Nach Berlin-Wahl Merkel will "ein klares Wort" sprechen
19.09.2016, 11:52 Uhr
(Foto: dpa)
In der Union gibt es drei Sündenböcke für die Berliner Wahlschlappe: die Landespolitik, die Kanzlerin und die CSU. Allerdings soll jetzt Schluss sein mit den Schuldzuweisungen: Julia Klöckner zufolge plant Angela Merkel einen rhetorischen Kurswechsel.
Die offizielle Wahlanalyse der CSU liegt noch nicht vor, Parteichef Horst Seehofer hat sich noch nicht geäußert – vielleicht wird er das zu Beginn der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz heute Nachmittag tun. Der Ort ist historisch vorbelastet: Hier hatte Seehofer vor einem Jahr den ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán empfangen und mit ihm eine Anti-Merkel-Allianz gebildet.
Noch ist also ungewiss, ob Seehofer die Berliner Wahl nutzt, um erneut auf die CDU einzuprügeln. Das hatte er nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern vor zwei Wochen so gemacht. Mittlerweile sieht es allerdings danach aus, als sei zwischen den Schwesterparteien ein Fahrplan zum Frieden verabredet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel tritt ebenfalls erst am frühen Nachmittag vor die Presse, nach den Sitzungen von CDU-Bundesvorstand und -Präsidium. Doch bereits jetzt zeichnet sich ab: Eine besondere Verantwortung für das Debakel wird Merkel nicht übernehmen. Darauf deuten unter anderem die Äußerungen von CDU-Generalsekretär Peter Tauber.
"Die CDU gewinnt zusammen und wir verlieren zusammen", sagte Tauber am Morgen bei n-tv. Dann folgte eine Einschränkung, die der Berliner CDU eine besondere Verantwortung zuschob: "Die Berlin-Wahl ist schon eine besondere, wenn man sich das auch im Vergleich zu anderen Landtagswahlen anschaut. Nirgendwo sind die ersten vier Parteien so nah beieinander und es haben schon auch viele Berliner Themen eine große Rolle gespielt."
"Manche Wortmeldung aus München war nicht hilfreich"
Noch am Wahlabend hatte Tauber gesagt: "Der Streit zwischen CDU und CSU und manche Wortmeldung aus München sind nicht immer hilfreich, wenn es darum geht, Geschlossenheit zu zeigen und wenn es auch darum geht, die Erfolge zu zeigen, die wir ja bereits erreicht haben."
Das klang sehr nach Schuldzuweisungen in Richtung München. Von dort kamen entsprechende Vorwürfe zurück. Bayerns Finanzminister Markus Söder sagte der "Bild"-Zeitung, die Wahlniederlage der CDU sei "der zweite massive Weckruf in zwei Wochen". "SPD und CDU müssen sich vor allem in der Flüchtlingsfrage wieder um mehr Zustimmung der Bürger bemühen und endlich die Zuwanderung strikt begrenzen und die Sicherheitsprobleme unter Kontrolle bringen."
"Wir haben den Fahrplan festgetackert"
Also alles wie immer? Söder wird nachgesagt, dass er gern Ministerpräsident anstelle des Ministerpräsidenten wäre – und dem Vernehmen nach ist Seehofer von dieser Idee nicht so begeistert. Möglicherweise ist Söders Äußerung daher kein Indikator für die Haltung des CSU-Chefs. Zumal CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer am Morgen nach der Wahl moderater klang. Im Sender Phoenix betonte Scheuer, dass CDU und CSU "gemeinsame Lösungen erzielen" wollten, dass jetzt die inhaltliche Arbeit anstehe. Wo es noch Differenzen gebe, "dort werden wir noch hart arbeiten müssen".
Mit Blick auf eine Einigung zwischen den Schwesterparteien sagte Scheuer: "Wir haben ja den Fahrplan festgetackert." Ein inhaltliches Entgegenkommen schloss Scheuer allerdings aus: Die CSU habe einen klaren Kurs formuliert, von dem werde sie nicht abrücken. Soll heißen: Die CSU hat alles richtig gemacht, aber weitere Schuldzuweisungen soll es nicht geben.
Klöckner kündigt klares Wort der Kanzlerin an
CDU-Vizechefin Julia Klöckner deutete vor den Gremiensitzungen ihrer Partei an, in welche Richtung es wohl gehen wird: "De facto hat sich die Politik massiv verändert, aber vielleicht ist die Kommunikation in der Tat nicht hinterhergekommen", sagte die rheinland-pfälzischen CDU-Landesvorsitzende – das ist ein wichtiger Punkt, der künftig von CDU-Politikern vermutlich immer häufiger betont werden wird. In der Flüchtlingspolitik gebe es einen großen Graben zwischen den Erfolgen der Politik und der Wahrnehmung der Bürger, sagte Klöckner. "An der ein oder anderen Stelle ist ein klares Wort der Kanzlerin – was sie auch vorhat – gut."
Soll heißen: Merkel will ihre noch immer recht freundliche Rhetorik ihrer längst nicht mehr so freundlichen Flüchtlingspolitik anpassen. Das würde dann sicher auch die CSU freuen.
Wie das inhaltlich aussehen könnte beschrieb Paul Ziemiak, Chef der Jungen Union. Bei n-tv sagte er: "Wir haben im letzten Jahr über die Einführung einer Obergrenze diskutiert, als eine Million Menschen zu uns kamen. Weil wir gesehen haben: So kann es auf Dauer nicht weitergehen. Jetzt, ein Jahr später, sind die Zahlen aber anders. Ich glaube nicht, dass unser vordringlichstes Problem jetzt eine Obergrenze ist."
Das vordringlichste Problem sei: "Wie kriegen wir es eigentlich hin, dass diejenigen, die sich hier zu Unrecht aufhalten, die keine Kriegsflüchtlinge sind, kein Anrecht auf Asyl haben, dass die wieder zurückgehen? Da haben wir riesige Probleme und die SPD blockiert es leider Gottes, dass wir weitere Maßnahmen ergreifen, um diese Menschen zurückzuführen."
Ziemiak forderte, die Union müsse "zurückfinden zu einer klareren Sprache", sie müsse klar sagen, "unsere Möglichkeiten in Deutschland, unbegrenzt Flüchtlinge aufzunehmen, sind endlich". Er betonte: "Wir sind auf einem guten Weg. Aber ich vermisse manchmal deutliche Worte in die Gesellschaft hinein." Ähnlich hatte er sich zuvor in der "Welt" geäußert. Es sieht fast so aus, als hätte Merkel das Interview gelesen.
Quelle: ntv.de, mit dpa