Doppelstunde über Bedrohungen Schüler und Lehrer offen für Krisenvorsorge-Unterricht
28.10.2025, 16:49 Uhr Artikel anhören
Banaszak hält "nichts davon, Themen, von denen jeder weiß, dass es sie gibt, aus den Schulen auszusperren".
(Foto: picture alliance / dpa)
Innenminister Dobrindt regt an, in der Schule auch über konkrete Gefahren in Deutschland zu sprechen. Inhaltlich könne es um Naturkatastrophen, aber auch um Kriege gehen. Unterstützung kommt von den Grünen: "Panikmache ist das nicht", sagt Parteichef Banaszak. Und auch die Jugend spricht sich dafür aus.
Vertreter von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern haben sich offen für die Behandlung von Katastrophenvorsorge im Unterricht gezeigt und damit einen Vorstoß des Bundesinnenministers Alexander Dobrindt von der CSU unterstützt. Es sei richtig, den jungen Menschen die Bedrohungslagen nahezubringen, sagte Lehrerverbandspräsident Stefan Düll im RBB-Radio. Es gehe dabei zum Beispiel um Naturkatastrophen wie Überschwemmungen. Vieles sei zwar bereits praktisch Teil des Unterrichts, aber nicht so systematisch, wie es angesichts der aktuellen Situation sein müsse, sagte Düll.
Düll sprach auch über konkrete Unterrichtsinhalte. So könnten seiner Meinung nach zur Sicherheitspolitik etwa Jugendoffiziere der Bundeswehr eingeladen werden. Bei Themen wie Erste Hilfe oder Reanimation fehlt es laut Düll dagegen an externen Multiplikatoren. Das könne nicht alles auf dem Rücken der Lehrer ausgetragen werden.
Auch Schülervertreter würden das Thema Krisenvorsorge im Unterricht befürworten. Der stellvertretende Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Leander Heydenreich, sagte im BR-Radio: "In der Schule vorbereitet zu werden auf Krisensituationen und Notlagen" könne "nur befürwortet werden". "Wie genau das dann passieren soll, muss man diskutieren. Aber dass es irgendwie passiert, ist auf jeden Fall zu befürworten, denn auch damit kommt ein Stück weit mehr in die Schule, was wir überhaupt im Alltag gebrauchen können."
Schüler: "Fachpersonal sehr, sehr wichtig"
Heydenreich regte an, die Schülerinnen und Schüler selbst aktiv an der Aufarbeitung von Themen wie Naturkatastrophen und Kriegen zu beteiligen. Nichtsdestotrotz sei es "auch sehr, sehr wichtig, dass man eben notwendiges Fachpersonal dort hinzuzieht, die sich dann wirklich mit dem Thema auskennen und wissen, was sie sagen, und wissen, was der aktuelle Stand ist und wissen, wo es vielleicht gerade hapert."
Die Grünen unterstützen im Grundsatz Dobrindts Vorstoß ebenso: "Panikmache ist das nicht", sagte der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak im ntv-Frühstart. "Ich halte nichts davon, solche Themen, von denen jeder weiß, dass es sie gibt, aus den Schulen auszusperren", betonte der Parteichef. Die Frage sei vielmehr, ob es ausreiche, einmal im Jahr darüber zu sprechen, was zu tun sei, wenn hier etwas passiere, sagte er weiter. "Ob es jetzt die eine Doppelstunde im Jahr ist oder ob man vielleicht regelmäßig auch mal Leute reinholt, vom Technischen Hilfswerk beispielsweise, die von ihrer Arbeit berichten, erzählen, was da passiert, wie man sie ansprechen kann, wie man selbst dazulernen kann - warum sollte das in der Schule nicht stattfinden?", gab Banaszak zu bedenken.
Er wies darauf hin, dass jungen Menschen sehr wohl bewusst sei, in welchen Zeiten sie leben. "Das bedrückt die sehr und die Schule muss das aufgreifen", mahnte der Grünen-Vorsitzende. Sonst führten Ängste und Verunsicherung dazu, dass sich "die Jugendlichen trotzdem woanders informieren, und dann ist die Panik am Ende vielleicht größer".
Doppelstunde über Bedrohungsszenarien
Innenminister Dobrindt hatte am Wochenende im "Handelsblatt" speziell gestaltete Doppelstunden angeregt. Er wolle bei der bevorstehenden Innenministerkonferenz im November mit seinen Länderkollegen "anregen, das Thema Krisenvorsorge in den Schulalltag einzubinden". Konkret schlug der CSU-Minister vor, "dass in einem Schuljahr in einer Doppelstunde mit älteren Schülern darüber diskutiert wird, welche Bedrohungsszenarien es geben kann und wie man sich darauf vorbereitet". Kinder seien "wichtige Wissensträger in die Familien hinein", sagte der Minister.
Dobrindt kündigte in dem Interview zudem ein neues, weiter gefasstes Schutzkonzept an. "Wir arbeiten an einem Pakt für den Bevölkerungsschutz", sagte er. "Das Ziel ist: Vorsorge statt Verunsicherung." Zum einen gehe es um funktionierende Warnsysteme, zum anderen um Schutzräume. Das könnten öffentliche Gebäude wie Tiefgaragen oder Keller eines Wohnhauses sein. Zudem müsse die Versorgung im Krisenfall mit lebensnotwendigen Gütern sichergestellt sein.
Dobrindt sagte, es könne nicht schaden, wenn jeder zu Hause einen Notvorrat für den Krisenfall anlegt. "Man muss kein Prepper sein, um zu verstehen, dass ein paar Tage Vorrat, eine Taschenlampe, Batterien oder ein Kurbelradio vernünftige Vorsorge sind", sagte er. "Wer das hat, sorgt nicht für Panik - er sorgt vor."
Quelle: ntv.de, mpa/AFP