloyd's lasse Fragen offen.
Der russische Außenminister bekräftigte, dass Russland bereit sei, das Getreideabkommen wieder einzusetzen, wenn die russischen Forderungen erfüllt würden. Moskau verlangt unter anderem, dass die Rosselchosbank selbst an Swift angeschlossen wird und auch andere Sanktionen des Westens gegen Russland gelockert werden. Russland beklagt, es werde als Folge der Strafmaßnahmen beim Export seiner Agrarprodukte eingeschränkt.
Guterres versucht derzeit den Deal mit einzelnen Zugeständnissen an Moskau zu retten. In einem Brief an Lawrow schlug der UN-Generalsekretär etwa vor, Moskau könne mit der Gründung einer Tochtergesellschaft durch die sanktionierte russische Landwirtschaftsbank für bestimmte Zahlungen wieder an Swift angebunden werden. In seinem Brief macht Guterres noch drei weitere Vorschläge, um diese russischen Exporte zu ermöglichen. Darin geht es auch um das Auftauen von eingefrorenem Vermögen der Düngemittel-Firmen in Europa und die Erlaubnis für russische Schiffe, in europäische Häfen einzulaufen. Aus dem Brief erschließt sich indirekt, dass die Vereinten Nationen für diese Zugeständnisse mit der EU zusammenarbeiten.
Erdogan: Russland muss bei Getreidefrage mit an Tisch
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat in der Diskussion über eine Neuauflage des Abkommens zum Export davor gewarnt, Russland zu isolieren. "Ein Prozess, der Russland in der Getreidefrage ausschließt, wird wahrscheinlich nicht nachhaltig sein", sagte Erdogan nach dem G20-Gipfel in Neu-Delhi vor Journalisten. Die Türkei bemühe sich weiter um eine Vermittlung. Eine Wiederaufnahme sei möglich, sagte Erdogan, verwies aber auf Forderungen, die Russland erhoben hatte.
Russland hatte unter Vermittlung der Türkei und der UN geschlossene Getreideabkommen Ende Juli aufgekündigt. Die Vereinbarung hatte unter anderem den Export ukrainischen Getreides aus den Schwarzmeerhäfen Odessa, Tschorn omorsk und Piwdennyj (Juschny) ermöglicht. Zusätzlich gab es eine Vereinbarung mit Russland, die den Export russischer Nahrungs- und Düngemittel erleichtern sollte. Kremlchef Wladimir Putin hatte Anfang September bei einem Treffen mit Erdogan im russischen Sotschi betont, dass er erst zum Getreideabkommen mit der Ukraine zurückzukehren wolle, wenn alle russischen Forderungen erfüllt worden sind.
Das im Sommer 2022 unter Vermittlung der Türkei und der UN erreichte Abkommen galt als ein Meilenstein für die Linderung steigender Getreidepreise angesichts von Millionen vom Hunger bedrohten Menschen. Die Ukraine ist dringend angewiesen auf den Export von Weizen und Mais, um trotz des russischen Angriffskrieges weiter Einnahmen zu erzielen.
Quelle: ntv.de, ysc/dpa