Strafe für Luftangriffe auf Aleppo Merkel ist offen für Russland-Sanktionen
17.10.2016, 17:41 Uhr
Von Rebellen gehaltene Viertel Aleppos sind nach wie vor das Ziel von syrisch-russischen Luftangriffen.
(Foto: REUTERS)
Die EU wirkt im Syrien-Krieg geradezu ratlos. Sie muss mitansehen, wie Syrien und Russland weiter Luftangriffe auf Aleppo fliegen. Einige EU-Länder fordern deshalb wie die USA Sanktionen gegen beide Staaten. Doch die Frage spaltet selbst die Bundesregierung.
Kurz vor dem EU-Gipfel gibt es in der Europäischen Union Streit über den Umgang mit Russland im Syrien-Konflikt. Frankreich und Großbritannien sprachen sich klar dafür aus, den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erhöhen und dabei alle Optionen zu prüfen. Länder wie Österreich und Luxemburg gaben hingegen zu verstehen, dass sie Strafmaßnahmen für wenig hilfreich halten und warnten vor einer neuen Sanktionsdebatte.
Auch die EU-Außenminister konnten sich bei einer Diskussion zum Syrien-Konflikt nicht auf eine gemeinsame Position zu möglichen Strafmaßnahmen einigen. Russland wurde lediglich noch einmal aufgefordert, an einer friedlichen Lösung mitzuarbeiten und Hilfslieferungen nach Aleppo zu ermöglichen. Für Sanktionen hätte es eine einstimmige Entscheidung gebraucht.
Gleichwohl wurde die Bombardierung der nordsyrischen Stadt Aleppo durch Russland und Syrien als mögliches "Kriegsverbrechen" bezeichnet. "Stärke und Ausmaß der Luftangriffe auf Ost-Aleppo sind klar unverhältnismäßig", heißt es in einer Erklärung der Außenminister. Sie kündigten an, "schnell zu handeln", um "weitere Sanktionen gegen Syrien" und Vertreter der dortigen Regierung zu verhängen, "solange die Unterdrückung anhält".
"Ungebrochene Gewalteskalation"
Auch aus der Bundesregierung kamen unterschiedliche Botschaften. Bundeskanzlerin Angela Merkel signalisierte ihre Offenheit für Diskussionen über Sanktionen wegen der Lage in Syrien. "Angesichts dieser ungebrochenen Gewalteskalation (…) hat die Bundesregierung (...) Verständnis dafür, dass über alle Optionen nachgedacht wird, auch über Sanktionen gegen die, die diese Taten durchführen, beziehungsweise ermöglichen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Er betonte allerdings, dass Hilfe für die Menschen in Syrien Vorrang haben müsse.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte n-tv, dass es kurzzeitig betrachtet nicht realistisch sei, dass Wirtschaftssanktionen Putin vom Bombardement in Syrien abbringen könnten. "Aber längerfristig wäre es dann eine Folgenkalkulation, auf die sich Putin einstellen müsste. Wenn er sich so verhält, wird er auch dafür einen Preis zahlen müssen. Im Moment muss er überhaupt keinen Preis bezahlen - das empfindet er als Ermunterung", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags.
Kritik aus der SPD
Skeptisch zeigte sich dagegen Außenminister Frank-Walter Steinmeier: "Ich sehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, wie möglicherweise langfristig wirkende Sanktionen hier zur Verbesserung der Versorgung der Zivilbevölkerung beitragen sollen", sagte der SPD-Politiker bei einem EU-Außenministertreffen in Luxemburg. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte, weitere Sanktionen im Syrien-Konflikt seien kein geeignetes Instrument, sondern trügen nur zur Eskalation bei.
Kremlchef Putin lässt Syriens Präsident Baschar al-Assad weiter massive militärische Unterstützung zukommen. Diese gilt als ein Grund für die katastrophale humanitäre Situation in der syrischen Stadt Aleppo. Vor allem Frankreich und Großbritannien drängten deshalb bei einem Außenministertreffen darauf, die Liste der bisher 200 Syrer auszuweiten, die bereits auf einer Sanktionsliste stehen. Beide Regierungen schlagen zudem Einreisesperren und Kontensperrungen für bis zu zwölf Russen vor, die direkt in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt sind.
Russland droht mit Reaktion
Russland gehört gemeinsam mit dem Iran und der libanesischen Hisbollah zu den letzten Verbündeten von Assad. Gegen Russland hat die EU bereits Wirtschaftssanktionen wegen der Annexion der Krim und des Kriegs in der Ostukraine verhängt.
Russland drohte im Fall neuer Sanktionen der USA wegen des Syrien-Konflikts mit einer Reaktion. Die Antwort könne auch "asymmetrisch" und somit anders gelagert sein als mögliche Strafmaßnahmen gegen Russland, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow in Moskau. Er bezog sich damit auf entsprechende Drohungen aus den USA, auf die Diskussion in der EU ging der Diplomat nicht ausdrücklich ein.
Wie die Debatte über eine härtere Gangart gegenüber Kremlchef Putin weitergeht, wird der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel zeigen. Eine Einigung auf neue Sanktionen könnte allerdings nur einstimmig erfolgen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn forderte deswegen, die Diskussionen abzubrechen und rief dazu auf, sich einzugestehen, dass die Handlungsoptionen der EU begrenzt sind. "Wir als Europäische Union haben keinen Knopf, auf den wir drücken können, damit das aufhört", sagte er mit Blick auf die Lage in Aleppo.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts