Politik

Eine Frage, viele Fronten Merkels spontaner Krisenbewältigungstag

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Die Bundeskanzlerin will weitere EU-Staaten auf ihre Linie bringen. Doch während sie dafür eine Strategie erarbeitet, werden die Kommunen unruhig und wird die Schwesterpartei abtrünnig. Merkel reagiert mit einer Serie spontaner und ungewöhnlicher Einladungen ins Kanzleramt. Ein Überblick.

Es sind ungewöhnliche Runden, die an diesem Dienstag im Bundeskanzleramt zusammenkamen. Zuerst kam der österreichische Bundeskanzler und brachte seinen Vizekanzler und seine Innenministerin mit. Auf deutscher Seite nahmen neben Kanzlerin Angela Merkel auch Vizekanzler Sigmar Gabriel und Innenminister Thomas de Maizière teil. Dann traf sich das Kabinett, das normalerweise nur mittwochs tagt, zu einer Flüchtlings-Sondersitzung. Und dann kamen die Ministerpräsidenten der Länder ins Kanzleramt - ein Termin, der erst am Montag bekanntgegeben wurde. Andere Regierungsgeschäfte wurden verschoben: So wurde der estnische Regierungschef ausgeladen und eine Regierungsklausur vorerst abgesagt.

Österreichische Regierung zu Gast

Im Gespräch mit ihrem österreichischen Kollegen Werner Faymann versucht Merkel , eine gemeinsame Strategie zu entwerfen, wie man andere EU-Staaten auf die eigene Linie bringen kann. Die Kanzlerin und der Kanzler wollen erreichen, dass weniger Flüchtlinge kommen und dass diese dann koordiniert in Europa verteilt werden. Nur: Sie stehen damit recht alleine. Bei einem EU-Gipfel in der kommenden Woche wollen sie es dennoch versuchen. Außerdem sollen die EU-Staaten dazu gebracht werden, mehr Geld in die Situation der Flüchtlinge rund um Syrien zu investieren, wo das World Food Programme regelmäßig daran scheitert, die Menschen mit Nahrung zu versorgen, weil die Finanzierung nicht ausreicht.

Bei einer Pressekonferenz danach verteidigte Merkel ihre Politik, obwohl sie inkonsistent wirkt: Deutschland hatte zuerst den Transport der Flüchtlinge unterstützt, später aber sogar Grenzkontrollen eingeführt. Bleiben wird von dieser Pressekonferenz vor allem eine markante Aussage Merkels: "Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land."

Kabinettsondersitzung

In der anschließenden Kabinettssitzung wird es der CDU-Chefin darum gegangen sein, Geschlossenheit herzustellen. Denn der Koalitionspartner SPD stützt zwar Merkels Kurs. Von Parteichef Sigmar Gabriel sickerte die Aussage durch, es finde sowohl die Aufnahme der Flüchtlinge als auch die Grenzkontrollen richtig. Die Spitze der CDU-Schwesterpartei CSU sieht das allerdings anders. Parteichef Horst Seehofer hatte die Aufnahme kritisiert und sich später damit gebrüstet, die Einführung der Grenzkontrollen seien auf seinen Druck hin zustande gekommen. Merkels Statement kann als harsche Zurechtweisung Seehofers verstanden werden.

Als bayerischer Regierungschef ist Seehofer nicht Teil des Bundeskabinetts, wohl ab er der Bund-Länder-Runde, die sich am Abend traf. Und in dieser hat er womöglich sogar einige Unterstützung von CDU-Kollegen. Am Sonntagabend hatte sich Merkel mit CDU-Fraktionsvorsitzenden aus den Ländern getroffen. Dabei habe sie sich einige Kritik anhören müssen, schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Keiner der Teilnehmer habe die CSU-Position kritisiert, hätten Teilnehmer berichtet.

Treffen mit Ministerpräsidenten

Bei dem Bund-Länder-Treffen wurde über Themen diskutiert, die normalerweise auf der Arbeitsebene vorbereitet werden. Doch in der akuten Situation mussten dieses Mal offensichtlich die Chefs selbst ran. Sie beschlossen, mehrere Verteilzentren für Flüchtlinge einzurichten, die das bisherige Drehkreuz München entlasten sollen. Die Länder bekannten sich zum "Königsteiner Schlüssel", der die Verteilung auf die Bundesländer regelt. Dieser Schlüssel war lange unangetastet, zuletzt weigerten sich aber Bundesländer, die aus München kommenden Menschen aufzunehmen.

Merkel sagte zu, als Bundesregierung in die Unterbringung einzusteigen: Bis zu 40.000 Plätze sollen in der direkten Verantwortung des Bundes aufgebaut werden – eine Verantwortung, die bisher meist die Kommunen im Auftrag der Länder übernehmen. Die Details - wo die neuen Drehkreuze und die neuen Bundes-Flüchtlingsunterkünfte entstehen - wurden nicht genannt. Darüber soll in der kommenden Woche bei einem schon länger geplanten, weiteren Bund-Länder-Treffen entschieden werden.

Merkel wurde gefragt, wie sie mit neuen Notlagen umgehen würde, wenn sich zum Beispiel die Situation der Flüchtlinge in Serbien verschlechtern würde. Lässt man sie dann wieder in Zügen direkt nach Deutschland reisen? Darüber habe man nicht gesprochen, so die Kanzlerin: "Da gibt es auch keine Planungen."

Quelle: ntv.de

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