Haushaltstalk bei Illner "Mit 1000 Milliarden Steuereinnahmen kann es keine Notlage geben"
01.12.2023, 05:29 Uhr Artikel anhören
Merz mahnt Sparsamkeit an.
(Foto: ZDF und Jule Roehr)
Die Bundesregierung muss sparen und Friedrich Merz hat da ein paar Vorschläge, die er bei Maybrit Illner verrät. Die Schuldenbremse will der CDU-Chef nicht antasten. Und da hat er den engsten Berater des Finanzministers ganz auf seiner Seite.
Es ist eine teilweise hitzige Diskussion, die sich Spitzenpolitiker aus Regierung und Opposition am Donnerstagabend bei Maybrit Illner im ZDF liefern. Wieder einmal geht es um die Haushaltspolitik der Ampelkoalition. Zunächst einmal fordert CDU-Chef Friedrich Merz nicht mehr unbedingt Neuwahlen im nächsten Jahr. "Das hängt jetzt sehr von der Bundesregierung ab. Die Bundesregierung muss Entscheidungen treffen, und dann werden wir sehen, was in den nächsten Tagen und Wochen passiert", sagt er.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehlen im Bundeshaushalt für das Jahr 2024 laut Finanzminister Christian Lindner 17 Milliarden Euro. Wie sich das auf den Etat auswirkt, weiß SPD-Chefin Saskia Esken noch nicht. Das werde Lindner in der nächsten Woche vorlegen, ist sie sich sicher. Auch die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen hat noch keine Ahnung, wie der Haushalt aussehen soll. Sie fordert genau wie Esken, im nächsten Jahr die Schuldenbremse noch einmal auszusetzen. Der stellvertretende Chefredakteur der "Welt", Robin Alexander, kann sich vorstellen: "17 Milliarden finden wir." Anders als Unions-Spitzenpolitiker glaubt er, Deutschland befände sich nicht in einer Staatskrise. Er sagt: "Wir sind in einer veritablen Regierungskrise." Merz stimmt zu.
Merz für Verkauf von Logistiksparte der Bahn
CDU-Chef Merz kritisiert die Forderungen von SPD und Grünen, die Notlage auch im kommenden Jahr zu erklären und so die Schuldenbremse erneut auszusetzen. "Mit 1000 Milliarden Euro Steuereinnahmen bei 425 Milliarden Euro Bundeshaushalt - da kann es keine Notlage geben, wenn man jetzt mal 17 Milliarden Euro an anderer Stelle sparen muss." Wo Merz sparen will, hatte er schon vorher gesagt: Heizungsgesetz, Kindergrundsicherung, Bürgergeld. Doch am Donnerstag bringt er noch andere Gedanken ins Spiel: den Verkauf von "Tafelsilber", also von Staatsunternehmen.
Da ist er nicht der erste: Einige Experten hatten bereits über den Verkauf der Staatsanteile an der Telekom offen nachgedacht, mit denen man das Haushaltsloch für nächstes Jahr vollständig stopfen könne. Merz bringt das Unternehmen DB Schenker ins Spiel. Die Schenker AG kam vor gut zwanzig Jahren zur Bahn, die unter seinem Namen ihre Logistiksparte führt, mit Ausnahme des Schienengüterverkehrs. Die DB Schenker ist genau wie die Bahn selbst ein Staatsunternehmen. Merz: "Mit dem Verkauf dieses Unternehmens könnten Sie für Jahre das Schienennetz der Bahn ausbauen. Aber diese Koalition will das Unternehmen nicht verkaufen, weil sie der Meinung sind, dass sie die besseren Unternehmer mit einem der größten Logistikkonzerne der Welt sind. Da ist Potenzial ohne Ende." Das sieht Merz auch beim Nextgeneration-Fond der EU, aus dem Deutschland 30 Milliarden Euro zustünden. Die seien bisher nur zu einem Bruchteil abgerufen worden. Merz: "Es geht um die Frage, ob wir die Kinder und Enkelkinder mit noch höheren Schulden belasten. Und an der Stelle sagen wir ganz einfach nein, jedenfalls, so lange wir so viele andere Möglichkeiten haben, das zu nutzen."
Reform der Schuldenbremse
Eine Reform der Schuldenbremse lehnt Merz ab. Die sei jedoch wichtig, mahnt Göhring-Eckardt an. Die Idee: Weil die Schuldenbremse der Bundesregierung nur einen geringen Spielraum zur Aufnahme von Krediten gibt, sollen diese Kredite nur für Investitionen in die Zukunft verwendet werden. Laufende Ausgaben wie Renten oder Bürgergeld wollen aus Steuermitteln gezahlt werden. Investitionen für die Zukunft seien beispielsweise neue Schulen oder der Ausbau von Straßen und des Schienennetzes, sagt Göring-Eckardt. Vor allem Investitionen für die Wirtschaft müssten gewährleistet werden.
Das sieht Lars Feld ganz anders. Der Wirtschaftswissenschaftler wird kurz in die Sendung geschaltet. Er ist "persönlicher Beauftragter für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung" von Finanzminister Lindner - und ein Fan der Schuldenbremse. Die erlaube sehr viel Flexibilität, lobt er. Und sie ermögliche hohe Subventionen für die Wirtschaft. Aber Feld ist nicht davon überzeugt, "dass die Subventionen, die hier gezahlt werden, der richtige Weg sind." So kritisiert er staatliche Unterstützung von Unternehmen, die in deutsche Standorte investieren wollen: "Die Frage ist: Warum investieren die nicht von sich aus in Deutschland?" Die Antwort gibt er gleich selbst: Für viele Unternehmen rechneten sich Investitionen in den Standort Deutschland ohne Subventionen nicht.
Energieintensive Unternehmen würde Feld nicht unterstützen, damit sie in Deutschland bleiben. "Ich denke schon, dass wir auch in der energieintensiven Wirtschaft eine Reihe von Unternehmen haben, die aufgrund weiterer Spezialisierungen im Land bleiben werden und weitere Investitionen tätigen." Zwar würden durch den Weggang bestimmter Unternehmen Arbeitsplätze aus Deutschland verschwinden, jedoch würden durch den demografischen Wandel der Bevölkerung ohnehin weniger Menschen Jobs benötigen. Statt Unternehmen zu subventionieren, fordert Feld bessere Bedingungen für deren Ansiedlung: günstigere Energiepreise oder weniger Bürokratie. Für die Klimapolitik hat er noch ein anderes Rezept: "Zum einen ist mir bewusst, dass man auch in pragmatischen Situationen das machen muss, was mir als ordnungspolitischer Schweinkram beigebracht worden ist: Subventionen zu zahlen. Aber die Führungsrolle in der Klimapolitik muss die CO2-Bepreisung haben."
Die Diskussion zu diesem Thema wird nicht abreißen. Am heutigen Vormittag wird sie einen neuen Höhepunkt erreichen. Dann will die Bundesregierung den Nachtragshaushalt für das Jahr 2023 vom Bundestag diskutieren lassen.
Quelle: ntv.de