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Interview der Ex-Kanzlerin Merkel hat kein Verständnis für AfD-Wähler

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Von 2005 bis 2021 war Angela Merkel die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik.

Von 2005 bis 2021 war Angela Merkel die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik.

(Foto: picture alliance / SZ Photo)

Zum Tag der Deutschen Einheit meldet sich die ehemalige Bundeskanzlerin Merkel aus ihrer Politik-Rente. Im ersten Fernsehinterview seit ihrem Ausscheiden aus dem Amt spricht die CDU-Politikerin über ostdeutsche Identität und das Einheits-Gefühl von Migranten.

In der ZDF-Dokumentation "Am Puls mit Mitri Sirin - wie viel Einheit haben wir erreicht?" hat die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel die AfD und deren Wähler kritisiert. Sie habe kein Verständnis dafür, wenn Menschen die AfD wählen, sagte sie. "Wenn man sich sozusagen auf Kosten anderer Menschen, auch anders aussehender Menschen und Menschen mit anderer Biografie profiliert, dann ist das nichts, wofür ich Verständnis habe." Sie verstehe, dass man über manches verärgert sei. Aber sie sei nicht bereit zu akzeptieren, dass man deshalb Ideen und Gedankengut unterstütze, die für sie nichts mit Toleranz zu tun hätten. "Da würde ich immer dagegen argumentieren und würde sagen, man kann in dieser demokratischen Gesellschaft auch anders seine Kritik und seinen Ärger zum Ausdruck bringen."

Die Dokumentation mit Journalist Mitri Sirin, die am Tag der Deutschen Einheit im ZDF ausgestrahlt wird, geht der Frage auf den Grund, warum für viele Ostdeutsche und Menschen mit Migrationsgeschichte der Einheitstag kein wirklicher Feiertag ist. "Das Thema als solches interessiert mich", betonte Angela Merkel der Pressemitteilung zufolge in ihrem ersten Interview nach ihrer Kanzlerschaft.

Vor zwei Jahren hatte sie am Tag der Deutschen Einheit eine ihrer letzten Reden als Bundeskanzlerin gehalten. In der Festrede in Halle sprach sie auch über ihre Erfahrungen in der DDR. Dazu erklärte sie nun: "Ich hätte so eine persönliche Bemerkung in meiner Amtszeit, wenn es da nicht zum Ende hingegangen wäre, wahrscheinlich nicht gemacht, weil ich mich immer als Kanzlerin aller Deutschen verstanden habe." Die persönliche Bemerkung zu Ostdeutschland habe ihr aber gezeigt, dass "das Gespräch darüber auch immer wieder zu führen" sei.

Unfreiheiten formen Menschen

Kurz nach ihrer Geburt waren Merkels Eltern mit ihr von Hamburg in die DDR gezogen - sie ist also selbst Ostdeutsche. Die gelernte Physikerin engagierte sich politisch erstmals 1989/90. Merkel war die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und bekleidete das Amt vom 22. November 2005 bis zum 8. Dezember 2021.

Für Merkel gibt es demnach einen Unterschied zwischen dem Staat DDR und dem persönlichen Leben dort. "Die DDR hat es trotz aller Versuche, Jugendliche immer wieder zu beeinflussen, natürlich nicht geschafft, die Familie zu ersetzen. Man hatte Freunde, man hat gefeiert, wir sind mit den Eltern in den Urlaub gefahren. Das waren ja alles Erlebnisse", sagte die CDU-Politikerin dem ZDF. "Und dann gibt es noch die prägenden Erlebnisse durch den Staat. Ich meine, die Anwesenheit von Freiheit formt Menschen, aber die Abwesenheit von Freiheit formt sie ja auch." Sie habe immer auch darüber geredet, dass es einen Unterschied gebe "zwischen dem Staat DDR, dessen Überwindung wir natürlich alle begeistert gefeiert haben und einem persönlichen Leben, das ja in jedem Land mehr ist als nur die staatliche Struktur".

"Unsere Stärke ist Vielfalt"

Merkel blickt in dem Interview auf viele Facetten ihrer Zeit als Kanzlerin zurück - auch auf den Gegenwind, den sie erhielt: "Es gab einen Teil der Menschen, die sehr wütend auf mich waren. Das hat begonnen während der Zeit, als der Euro in Schwierigkeiten kam." Die Lage habe sich dann polarisiert, "als sehr viele Flüchtlinge zu uns kamen". Sie bezeichnet es als "etwas Bekümmerliches", dass "der Lauteste den letzten Eindruck hinterlässt".

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Merkel betonte, dass sie Bundeskanzlerin aller Menschen war, die dauerhaft in Deutschland leben. "Ich habe darüber auch mit dem türkischen Präsidenten Erdogan sehr häufig gesprochen", sagte sie dem ZDF. Es sei um die Frage gegangen, wer verantwortlich sei für türkischstämmige Menschen, die hier in zweiter oder dritter Generation wohnen. "Und ich habe immer gesagt: "Pass auf, deren Bundeskanzlerin bin ich". Deutschland umfasse alle. "Da wir ja jetzt auch in den letzten Jahren sehr viele Menschen haben, die dauerhaft in unserem Land leben und noch nicht immer hier gelebt haben, ist das wieder eine neue Aufgabe, dass wir sie mit aufnehmen."

Die Ex-Kanzlerin glaube demnach, dass es Menschen immer verbinde, "die eine Minderheiten-Biografie haben" - insofern seien auch Ostdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund verbunden. Denn es gebe eine Tendenz, "den durchschnittlichen Lebenslauf für das Gegebene zu halten. Ich habe immer dafür plädiert, dass unsere Stärke die Vielfalt ist."

Quelle: ntv.de, rwe/dpa/spot

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